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Reise

Fjällräven Classic: 110 Kilometer durch die Wildnis Schwedens

• 18. Oktober 2017
5 Min. Lesezeit

Hoch im Norden Schwedens, oberhalb des Polarkreises, machen sich Jahr für Jahr Abenteurer aus aller Welt zu einem besonderen Trekking-Trip auf: 110 Kilometer zu Fuß durch die Wildnis Schwedisch Lapplands – von Nikkaluokta nach Abisko. Katharina Steglegger war dieses Mal beim Kult-Event dabei und schildert uns ihre Eindrücke.

Bericht: Katharina Steglegger

Der Fjällräven Classic, der seit über 10 Jahren Mitte August im Norden Schwedens stattfindet, ist mittlerweile Kult, doch angefangen hat alles relativ klein. Die Idee zu diesem Trekking-Event stammt von Fjällräven Gründer Ake Nordin persönlich. Er wollte damit seine Landsleute für die eigenen Berge und das Wandern begeistern. 2005 waren es gerade einmal 152 Teilnehmer, die ins Ziel kamen, 2015 bereits 2.136.

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Und egal ob für Anfänger oder erfahrene Bergsteiger – die 110 Kilometer von Nikkaluokta nach Abisko sind für jeden Einzelnen ein forderndes Erlebnis! Wer sich auf das Outdoor-Abenteuer in Schwedisch Lappland einlässt, den erwarten magische Momente und überwältigende Eindrücke in einer rohen, fast unwirklichen Landschaft oberhalb des Polarkreises. Eine echte Wildnis, vielleicht eine der letzten. Es gibt kein Handy-Netz, keine Straßen, keinen Strom. Notfälle müssen per Helikopter ausgeflogen werden. Ein Teil des 110 km langen Treks findet auf dem berühmten, 440 km langen Kungsleden (Königspfad) statt. Wie viel Zeit man einplant, ist jedem selbst überlassen. Dank „Allmannsräten“ (Jedermannsrecht) kann das eigene Zelt überall aufschlagen werden.

Start in Nikkaluokta

Sportliche Teilnehmer legen die Strecke als 3-Tages-Trip an, die extremsten laufen sie als Trailrun in einem Stück (der bisher schnellste brauchte nur 19 Stunden!). Ich habe mich für eine eher gelassene 5-Tages-Variante entschieden. Der Fjällräven Classic ist schließlich kein Wettbewerb oder Rennen – sondern in erster Linie eine Chance, andere Trekker aus aller Welt kennenzulernen und dabei eine wunderbare Zeit in unberührter Natur zu genießen!

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Tag 1: Nikkaluoka – Kebnekaise Fjällstation – Tolpagorni (ca. 23 km)

Kaltes Wasser, warme Zimtschnecken

Kurz nach dem Start geben die Birkenwälder den Blick auf das schneebedeckte Kebnekaise-Massiv frei. Am Ladtjojaure-Strand verlockt das klare Wasser zu einem Stopp - für Hartgesottene ist hier sogar Baden möglich! Dann weichen die Birken allmählich Büschen. Die Landschaft wird rauer, die Moskitos weniger. Über kleine Trampelpfade und Holzbalken (die sich zur Schonung der Natur immer wieder auf der Strecke finden) geht es schier endlos geradeaus… immer wieder unterbrochen von kleineren Bächen, reißenden Flüssen und hängenden Brücken. Checkpoint Nr. 1 ist die Kebnekaise Fjällstation. Eine Hütten-Base auf 690 m am Fuße des Kebnekaise, mit 2.099 m der höchste Berg Schwedens. Der erste Stempel im Wanderpass, dazu warme Zimtschnecken! Ab hier fängt die echte Wildnis an.

Tipp für Nachahmer: Circa 3 Kilometer weiter, in Ladjovagge nahe des Tolpagorni (1.662 m), lässt es sich auf einer Anhöhe, mit sicherer Distanz zum kleinen Flussdelta, super übernachten! Weiteres Plus: die nächste Tagesetappe wird nicht mehr so lang.

Bei Ladjovagge nahe des Tolpagorni (1.662 m)

Tag 2: Tolpagorni – Singi – Sälka (ca. 24 km)

Zwischen Rentier-Wrap und Sauna

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Felsige Pfade, Holzbalken, Brücken – links und rechts massive, schneebedeckte Berge, die das weite Tal begrenzen. Strömender Regen wechselt sich mit böigem Wind und kurzen sonnigen Momenten ab. In Singi gibt es eine warme Überraschung: Rentierfleisch-Wrap mit Püree und Preiselbeer-Marmelade. Das steigert die Laune – man freut sich ab sofort bei jedem Checkpoint auf die kostenlose kulinarische Überraschung. Von hier aus verläuft der Trek auf dem Kungsleden. Die Landschaft wird immer unwirklicher: Geröllige Trails, reißende Bäche und wackelige Brücken. Dafür braucht man sich um den Wasservorrat keine Sorgen zu machen. In Sälka wartet eine Sauna auf alle, die noch genug Energie für Wellness haben. Nach dem Kampf mit den Moskitos beim Zeltaufbau war das für mich keine Option mehr. Die sind trotz des kühlen Wetters hier überraschend aktiv!

