16.800 Touren,  1.600 Hütten  und täglich Neues aus den Bergen
Foto: Mattias Fredriksson / www.fjordnorway.com
Reise

Staunen lernen: Fjord-Wandern in Norwegen

• 2. Oktober 2019
4 Min. Lesezeit
von Simon Schöpf

Hätte Norwegen keine Fjorde, die Landschaft wäre maximal so spektakulär wie die in der Schweiz. Doch Wasser ist hier bestimmendes Element. Eine Wander-Entdeckungsreise an den Ort, wo der Ozean die Berge küsst: Willkommen im Fjordparadies Norwegen.

Wandern Klettersteig Fjord Norwegen Bergwelten
Foto: Simon Schöpf
Der Fjord: Tief unten. Die Stimmung: Hoch oben.
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Rein geografisch betrachtet gibt es natürlich kein Fjord-Norwegen. Die Region hört in Wirklichkeit auf Namen wie Sunnhordland, Ryfylke, Fjordkysten, Sunnmøre. Merkt sich allerdings keiner. Deshalb ist Fjord-Norwegen auf der Weltkarte einfach die Region, die ausschaut wie der verstrubbelte Haarschopf des Skandinavischen Hundes (hier bitte kreativ werden). Nüchterner ausgedrückt: Der Süd-Westen des Landes, alles zwischen Stavanger und Ålesund.

Kurs auf Alden: Bald werden wir ganz oben stehen und staunen!

Inselhüpfen auf Norwegisch

„Willkommen im Venedig des Nordens!“, begrüßt uns Wilfred Nor als wir in sein Taxiboot steigen. Wir starten unsere Erkundungsfahrt in Bulandet, einem Archipel von 315 kleinen Inseln, die westlichste Fischfanggemeinde Norwegens. Hier und da ein paar Häuser auf den Hügeln, mindestens genau so viele Boote im Wasser. „Ja, vor allem im Winter wird es hier schon sehr ruhig. Aber wer in Bulandet wohnt, der mag die Stille.“ Wilfred, 72, aber noch kein bisschen alt, hat 35 Jahre lang Seetang geerntet, draußen im Nordatlantik. Jetzt, in der Pension, hat er sich den Traum vom eigenen Boot erfüllt und fährt Touristen zwischen den Inselchen umher. „Ich bin einfach unheimlich gerne draußen, auf dem Wasser“.

Vaerlandet aus der Distanz

Beliebt auf Bergwelten

Heute fährt er uns die kurze Strecke von Værlandet nach Alden, Einwohnerzahl: zwei, Schafe: drei. Ab jetzt heißt es aktiv werden, wir sind ja schließlich auf Wanderurlaub: Die rund 600 Höhenmeter zum Inselgipfel sind –– vor lauter schön – bald hinter und unter uns. Ganz oben wird einem erstmals so richtig bewusst, wie verworren und zerklüftet die norwegische Küste eigentlich ist. Ein schier endloses Gebiet, ein Labyrinth aus Wasser und Stein, das es hier zu entdecken gilt. Wieder unten gibt’s als Belohnung ein feines Craft-Bier, das genauso heißt, wie der Berg, den wir gerade erwandert haben: Alden. Hat man auch nicht immer, und erwandert schmeckt der gegärte Hopfen dann so richtig: ehrlich verdient. Skål und prost.

Wandern Klettersteig Fjord Norwegen Bergwelten
Foto: Simon Schöpf
Das schmackhafte Bier und der namensgebende Berg im Hintergrund: Skål!

Klettersteig-Attribut: Fjord-Blick

Mit der Fähre geht es wieder Richtung Küste, von einer Insellandschaft tief hinein in die Fjorde: Ganze 106 Kilometer streckt sich der Nordfjord – unser Ziel – ins Landesinnere. Ganz, ganz am Ende liegt das kleine Dörfchen Loen. Und weil die Norweger erfinderisch sind und ihren unendlichen Felsreichtum nicht ungenutzt lassen, gibt es hier seit Neuestem sogar einen beeindruckenden Klettersteig. Vertikal im Fels hängend lässt sich die Wildheit der Landschaft nämlich noch intensiver erleben, besser begreifen. Der Via Ferrata Loen ist wohl einer der wenigen Klettersteige dieser Welt mit dem Attribut „Fjordblick“.

An der Schlüsselstelle (D) des Loen-Klettersteigs: Der Wasserfall im Hintergrund leistet stoisch Beistand

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Von Null auf ganz weit oben

Rein von den Zahlen her sind die Berge in Fjord-Norwegen eigentlich nicht sonderlich bemerkenswert: 1.600, manchmal 1.800 Meter hoch, das schaffen die Gipfel der Bayerischen Voralpen auch locker. Doch wenn man weg von der Karte und hin zu den Gipfeln schaut, dann wird man wohl doch ein wenig mehr und länger staunen als beim Anblick der Benediktenwand, mit allem Respekt: 1.800 Höhenmeter, steil und unbarmherzig nach oben, direkt vom Meeresniveau weg!

