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Abenteuer Hüttenleben

Buggy Reich: „Wenn’s mich anzipft, schau ich beim Fenster raus“

• 7. Mai 2021
7 Min. Lesezeit
von Mara Simperler

Die 15. Saison wird für Buggy Reich (55) und seine Frau Jutta die letzte auf der Steinseehütte in Tirol sein. Uns verrät er, womit ein Hüttenwirt zu kämpfen hat, weshalb es trotzdem der schönste Job ist und was er seiner Nachfolge raten würde. Denn Bergwelten sucht gemeinsam mit dem Alpenverein neue Wirtsleute für die idyllische Alpenvereinshütte direkt am Lechtaler Höhenweg! Mehr dazu hier: Abenteuer Hüttenleben.

Steinseehütte neuer Hüttenwirt
Foto: Simon Schöpf
Buggy und Jutta Reich bewirtschaften seit 2007 die Steinseehütte - 2022 wollen sie übergeben
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Für das Hüttenwirtspaar Reich ist die Zeit reif, die auf 2.069 m gelegene Steinseehütte ab Sommer 2022 in die Hände neuer Pächter zu geben. Jutta ist in Pension und Buggy möchte sich wieder intensiver seiner ursprünglichen Arbeit als Bergführer widmen. Bevor es in die letzte Saison geht, teilt der erfahrene Hüttenwirt mit uns seinen reichen Erfahrungsschatz und erzählt so manche Anekdote aus dem Hüttenleben. 

Bergwelten: Lieber Buggy, du hast die Steinseehütte 2007 übernommen – hattest du damals schon Erfahrungen als Hüttenwirt?

Buggy Reich: Ich hatte viel Hüttenerfahrung – aber nur als Gast. Ich bin seit Anfang der 90er-Jahre als Berg- und Skiführer tätig. 2007 haben dann die Sektion Landeck und die vorherigen Wirtsleute angefragt, ob wir die Hütte übernehmen würden? Einiges, wie Service und Küche, war für meine Frau Jutta und mich Neuland, aber das kann man sich alles aneignen.

Ein paar Grundeigenschaften sollten ein zukünftiger Hüttenwirt und eine zukünftige Hüttenwirtin aber wohl doch mitbringen?

Speziell auf der Steinseehütte wäre es gut, wenn man bergsteigerische Erfahrung mitbringt. Die Lechtaler Alpen sind teilweise ein recht anspruchsvolles Terrain und natürlich ein fantastisches Klettergebiet. Handwerkgeschick ist auf jeden Fall auch von Vorteil. Und wenn jemand kochen kann ist das auch gut.

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Kannst du dich noch an die Anfangszeit erinnern? Welche Fehler habt ihr damals gemacht?

Im Juni, nach der Eröffnung, haben wir gedacht: Unter der Woche wird schon nicht so viel los sein – und dann sind wir gar nicht mehr so richtig zum Vorbereiten gekommen. Angangs kennt man die Abläufe nicht so gut, da kommt man ein bisschen ins Schwitzen. Nach 1-2 Jahren ist das aber alles schon Routine. Etwa was die Material-Lieferung angeht: Wenn was ausgeht, dann geht es aus und das krieg ich auch so schnell nicht mehr rauf auf die Hütte. Wenn dann auch noch die Seilbahn einen Schaden hat, hast du gleich noch mehr Stress. Oder wenn der Strom für drei Tage ausfällt – das haben wir am Anfang nicht bedacht. Als ich angefangen habe, war ich Bergsteiger, jetzt bin ich ein halber Techniker.

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Nach 15 Jahren kennt Buggy Reich jede Besonderheit seiner Steinseehütte (2.069 m)

Wie würdet ihr die Besonderheiten der Steinseehütte beschreiben?

Es gibt ganz wenige Hütten mit einer so schönen Lage. Sie steht auf einem Hügel und egal wohin du schaust, du hast immer einen herrlichen Ausblick. Rundherum nur Berge, die ausschauen wie die Dolomiten. Für Kletterer ist das ein super Gebiet. Wanderer finden 20 Minuten oberhalb der Hütte einen schönen See, den Steinsee, der in einem Felskessel eingebettet liegt. Etwas herausfordernder ist die Steinseehütte, was die Lieferung angeht. Wir haben in unseren 15 Jahren hier oben viel saniert, die Hütte ist in einem sehr guten Zustand.

Zwickt´s derzeit dennoch irgendwo bei der Hütte?

