Im Freeride-Mekka am Arlberg
Bergwelten auf Spurensuche am Arlberg: Während Redakteurin Christina Geyer mit dem Alpenverein in den Genuss von unverspurten Hängen gekommen ist, hat sich Content-Managerin Riki Daurer abseits von Tiefschnee und Skirouten nach den Vorzügen der Region umgesehen. Eine Reportage aus der Wiege des alpinen Skilaufs.
Text: Riki Daurer und Christina Geyer
Wer in Österreich auf der Suche nach Freeride-Spots ist, landet früher oder später am Arlberg, der Wiege des alpinen Skilaufs. Dabei war es ausgerechnet ein norwegischer Ingenieur, der das Skifahren nach Österreich brachte. Zwischen 1880 und 1884 war er am Bau des Arlbergtunnels beteiligt und sorgte bei den Einheimischen für Furore. Zur Arbeit erschien er nämlich mit überdimensionierten Brettern an den Füßen. Von dieser wunderlichen Fortbewegungsart inspiriert, wurde nur wenige Jahre später von acht einheimischen Freunden der Skiclub Arlberg gegründet. Der Grundstein für das künftige Ski-Mekka war gelegt.
Erst musste jedoch noch Hannes Schneider kommen und den Telemark-Stil durch den Stemmbogen ablösen, die erste Skischule in St. Anton gründen und den Weg für einen weiteren Arlberg-Pionier ebnen: Anton „Toni“ Seelos führte den bis heute gängigen Parallelschwung am Arlberg ein. Mittlerweile ist die Region gut erschlossen: 87 Aufstiegsanlagen machen den Arlberg zum größten zusammenhängenden Skigebiet Österreichs. Der Spirit aber ist geblieben.
Nach wie vor trifft sich die erste Riege der Freerider am Arlberg. Kaum ein anderes Gebiet in den Alpen erschließt eine solche Vielfalt an Abfahrten im freien Gelände. Sobald Schnee fällt, steht mit Inbetriebnahme der Lifte ein Schwarm an pulverhungrigen Freeridern zum allmorgendlichen „Powder-Chase“ bereit. „Man kann sicher sein: Nach spätestens zwei Stunden ist alles verspurt, was im Bereich der Liftanlagen liegt und ohne Aufstieg zu erreichen ist“, sagt Skitouren-Instruktor Roman Weber. Das heißt zugleich aber noch lange nicht, dass es keine jungfräulichen Pulverhänge mehr gäbe. Man muss bloß wissen, wo sie sich befinden.
Blaue Flecken-Kontrolle
Der Alpenverein Austria bietet dazu einen Kurs an. Die Alternative zur Jagd nach der ersten Linie lautet: Variantenfahren. Ausgehend vom Liftgebiet erreichen wir unberührte Hänge über Querungen oder kurze Aufstiege zu Fuß – mit den Skiern auf der Schulter oder am Rucksack. Gegebenenfalls kann der Aktionsradius auch vergrößert werden und auf Fellen zu wirklich entlegenen Abfahrten aufgestiegen werden.
Eine Variante führt uns etwa über die Kaltenberghütte nach Langen, eine andere über die Rossfallalpe, eine weitere über die Milchböden ins Verwall. Sogut wie jedes Mal sind wir die Einzigen im Hang. Und wir versinken geradezu im Neuschnee. Wer fällt, verschwindet erst einmal für wenige Sekunden in der meterhohen Schneedecke. „Abends machen wir Blaue Flecken-Kontrolle“, kündigt Roman Weber augenzwinkernd an. Die nicht ganz ernst gemeinte Warnung kommt aber nicht von ungefähr. Wir drücken unsere Schienbeine so fest als möglich gegen die Skischuhe, um den Schneemassen Herr zu werden.
Doch auch abseits von Piste und Gelände hat der Arlberg einiges zu bieten. Wir empfehlen 4 Dinge für einen perfekten Aufenthalt in der Freeride-Region – abseits von Tiefschnee-Schwung und Skiroute.
1. Wintercampingplatz
Man muss sich nicht immer in einem teuren Hotel einquartieren. Der Wintercampingplatz in Pettneu befindet sich nur wenige Kilometer von St. Anton entfernt. Mit dem Skibus kann man gemütlich ins Skigebiet pendeln – manche Abfahrten (zum Beispiel Malfontal) enden gar direkt am Campingplatz. Jeder Stellplatz verfügt über ein privates Badehäuschen und auch eine Wellnessanlage steht am Gelände bereit.
2. Wellnessen am Arlberg
Direkt in St. Anton befindet sich das Arlberg-Well mit Hallenbad und einer wunderschönen Saunaanlage, die durch Themenaufgüsse besticht. Parkmöglichkeiten direkt am Wellness-Center gibt es ausreichend.
3. Museen am Arlberg
Das Lechmuseum – auch Huberhus genannt – ist nicht nur eine Schlechtwetteroption, sondern kann auch mal im Vorbeifahren als Einkehrschwung mitgenommen werden. Das ursprüngliche Häuschen befindet sich mitten in Lech und gehörte einst den drei Huber-Brüdern, die es nach ihrem Tod der Gemeinde vermachten. Die einzige Auflage: Es sollte daraus ein Museum werden. Gesagt, getan. Derzeit wird eine Ausstellung zum Thema „Sterbstund“ gezeigt, die in erster Linie schön und nicht traurig ist.