So zum Beispiel am Skåla, einem der berühmtesten Wanderberge Norwegens. „Einmal im Leben muss man als Norweger ganz oben stehen, das gebietet schon allein unsere Ehre“, meint Asgeir Blindheim und stapft munter weiter. Asgeir, Marketing Manager aus Ålesund, führt oft Leute durch seine geliebten Berge. „Vor ein paar Jahren hat unsere Königin die Wanderung gemacht, wurde dann am Gipfel aber vom Nebel überrascht und konnte deshalb den Ausblick nicht genießen. Als sie wieder unten war, klarte der Himmel auf. Sie ging dann einfach nochmal rauf.“

Findet man immer wieder in Norwegen: Öffentliche Unterschlupf- und Grillhüttchen
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Ach, diese Norweger. Schon ein bemerkenswertes Völkchen. Hier scheint wirklich jeder mit Leidenschaft draußen zu sein – auf den Wanderungen trifft man alle, von ganz jung bis sehr betagt. Doch egal welches Alter, meistens überholen sie einen nichtsdestotrotz mit einem bestätigenden Nicken und einem fast schon schüchtern wirkenden „Hej!“. Und weg sind sie. „Wenn du in dieser Gegend wohnst, dann musst du einfach die Berge und die Fjorde lieben, denn was würdest du sonst machen?“, argumentiert Asgeir trocken. „Sonst gibt’s hier nämlich nicht viel“. Im Moment können und wollen wir uns allerdings auch gar nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu machen als hier zwischen den Fjorden und Gipfeln auf- und ab zu pendeln. Zu schön der endlose Blick von oben, zu genussvoll die Ruhe am Gipfel, zu verlockend das einsame Hinterland.

Der mächtige Slogen im Hjørundfjord
Foto: Sverre Hjørnevik / www.fjordnorway.com
Der mächtige Slogen im Hjørundfjord

Und jetzt alle: Friluftsliv!

Ein Wort beschreibt die Einstellung der Norweger zur Natur besonders gut: Friluftsliv. Friluftsliv, so ein Wort bräuchten wir in allen anderen Sprachen auch, dann wäre die Welt bestimmt ein freundlicherer Platz. Denn Friluftsliv, das ist ganz einfach die Philosophie des Draußen-Seins, des einfachen Lebens, des Wanderns ohne zu fragen warum. Aber bitteschön ohne Luxus, denn dann ist’s nämlich gleich aus mit Friluftsliv. Verwöhnen zählt nicht, ein Zelt muss her, maximal eine Selbstversorgerhütte. Ob in dieser Einstellung das Geheimnis der norwegischen Kraft und Ausgeglichenheit steckt?

Wahrscheinlich schon. Denn wenn wir was von den Norwegern lernen können, dann: Friluftsliv ist gut für dich. Und durch Fjorde wandern auch.

www.visitalesund.com Hjørundfjord is surrounded by mountains, commonly refered to as The Sunnmøre Alps, all stretching straight from the fjord up to 1700 metres. This area, right between the Art Nouveau town of Ålesund and the UNESCO World Heritage Site of Geirangerfjord, provides a range of great spots for climbing, hiking, skiing, fishing, kayaking - or just marvel at the beautiful surroundings.

Infos und Adressen: Fjord-Norwegen

Beste Reisezeit

Im Juni bis September bietet Norwegen die perfekte Flucht aus der Hochsommerhitze Mitteleuropas und ideales Wanderwetter. Der norwegische Sommer ist allerdings einer mit Charakter, gute Regenbekleidung ist Pflicht. Zusätzlich traumhaft im Juni/Juli: Es ist fast 24h lang hell, man bekommt bei günstigem Wetter also oft großes Sonnenunter- und Aufgangskino geboten. Magisch!
Tipp: Das innere Hjørundfjord und die Sunnmøre Alps sind auch im Winter ein Paradies zum Skitourengehen. Inspiration hier.

Ankommen

Entweder per Auto/Campervan über Schweden und die Öresundbrücke nach Oslo und weiter nach Bergen. Direktflüge nach Bergen oder Ålesund (meist über Oslo) von Wien und Berlin (ca. 2h). Weiterreise mit Mietauto oder den sehr gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmitteln.

Unterkommen

Norwegen ist nicht gerade als Budget-Reiseziel bekannt, es gibt aber neben traumhaften Botique-Hotels (Empfehlungen: Villa Norangdal, Værlandet Havhotel) auch kostengünstige Alternativen für Wanderer. Campen ist durch das Allemannsretten (Jedermannsrecht) in Norwegen legal. Weiters stellt der „Norwegische Wanderverein“ DNT (Den Norske Turistforening) fast 500 Berghütten in ganz Norwegen – bewirtschaftet oder Selbstversorger. Ideal für Mehrtagestouren, die genauen Preise findest du hier (ca. 8 bis 20 € pro Nacht).

Weitere Infos

Die Reise erfolgte auf Einladung von Fjord Norway.

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