Wir hatten in den letzten Jahren große Umbauarbeiten – es ist ein ganzer Personalteil mit Einzelzimmern angebaut worden und 2018 ist z.B. ein neuer Stiegenaufgang in die oberen Stockwerke errichtet worden. Was in den nächsten Jahren ansteht sind nur typische Erhaltungsmaßnahmen: Die Batterien der Photovoltaikanlagen werden in 2-5 Jahren zum Tauschen sein. Irgendwann wohl auch die Fenster, aber der Rest der Hütte ist von Grund auf saniert. Es gibt eine Seilbahn, die nicht mehr ganz neu ist, da kann immer was sein. Bis zur Seilbahn bringen wir das Material mit einem kleinen Traktor über einen Wanderweg – dieser Weg weist immer wieder Schäden auf, da braucht es manchmal einen Bagger den die Hütte organisieren muss.

Vor welche Herausforderungen stellt einen die Bewirtschaftung der Steinseehütte noch?

Wir fliegen am Anfang und Ende der Saison mit dem Helikopter rauf und bringen Material rauf bzw. runter. Dazwischen erfolgen die Lieferungen aus dem Tal mit dem Pickup bis zum Parkplatz, dort wird alles auf den kleinen, ganz schmalen Traktor umgeladen. Der erreicht dann die Seilbahn in circa einer Stunde. Wir müssen wöchentlich liefern, weil Frischware nicht länger hält. Anfangs bin ich oft noch selbst runter, aber mittlerweile erledigen die Lieferungen mein Bruder und meine Kollegen. Meine Frau und ich fahren nicht runter – ich bin überhaupt die ganze Zeit oben. Die Seilbahn muss man auch von oben bedienen.

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Was war denn die größte Reparatur, die ihr stemmen musstet bzw. was fällt öfter so mal an?

Vor 10 Jahren hat der Blitz in die Photovoltaikanlage eingeschlagen, der hat uns die Laderegler kaputtgemacht und die Batterien, die wir für den Strom brauchen, sind übergekocht. Da wir so schnell keinen Ersatz bekommen haben, mussten wir eine ganze Saison jede halbe Stunde in den Keller laufen, um den Laderegler ein- und ausschalten, damit das mit den Batterien nicht wieder passiert. Das war das Blödeste was passiert ist. Sowas kann passieren, aber wir haben es jetzt noch drei Mal abgesichert.

Hütten-Alltag zwischen Idylle und Arbeit

Du bewirtschaftest die Hütte ja gemeinsam mit deiner Frau – wie teilt ihr euch die Aufgaben auf?

Alles was mit Küche zu tun hat macht meine Frau, wobei uns seit 3 Jahren unsere Tochter, die von Anfang an auf der Hütte dabei ist und eine Lehre als Köchin gemacht hat, hilft. Die Tochter ist auf Patisserie spezialisiert, das andere macht meine Frau. Ich bin für alles zuständig was mit Service, Technik und Lieferung einhergeht.

Um wieviel Uhr beginnt euer Tag und wann geht ihr ins Bett?

Je nachdem wie viel los ist. Ich steh zwischen 5 und 5 Uhr 45 auf. Hüttenruhe ist um 23 Uhr – bis zusammengeräumt ist, ist es halb 12. Man kommt mit 5,6 Stunden Schlaf schon aus. Was zehrt ist die 7-Tage-Woche, vier Monate lang. Aber wenn man darauf eingestellt ist, schafft man das auch.

Habt ihr auch Personal?

Wir haben drei Angestellte. Angestellte bleiben erfahrungsgemäß maximal 2-3 Jahre, dann muss man sich wen neuen suchen. Das Personal war anfangs aus dem Tal, in den letzten Jahren kamen die Leute eher aus Deutschland, Tschechien und der Slowakei. Auf einer Hütte mithelfen ist harte Arbeit und man braucht ein gewisses Durchhaltevermögen, das verstehen die meisten nicht. Da muss man schauen, dass man gute Leute findet und nicht jemanden, der in drei Wochen mal schnell ein bisschen Geld verdienen möchte. Personalsuche ist in jeder Branche eine schwierige Sache, auf der Hütte ist das noch ein bisschen schwieriger.

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die Hüttenwirtsleute mitbringen sollten?

Man muss die Natur lieben und man muss gern auf dem Berg sein – wenn jemand es als Belastung sieht, so lange da oben zu sein, ist das nicht gut. Und man muss mit den Leuten können und darf nicht müde werden, immer die gleichen Fragen zu beantworten: zum Weg, zum Wetter usw. Man muss auf die Leute eingehen können und drüberstehen, dass man manchmal fünfzig Mal das Gleiche antwortet am Tag. Für mich ist das keine Belastung, wenn‘s mich anzipft, geh ich auf die Terrasse oder schau beim Fenster raus – dann bin ich wieder zufrieden. Man muss einfach gern am Berg sein.

