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Bergsteigerdorf

Das Lesachtal: Der große Wert der Naturbelassenheit

• 30. November 2018
3 Min. Lesezeit
von Christina Schwann

Kein Tal in Österreich hat so viele Auszeichnungen erhalten, wie das Kärntner Lesachtal. Unter anderem jene für das „naturbelassenste und umweltfreundlichste Tal Europas“. Zu Recht, wie unsere Autorin Christina Schwann findet. Uns stellt sie das Kärntner Idyll zwischen kleinstrukturierter Berglandwirtschaft und sanftem Tourismus vor – eine andere Welt.

Bergsteigerdorf Lesachtal
Foto: Christian Unterguggenberger
Maria Luggau im Lesachtal im Winter
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Das Kärntner Lesachtal ist sowohl von Osttirol über Sillian, Kartitsch und Obertillaich zu erreichen, als auch von Oberdrauburg und Kötschach-Mauthen. Kommt man aus dem Osten, also von Kötschach, windet sich eine steile und zum Teil sehr schmale Bergstraße bergan. Links ragen die mächtigen Zacken des Karnischen Kamms auf, links die sanften Formen der Gailtaler Alpen.

Und plötzlich ist man da. Es ist nicht das Schild mit dem Bergsteigerdörfer-Logo, das einen darauf hinweist, es ist kein Tor, welches man passiert – es ist schlichtweg der Charakter der Landschaft, die Architektur, der Charme der kleinen Ortschaften. Plötzlich ist man in einer völlig anderen Welt – weit weg vom hektischen Alltag, vom Stress, vom Verkehr, von der schlechten Luft und – im Winter vor allem – vom Nebel. Glitzernder Schnee, der auf den Zaunstempen kleine Hauben gebildet hat, Eiszapfen, die von Dächern hängen. Stolze Bauernhöfe, uralt mit dunklem Holz, das sich selbst in der kalten Wintersonne erwärmt und dampft. Liebevoll in Stand gehaltene Kapellen und eine Wallfahrtskirche, die man hier wohl kaum erwartet hätte – Maria Luggau auf 1.179 m.

Blick auf Obergail

Wallfahrt übers Gebirge

Seit im Jahr 1513 – so die Geschichte – der Bäuerin Helena Unterluggauer, die müde von der harten Arbeit am Feld einschlief, im Traum der Auftrag erteilt wurde, hier eine Kirche zu errichten, ist Maria Luggau unter Wallfahrern weit über die Grenzen Kärntens bekannt. Die schon im 16. Jahrhundert errichtete gotische Kirche wurde von Papst Johannes Paul 1986 sogar zur „Basilika minor“ erhoben. Zahlreiche Gläubige pilgern alljährlich aus verschiedenen Richtungen nach Maria Luggau und lassen Ende Juni den sonst sehr ruhigen Ort richtig geschäftig werden. Im Jahr 2004 jährte sich die Wallfahrt vom italienischen Sappada über den Passo Sessis und das 2.127 m hohe Bladnerjoch am Karnischen Kamm zum 200. Mal.

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Wo einst die Mühlen klapperte

Der Mühlmacher Franz Salcher aus Liesing hat es ganz genau aufgezeichnet: um 1940 gab es im gesamten Kärntner Lesachtal, also von Maria Luggau bis St. Jakob, 195 Mühlen. Der Grund für die vielen Mühlen – es hatte fast jeder Bauernhof seine eigene Mühle – liegt in der Tatsache begründet, dass die Vegetationszeit auf rund 1.000 m Seehöhe relativ kurz ist. Das angebaute Getreide – Roggen, Weizen, Hafer und Gerste – reifte spät und dann wollten alle noch vor dem Winter ihr Korn mahlen. An Wasserreichtum fehlte es nie, schließlich gibt es unzählige kleine Bäche, die sowohl von den Karnischen als auch von den Gailtaler Alpen in die Gail entwässern.

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Leider sind viele dieser Mühlen durch den Einzug des elektrischen Stroms ersetzt und abgerissen worden. Aber zum Glück formierte sich um 1970 eine Gruppe von Idealisten, die die alten, noch bestehenden Mühlen restaurierten und wieder funktionstüchtig machten. Heute wird mit den Mühlen in Maria Luggau wieder wie früher Korn gemahlen. Auf einem Spaziergang entlang des Mühlenweges – am besten mit einer Führung – kann man die Mühlen besichtigen. Übrigens: Auch den Bauernladen in Maria Luggau sollte man nicht auslassen! Hier findet man vom Honig über Wollsocken bis hin zu Kinderpuppen alles, was die Bäuerinnen des gesamten Tales mit eigenen Händen schaffen – ein Kleinod mit tausenden Einzelstücken.

Mühlrad im Winter

Die Lesachtaler prägt ihre Mentalität

Man könnte annehmen, dass die große Abgeschiedenheit des Tales – sowohl nach Osten als auch nach Westen braucht man rund eine Stunde mit dem Auto, um wieder in der „normalen“ Welt zu sein – der Grund für seine Naturbelassenheit ist. Sicherlich war das Lesachtal für eine skitechnische Erschließung wenig interessant und große Investoren wurden auf das Tal nie aufmerksam – zum Glück. Aber auch die Mentalität der Lesachtaler spielte und spielt eine wichtige Rolle. Es ist die Liebe zum eigenen Land, der Stolz auf die geleistete Arbeit im steilen Berghang, die Zufriedenheit, wenn das Vieh im Winter das duftende Bergheu der Hochmähder frisst. Es ist die Gelassenheit, mit der die Lesachtaler die Jahreszeiten in das Tal ziehen lassen und das Vertrauen darauf, dass Engagement und Innovationsgeist auch neue Wege eröffnen, die aber stets im Einklang mit dem fragilen Gleichgewicht der Natur beschritten werden.

Mit Sorgfalt nutzten die Bergbauern die kargen Berghänge seit Jahrtausenden. Seit rund 50 Jahren gibt es auch Tourismus im Tal – seit eher waren es Gäste, die die besondere Schönheit des Tales, seine Harmonie und Einsamkeit suchten. Und heute? Heute suchen die Leute genau dasselbe, vielleicht sogar noch bewusster als damals, denn Regionen wie das Lesachtal sind rar geworden. Umso mehr steigt der Wert dieser Naturbelassenheit, umso mehr die Wichtigkeit, solche Orte zu bewahren und mit Hilfe eines sanften Tourismus zu stärken. Kaum wo in Österreich wird die Grundidee der Bergsteigerdörfer deutlicher als hier am Fuße des Karnischen Kamms.

Stadl mit Blick auf die Karnischen Alpen im Winter
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Fakten: Bergsteigerdorf Lesachtal, Kärnten

  • Ortschaften: St. Jakob, Birnbaum, Liesing, St. Lorenzen, Maria Luggau
  • Seehöhe: zwischen 947 und 1.179 m
  • Gebirgsgruppen: Karnischer Kamm, Lienzer Dolomiten, Gailtaler Alpen
  • Wichtigste Gipfel: Hohe Warte mit 2.780 m, Hochweißstein mit 2.694 m, Riebenkofel mit 2.386 m

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