Peter Habeler: „Die Natur bewahren wie sie ist“
Bereits zum 10. Mal wandert Bergsteigerlegende Peter Habeler gemeinsam mit dem Österreichischen Alpenverein und seinem Partner Almdulder für die Aktion „Saubere Berge“, um einmal mehr in Erinnerung zu rufen, dass unser Müll im Gebirge nichts verloren hat. Dieses Jahr führte die Wanderung durch das Mölstal zur Lizumer Hütte.
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass jeder Wanderer oder Bergsteiger seinen eigenen Müll wieder mit ins Tal nimmt und dort ordnungsgemäß entsorgt. Aber leider zeigt die Realität immer noch ein anderes Bild: Da ein weggeworfenes Papiertaschentuch, dort ein Zigarettenstummel, eine Bananenschale oder sogar eine Aludose, an deren scharfen Rändern sich Tiere Maul und Pfoten aufschneiden können. Abgesehen von Plastik- oder Glasflaschen glauben viele Wanderer und Bergsteiger, dass die Dinge, die sie wegwerfen, einfach verrotten und daher keinen Schaden anrichten. In der Tat stimmt das aber nur für den Apfelputzen und damit endet die Liste dann auch schon wieder.
Im Gebirge dauert alles etwas länger
Im Gebirge – speziell im Hochgebirge brauchen selbst Bio-Abfälle aufgrund von niedrigen Temperaturen, der geringeren Anzahl von Bodenorganismen und generell einer viel längeren Frostperiode, in der die Abfälle konserviert und keinesfalls zersetzt werden, deutlich mehr Zeit für die Verrottung. Sprich sie sind lange sichtbar, stören das Landschaftsbild und unseren Naturgenuss, sind zum Teil für Tiere völlig ungenießbar und im Fall von z.B. Zigarettenstummel auch noch hochgiftig.
Hier ein paar Beispiele für vermeintlich leicht verrottbare Artikel:
- Bananen- oder Orangenschalen: 1-3 Jahre
- Papiertaschentuch: 1-5 Jahre
- Zigarettenstummel (Achtung: außerdem voll von Chemikalien und Schwermetallen, die ins Wasser gelangen): 2-7 Jahre
- Kaugummi: 5 Jahre
Dass Plastik, Alu und Glas extrem langsam zersetzt werden, wissen wir, aber dass es – wieder im Abhängigkeit der Höhenlage - so lange dauert, sollte man sich doch noch mal vor Augen halten:
- Plastikfalsche: 100 – 5.000 Jahre
- Plastiksack: 120 – 1.000 Jahre
- Aluminiumpapier: 200 – 400 Jahre
- Aludose: 400 – 600 Jahre
- Glasflasche: 4.000 - 50.000 Jahre
Dieses Jahr führte die Wanderung vom Lager Walchen durch das Mölstal zum Mölssee und über die Mölsscharte zur Lizumer Hütte in den Tuxer Alpen.
Wattental - Mölstal - Mölser Scharte - Lizumer Hütte
Auf der Lizumer Hütte wurde die Gruppe sehr freundlich von den beiden neuen Hüttenwirten Tobias Spechter und Lukas Aichhorn empfangen.
Ein hoch spezialisierter und ebenso sensibler Naturraum
Wenn wir in den Bergen unterwegs sind, betreten wir ein Gebiet, das uns durch seine Ursprünglichkeit, Wildheit aber auch Verletzlichkeit berührt. Über Jahrmillionen von den Naturgewalten geschaffen, bieten die Berge Rückzugsbereiche für viele seltene und speziell an die Bedingungen des Gebirges angepasste Arten, die im Tal aufgrund des fehlenden Platzes oder auch der Konkurrenz mit anderen keine Überlebenschancen hätten. Für sich alleine genommen sind viele von ihnen schon faszinierend, wie etwas das Felsenröschen, das ausgedehnte Polster mit eigenem Mikroklima, Wasser- und Temperaturhaushalt bildet. Oder auch die Alpen-Troddelblume – so klein, so verletzlich, aber die erste, die bis hinauf auf 3.000 m gleich nach der Schneeschmelze ihre zarten Glöckchen in die Sonne reckt. Und viele andere Arten, wie der Frühlingsenzian, die Küchenschelle und die Mehlprimel machen es ihr nach, locken Bestäuber mit überaus prächtigen Farben an und nutzen die kurze Vegetationsperiode so gut es geht.
Auch das Zusammenspiel verschiedener Pflanzen ist eine bemerkenswert effektive Überlebensstrategie. Das Felsenröschen setzt auf Kooperation mit der Heidelbeere, Flechten und Gräsern. Selbst große, mächtige Pflanzen wie die Zirbe sind nicht nur ein essentieller Teil des Netzwerks, sondern auch davon abhängig. Ihr wichtigster Partner ist der Tannenhäher, der an ihrer Verbreitung oberhalb der Waldgrenze maßgeblich beteiligt ist: Er legt Vorräte für den Winter an und vergräbt einen Teil der Samen. Allerdings findet er nicht alle seine Verstecke wieder und so keimt im nächsten Jahr eine junge Zirbe.
Viel zu sehen im Frühling
Wer mit offenen Augen durch die Natur geht, entdeckt gerade im Frühling auf Schritt und Tritt Besonderheiten: So findet man auf den letzten Schneefeldern im Juni manchmal die etwas seltsame Fährte von Murmeltieren – ihre großen Vorder- und Hinterpranten hinterlassen eindeutige Abdrücke, wobei die Vorderpranten mit nur vier Zehen ausgestattet sind. Im Winter schlafen Murmeltiere im Familienverband in ihren Bauten, aber spätestens Ende Mai müssen sie aufstehen und fressen. Auch Gämsen und Steinböcke sind jetzt voller Tatendrang. Nach einem langen Winter freuen sie sich über frische Gräser, der Fellwechsel steht an und im Juni kommen die Jungen zur Welt. Schneehase und Alpenschneehuhn sind im Winter weiß. Jetzt wechseln sie wieder auf braun, um im schneefreien Gelände gut getarnt vor dem wachsamen Auge des Adlers einigermaßen sicher zu sein.
Müll hat hier nichts verloren
Jede Stunde, jeder Tag, den wir draußen in den Bergen verbringen dürfen, sollte für uns besonders sein. Ein Geschenk, das uns Ruhe und Erholung bietet, aber auch Bewegung, Abenteuer und Herausforderung. Im Bewusstsein um die Besonderheiten der Natur, ihrer Spezialisten, Überlebenskünstler und Strategen muss für uns sonnenklar sein, dass „wir die Natur so bewahren wie sie ist“, wie es Bergsteigerlegende und Botschafter der Aktion „Saubere Berge“, Peter Habeler, formuliert. Es brauche die Achtsamkeit aller Bergsteiger. Das Paket an Sorgen könne man in den Bergen ablegen, aber der Müll müsse jedenfalls und ausnahmslos wieder hinunter ins Tal wandern.
Auch Ingrid Hayek, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins, appelliert anlässlich des 10-jährigen Jubiläums von „Saubere Berge“ an die Vernunft und den Hausverstand aller Bergsteiger: „Unsere Gesellschaft ist es gewöhnt, dass hinter ihr aufgeräumt wird. In den Bergen ist das aber nicht der Fall.“ So wie man auch zu Hause in seinen eigenen vier Wänden den Müll nicht am Boden liegen lasse, für einen selbst und auch mit Respekt dem Nachbarn gegenüber, sollte man auch den Naturraum respektvoll gegenüber den Tier- und Pflanzenarten, aber auch anderen Wanderern und Bergsteigern behandeln.
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