Start am zweiten Tag
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Tag 3: Sälka – Tjäktja – Alesjaure (ca. 28 km)

Die längste und forderndste Etappe

Die längste Etappe auf dem Fjällräven Classic hat eine Pass-Überquerung, eine Geröllwüste mit Mondlandschaftscharakter und eiskalte Bäche zu bieten. Von Sälka geht’s über Holzstege, Brücken und Blockgelände zum Tjäktjapass auf 1.140 m, der bei Kilometer 60 immerhin den höchsten Punkt auf dem Kungsleden markiert. Von hier geht es 600 Höhenmeter bergab und 50 km weiter bis ins Ziel nach Abisko. Kurze Freude, endlich bergauf statt immer nur geradeaus. Nach dem Pass die Ernüchterung. Die nächsten zwei Stunden geht es wieder geradeaus – über Geröll und mittel- bis große Felsbrocken, unterbrochen von Holzbalken, ein schwieriges Terrain. Die 18 Kilo im Rucksack belasten Knie und Gelenke zusätzlich. Für viele der härteste Teil des Classic. Kurz vor Checkpoint 4 wird der Weg endlich weicher, sandiger. Flüsse müssen – von Stein zu Stein springend – gequert werden. Ein weiterer Stempel im Pass ist gesammelt – dazu wird heißer Kaffee samt Schoko-Brownie serviert! Andere freuen sich mehr auf die ärztlichen Dienste: Tape, Blasenpflaster und Schmerztabletten. Das Team des Fjällräven Classic ist vor Ort für alle Fälle ausgerüstet. Bis Alesjaure sind es noch 14 Kilometer. Schöne, zum Teil grasbewachsenen Pfade – ein wahrer Genuss. Eine Hängebrücke und ein Bergaufsprint später ist diese Etappe geschafft. Hier wartet übrigens auch wieder eine Sauna, das Holz dafür muss (was auch sonst) selbst gehakt werden!

Über den Tjäktjapass auf 1.140 m

Tag 4: Alesjaure – Kieron (ca. 18 km)

Ein Motivationstief und Pancakes am „heiligen Berg“

Es ist grau, kalt und stürmisch – nachts sind die Temperaturen unter die Null-Grad-Grenze gesunken. Die Schritte fallen nicht mehr so leicht, das stete Geradeausgehen zermürbt. Sogar die ineinander übergehende Seen-Landschaft (Alesjaure, Ratojaure, Miesakjaure und Appajaure) schafft es nicht, den Blick und die Stimmung zu heben. Und das Wetter wechselt nicht wie sonst. Nur das Geräusch von prasselnden Regentropfen auf der Kapuze. Pause im Regen. Mittagspause, Regen. Kurzer Regenbogen. Regen. Der letzte Teil der Strecke: matschig, rutschig, felsig und bergab. Keine gute Kombination. Aber: die Landschaft ändert sich langsam, die ersten Bäume tauchen wieder auf. Auf einer Anhöhe sieht man den Abiskojaure-See im Nationalpark, der Weg wird besser. Sandig und weich.

Einzige Motivation: in Kieron, Ziel der Etappe und Checkpoint Nr. 6, warten Pancakes! Kieron, der heilige Berg, hat seinen Namen übrigens vom sämischen Wort für Rebhuhn. So eins gegrillt wäre jetzt auch okay, denke ich mir...

Tag 4: Von Alesjaure nach Kieron

Tag 5: Kieron – Abisko Turiststation (ca. 17 km)

Das Ende in Sicht

Endspurt. Die Birken sind zurück. Und die Moskitos. Und sogar die Sonne! Der letzte Teil der Strecke führt durch den wunderschönen Absiko-Nationalpark, am Abiskojaure-See entlang. Begrenzt durch die markante U-Silhouette des Lapporten (Fjällmassiv) im Süden und den Törneträsk-See im Norden. Das Ziel vor Augen läuft es sich doppelt so leicht und auch schneller als die letzten Tage, die Dusche ruft. Die Aussicht auf ein kühles Bier im Trekkers Inn, wo jeden Abend eine Party samt Liveband steigt, hilft eindeutig auch.

Im wunderschönen Absiko-Nationalpark

Infos und Fakten: Fjällräven Classic, Schweden

    • Das Teilnehmerfeld ist auf 2.200 Starter limitiert. 2017 stammten sie aus 38 Ländern (26% Schweden, 15% Deutschland, 13% Südkorea, 12% Niederlande). Erstmals lag der Frauen-Anteil bei 40%! Der älteste Trekker war 74 Jahre, der jüngste 3 Jahre alt.
    • Gestartet wird an drei Tagen zu je drei Zeiten (Fr-So), so ist die Strecke nie überlaufen.
    • Startgebühr: Die Tickets kosten rund  230 Euro. Inkludiert sind neben dem Start: Bus- und Gepäcktransfer in Kiruna zum Basecamp, Landkarte, Wanderpass, Verpflegung (Gefriergetrocknet), Brennstoff, SafetyTag, Mülltüte und Finisher-Medaille.
    • Regeln: Leave no traces! (Hinterlasse keine Spuren!) – jeder Trekker bekommt eine Mülltüte, in der alles bis zum Ziel gesammelt werden muss. Es ist verboten, zwischendurch an den Abfallstationen der Checkpoints oder an Schutzhütten zu entsorgen (auch keine Essensreste) oder dort zu übernachten. Auch Boote dürfen nicht benutzt werden.
    • International: Den FR Classic gibt es seit 2013 auch in Dänemark, den USA (Colorado seit 2016) und seit 2017 erstmals in Hongkong (Oktober). Dort wandert man in drei Tagen 44,5 km durch die Naturparks Maon Shan, Sai Kung West und Sai Kung East vor den Pforten einer der größten Metropolen der Welt.

    Hier geht’s zu Katharina Stegleggers Blog Bergseensucht.com

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