Ein zweites Museum befindet sich in St. Anton in der Trier Villa und widmet sich der bewegten Geschichte der Region. Nach Besuch der Ausstellung sollte man unbedingt noch Zeit für einen Besuch im hauseigenen Restaurant einplanen.
4. Die richtige Karte
Wer seine Touren selbst planen möchte und auf der Suche nach geeigneten Abfahrten ist, dem sei die Freeridemap empfohlen. Sie ist die weltweit einzige Karte für Freerider, die das Wissen der Locals frei verfügbar macht. Drei Schwierigkeitsgrade kennzeichnen die unterschiedlichen Anforderungen der versammelten Hänge, Drops und Couloirs.
Tipp
Weitere Informationen zum Kursangebot des Alpenvereins am Arlberg findet ihr unter: Alpin-Programm.
Tourentipps: 7 Arlberg-Klassiker
Trittkopf ins Pazieltal - Dieser schwere Run am Trittkopf in den Lechtaler Alpen wird unter Einheimischen auch „Antenne“ genannt. Sie stellt eine gute Alternative für die sonst meist schnell verspurten Varianten in der Gemeinde Lech dar.
Insgesamt gestaltet sich diese Ski-Freeride-Abfahrt in Vorarlberg als eine lohnende, bei der man sich jedoch nicht scheuen darf, einen kurzen Aufstieg auf sich zu nehmen.
Flexenmähder - Diese schöne, mittelschwere Variante bei der Trittkopfbbahn in der Gemeinde Lech in den Lechtaler Alpen bietet anfangs eine lange Querung.
In der Mitte, wo es eine steile Engstelle gibt, kann die Fahrt mit längeren Skiern etwas unangenehm sein. Hat man dieses Stück der Variante jedoch überstanden, geht es im moderaten Gelände bis zur Skipiste Nr. 10 und anschließend nach Zürs weiter.
Insgesamt eine lohnende Ski-Freeride-Abfahrt in Vorarlberg.
Wiesele Kante – Das Wiesele zählt zu einem der populärsten Freeridegeländen in der Region Lech/Zürs. Dieser relativ kurze, mittelschwere Run in Vorarlberg gestaltet sich sehr abwechslungsreich. Durch die sichere Geländesituation kann man diese Abfahrt im Lechquellen Gebirge auch bei schlechteren Sichtverhältnissen befahren.
Insgesamt eine lohnende Ski-Freeride-Abfahrt in der Tourismusregion Bludenz, die sich vor allem zum Warmwerden in den Morgenstunden eignet.
Guggis Sattel in Zürs – Diese sehr bekannte, mittelschwere Variante in Zürs wird von vielen Ski-Freeridern unterschätzt. Obwohl der technische Anspruch im Lechquellen Gebirge in den meisten Passagen überschaubar ist, ist es durch die zunehmende Tageserwärmung möglich, dass die lange Traverse südlich der vorderen und hinteren Hasenfluh kritisch wird. Insgesamt gestaltet sich diese Abfahrt in der Tourismusregion Arlberg die auf 2.441 m startet aber als lohnende Tour, die nach der steilen Einfahrt in die Nordosthänge mit einem abwechslungsreichen Gelände belohnt.
Erzberg Südvariante nach Zürs – Diese sehr lohnende, mittelschwere Variante auf 4,6 Kilometer „Erzberg“, die insgesamt 1:30 Stunden dauert, zeichnet sich durch ihren kurzen Anstieg aus, der sowohl mit Fellen, aber auch zu Fuß möglich ist, und Gelegenheitsfreerider meist abschreckt. Insgesamt eine lohnende Ski-Freeride-Abfahrt in der Tourismusregion Arlberg, bei der man durch geschickte Spurenwahl meist noch ein wenig lockeren Pulverschnee erwischen kann.
Gamsroute in Zürs – Diese spektakuläre Variante der Gamsroute in der Tourismusregion Arlberg mit einer Gesamtlänge von 4,1 Kilometer beginnt beim Ausstieg Madloch, auf 2.441 m, hoch über den Hängen von Zürs. Sie zählt zu einem Klassiker der Ski-Freeride Runs in der Gemeinde Dalaas und führt in die breiten Hänge unterhalb des Omeshorns. Insgesamt eine lohnende Abfahrt im Lechquellen Gebirge, die aufgrund ihrer Ostseitigen Ausrichtung jedoch im Spätwinter meist nicht sehr lange befahren werden kann.
Valluga West Variante – Obwohl die Valluga zu einem der großen Ski-Freeride Klassikern in Tirol zählt, ist die schwere West Variante eher selten befahren. Sie weißt bereits einen anspruchsollen Zustieg über den Grat auf. Der anschließende Hang ist dafür homogen nördlich ausgerichtet und belohnt mit einer fabelhaften Abfahrt. Insgesamt eine lohnende Abfahrt in den Lechtaler Alpen in der Tourismusregion Arlberg, deren Ausgangspunkt, die Bergstation der Valluga Bahn II, jedoch nur mit einem Bergführer zu erreichen ist.
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