Wie sollten die nächsten Pächter idealerweise gestrickt sein?

Der Sektion ist es wichtig, dass sie nicht eine Perspektive von 1-2 Jahren mitbringen, sondern eher 5, 10 oder sogar 15 Jahre – man sollte sich also gut überlegen, ob man den Job auch für mehrere Jahre machen mag. Speziell für die Steinseehütte wäre es wichtig, dass man ein bergsteigerisches Grundwissen hat. Immer wieder fragen Bergwanderer nach dem weiteren Weg, da muss man die Leute richtig einschätzen können, um ihnen den richtigen Rat zu geben. Wenn der zukünftige Pächter oder die zukünftige Pächterin eine Bergführer-Ausbildung hat, ist das ein Vorteil – und wenn man sich zu zweit bewirbt und eine Hälfte kann kochen, auch. Alles kann und muss man aber nicht von Anfang an können.

Steinseehütte Abenteuer Hüttenleben
Foto: Simon Schöpf
Die Steinseehütte (2.061 m) liegt unterhalb des gleichnamigen Sees auf einer grünen Terrasse, umrahmt von der Parzinn-Gruppe (Lechtaler Alpen)

Hast du eine Lieblingstour in der Umgebung?

Am Anfang bin ich noch viel geklettert und habe Kurse gegeben, dafür war in den letzten fünf Jahren keine Zeit mehr, weil viel mehr Aufgaben dazugekommen sind – etwa die Kläranlage oder die Photovoltaik. Meine Lieblingstour ist aber die Klettertour auf den Steinkarpfeiler. Die wohl schönste und spektakulärste wäre die auf den Spielerturm.

Gibt es besonders schöne oder spannende Geschichten, die ihr im Laufe eurer Zeit auf der Hütte erlebt habt?

Spannend ist immer die Lieferung – wenn du zum Himmel schaust und hoffst, dass es sich noch ausgeht vor dem Regen. Wenn dann alles oben ist, ist man zufrieden. Schön war immer auch das Gefühl, wenn man einem Verirrten am Telefon erklärt, wie er wieder runterkommt, und drei Stunden später steht er neben dir. Auch schön: Meine Tochter war mit 7 Jahren das erste Mal auf der Hütte. Wenn sie mal ihre Ruhe gebraucht hat, hat sie gesagt: „Ich geh jetzt“, und wenn sie zurück war hat sie gesagt: „Ich war fernschauen“ – dazwischen ist sie auf einem Stein gesessen und hat sich die Berge angeschaut.
Und dann gab’s auch Sachen wie den dreijährigen Umbau – da war die ganze Hütte zeitweise auf einer Seite aufgeschnitten. Dann kam der Schnee und wir mussten sie in nur vier Wochen dicht machen. Irgendwie geht eh immer alles.

Was wirst du denn vermissen hier oben?

Das kann ich noch gar nicht sagen. Außerdem sehe ich es gar nicht so sentimental: Ich werde wieder ein bisschen mehr zum Klettern kommen und diese Freiheit genießen können. Ich geh sicher wieder ab und zu auf die Hütte rauf, werde im Sommer Führungen machen. Es wird auch fein sein, nicht mehr für alles zuständig zu sein: wenn ein Wasserhahn nicht funktioniert, wird man nicht nach mir schreien.

War Hüttenwirt trotz allem dein Traumjob?

Ja, das kann man auf jeden Fall sagen. Ich würde es wieder machen. Man erlebt mehr schöne Momente als unschöne, und man lernt viele neue Leute kennen. Es ist anders als in der Gastro im Tal – die meisten Gäste, die hier rauf kommen, teilen die Leidenschaft für die Natur. Und der kleine Rest kann dich auch nicht aus der Fassung bringen. Wenn man gern hier oben ist, am Berg, wenn man diesen Ort genießen kann in den paar freien Minuten, die man dafür zur Verfügung hat, dann ist alles in Ordnung.

Lieber Buggy – wir wünschen dir und deiner Frau noch viele solcher schönen Momente in eurer letzten Saison auf der Hütte und alles Gute für eure weitere Zukunft!

Abenteuer Hüttenleben

Bergwelten sucht gemeinsam mit dem Alpenverein neue Hüttenwirtsleute, die die Steinseehütte in den Lechtaler Alpen ab Sommer 2022 übernehmen sollen, und begleitet die Bewerbung, das Auswahlverfahren und den ersten Sommer auf der Hütte. Alle Infos:

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