16.800 Touren,  1.600 Hütten  und täglich Neues aus den Bergen
Foto: Christof Wagner
In den Winter schweben

48 Stunden in Schladming


6 Min. Lesezeit

Rund um den WM-Ort in der Steiermark wird einem Genuss leicht gemacht. Ein Wochenende zwischen Dachstein, Hochwurzen und der Spitzenküche von Johanna Maier.

Uschi Korda für das Bergweltenmagazin Dezember/Jänner 2017/18

Tag 1

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12 Uhr: Rauf auf den Dachstein

Der Wiener kommt zu Mittag an. Oder am frühen Nachmittag, falls der Verkehr im Ennstal grimmig war und an den Nerven zerrte. Da ist es gut, wenn man durchs Entree des Falkensteiner Hotels tritt, dass einem gleich alles abgenommen wird. Das Gepäck sowieso und damit die Alltagslast, und dazu gleich ein paar Entscheidungen. Massagetermin geht erst am Abend, sagt die Dame vom Spa und definiert damit unser Ziel für die nächsten Stunden: rauf auf den Dachstein mit der Gondel und die Welt ein bisschen von da oben beglupschen. 

Das Wetter ist zwar noch mau, die Prognose aber prächtig. Also wieder rein ins Auto, diesmal entspannter, weil das Hirn bereits auf Freizeitmodus umgeschaltet hat. Auch der Magen. Der knurrt und zwingt uns auf dem Weg durch die Ramsau zu einem kurzen Stopp auf dem Frienerhof. Gerammelt voll ist dort die Sonnenterrasse, und wir quetschen uns leicht verschämt zwischen Langläufer, Skifahrer und Schneeschuhwanderer, denen die Jause mit Kaiserschmarrn vom Biobauernhof und der Fair-Trade-Kaffee moralisch gesehen etwas mehr zusteht als uns.

Eindrücke vom Dachstein

Morgen aber, da werden wir um diese Zeit auch schon zum Sportvolk zählen. Heute machen wir noch auf Salontouristen und cruisen auf der Dachstein-Panoramastraße unserem Ziel entgegen. 1961 wurde die Serpentinenstraße zur Südwand errichtet, um den Bau der Seilbahn zu erleichtern, mit der man in gerade einmal sechs Minuten zum 2.687 Meter hohen Hunerkogel schwebt.

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Jetzt freuen wir uns, dass es endlich aufreißt und unser Blick über die Spitzen der Schladminger Tauern Richtung Süden in die Unendlichkeit purzeln kann. Nur der Dachsteingipfel und seine Kompagnons hüllen sich noch scheu ins Wolkenkleid. Auch der Torstein, mit 2.948 Metern der zweithöchste Gipfel des Massivs und 1819 von Jakob Buchsteiner erstmals bezwungen. 13 Jahre später trug sich Peter Gappmayer als Erster ins Gipfelbuch auf dem Hohen Dachstein (2.995 m) ein. Der ist heute auf zwei Routen erreichbar, eine davon mit nur leichter Felskletterei. Das nächste Mal, denken wir, vielleicht.

15 Uhr: 100-Meter-Hängebrücke

Jetzt hingegen wandern wir gemütlich zum Eispalast, den man vor knapp zehn Jahren hier im Inneren des Gletschers angelegt hat. Zu erreichen ist die frostige Welt nur über eine 100 Meter lange und 1 Meter breite Hängebrücke, durch die der Blick zwischen den Füßen 400 Meter senkrecht die Felswände runterstürzt. 63 Tonnen Stahl in 30.000 Einzelteilen wurden dafür hoch droben in der Luft zusammengesetzt.

Keine Angst, flüstert das Hirn, das leicht schwankende Konstrukt soll Windstärken bis zu 250 Stundenkilometern aushalten. Die weichen Knie folgen nur zögerlich, lassen sich dann aber doch vom grandiosen Panorama ablenken, bevor wir 6 Meter tief unters ewige Eis eintauchen. Vorbei an steirischen Sehenswürdigkeiten, fantastischen Figuren, einem ausladenden Thron und zwischen Eiskristallsäulen lustwandelt man hier wie durch ein Minimundus der Minusgrade, bis man auf dem Gletscher wieder in der wirklichen Welt ausgespuckt wird, die auch nicht viel wärmer ist.

Schneeschuhwandern am Plateau im winterlichen Paradies
Foto: Christof Wagner
Am Plateau des Rossfelds kann man nach Lust und Laune Spuren ins unschuldige Weiß ziehen.

Wollts ein bissel 007-Feeling?, fragt der Mann in der Bergstation. Klar wollen wir und kraxeln in eine Art Balkon auf dem Dach der Gondel. Eiskalt weht der Wind um die Nase, und die klare Luft überträgt die Imposanz der Bergwelt so direkt auf uns, dass wir Gänsehaut bis in die Zehenspitzen kriegen. Vor Ehrfurcht und nicht vor Kälte. Aug in Aug mit den Felswänden und einem freien Blick vermutlich bis zum Mittelmeer oder gar bis zur nächsten Galaxie schweben wir lautlos hinunter ins Tal. 

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Weniger James Bond, mehr Adler, auch weil sich am Kabinendach kein gefährlicher Weltfeind zum Kampf eingefunden hat. Eh besser, denn jetzt hat endlich auch der Dachsteingipfel seine Hülle abgeworfen und ragt zackig in den strahlend blauen Himmel. So schön, so mächtig, so beeindruckend, dass er noch in der Nacht immer wieder als felsiges Monument in den Träumen auftaucht. 

Tag 2

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8.30 Uhr: Rund um die Hochwurzenhütte

Handschuhe und Mütze nicht vergessen, den Rest hab ich dabei! Heli Rettensteiner steht in der Lobby und strahlt mit dem Türkis seiner Skihose um die Wette. Es ist halb neun Uhr morgens, und wir wechseln jetzt auf die sportliche Seite. Allerdings nicht in die allseits bekannte Skiwelt der Planai, wo 1973 Franz Klammer sein erstes Weltcuprennen gewann, 1997 das erste Nightrace der Weltcupgeschichte stattfand und Marcel Hirscher bei der WM 2013 Slalom-Gold einheimste.

Wir werden mit dem Bergführer in die Einsamkeit hinter der wurlenden Skiwelt auf der Hochwurzen aufbrechen, und zwar mit Schneeschuhen an den Füßen. Zuerst nehmen wir von Rohrmoos aus den Sessellift Hochwurzen II und stapfen ein kurzes Stück am Pistenrand bis zur Hochwurzenhütte auf 1.849 Metern. Lawinenpiepserl umhängen, sagt Heli jetzt in dem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Und dann geht’s zunächst noch flach auf einem Waldweg dahin, bevor der steile Anstieg auf 1.744 Meter, den Hüttecksattel, beginnt.

Schneeschuhwandern macht hungrig

Die ersten Kurven schrauben sich noch durch den Wald, der sich still und winterromantisch gibt. Dicke Packerln aus Schnee hängen an den Zweigen, die ihre Last mühelos wie ein Gewichtheber in die Höhe stemmen und sich niemals beugen würden. Auch die alten Bäume nicht. 600 Jahre ist diese Zirbe, sagt Heli und deutet auf einen stattlichen Baum, der frisch und jugendlich in die Höhe ragt. Bis zu 400 Jahre werden Zirben im Schnitt, manche erreichen sogar den stattlichen 1.000er.

Immer lichter wird der Wald und lässt immer mehr sonnige Stellen zu, die als willkommene Ausrede für kurze Pausen herhalten könnten, falls die Kondition nicht ausreichen sollte. Um Heli braucht man sich da keine Sorgen zu machen. Der Chef der Berg- und Abenteuerschule war bereits als Kind hier auf jedem Berg und ist so wie sein Vater bei der Bergrettung. Da herein kenn i mi aus, sagt Heli und mit herein ist hier drinnen gemeint, also um Schladming/Ramsau herum. Mit ihm könnte man eine Woche lang täglich auf einer anderen Route da herumstapfen, ohne auch nur einmal am selben Baum vorbeizukommen. 

Als Draufgabe lernt man, wie die Eskimos ein Iglu bauen. In der Zwischenzeit haben wir das Hochplateau des Rossfelds erreicht, auf dem sich die Schneedecke unberührt wie auf einem Bett für Riesen ausbreitet. Überall glitzern Schneekristalle im Sonnenschein, wie Pailletten, hingestreut von Elfen auf ihrem Weg in andere Sphären. Gleich werden wir Spuren durch diese weiße Unschuld ziehen, weil die Kunst, ohne Hilfsmittel zu schweben, nur der Tier- und Fabelwelt vorbehalten ist.

Bis zur Ursprungalm könnten wir jetzt weiter so dahinziehen, sagt Heli, aber da hätten wir früher aufstehen müssen, weil die geschätzte Wegzeit beträgt doch sieben Stunden. Wir ziehen lieber eine kleinere Schleife, bevor wir, jetzt den Gipfel des Dachsteins immer mehr oder weniger umwölkt im Blick, wieder die gemütliche Hochwurzenhütte erreichen. Zur Stärkung teilen wir uns einen Bauernkrapfen, schließlich haben wir ja abends kulinarisch noch was vor.

18 Uhr: Die beste Köchin des Landes

Schön, dass da seids! Dietmar Maier senior begrüßt uns im Spitzenrestaurant mitten in Filzmoos mit der Herzlichkeit eines Almerers hoch droben in der Einsamkeit der Berge. Unprätentiös und ehrlich, so wie das Haus selbst und die Küche seiner Frau Johanna, der besten Köchin des  Landes, die seit zehn Jahren ihren jüngsten Sohn Johannes an ihrer Seite hat. Wie in einem eingespielten Orchester geht es in der Küche zu, und Mutter und Sohn können zwischen Mise en Place und Patisserie jedes Instrument perfekt spielen.

Schön langsam wird es Zeit, sagt Johanna Maier, dass ich das Zepter weitergebe. Also gibt es jetzt zwei Richtungen auf der Speisekarte. Die Johannes-Schiene mit feiner Gourmetküche und die JohannaSchiene mit erdiger Heimatküche, weil sich die gebürtige Radstädterin immer mehr ihrer Wurzeln besinnt. Wir switchen zwischen den beiden Esswelten hin und her und beginnen die Reise mit einer 5-Elemente-Suppe mit Zander. Weiter geht es mit geschmackserregenden Stationen voller heimischer Kräuter und Beeren bis zum Pongauer Milchkalb, und zum Schluss steht ein Schneemann aus weißer Schokomousse im Kokosschnee auf dem Tisch. Und zum dritten Mal schweben wir jetzt an diesem Wochenende. Im Genusshimmel, muss man es kitschig formulieren, denn großartig angegessen klingt wirklich zu profan.

Johanna und ihr Sohn Johannes am Zubereiten der Speisen
Foto: Christof Wagner
Spitzenköchin Johanna Maier (rechts) und ihr Sohn Johannes

Tag 3

10 Uhr: 128 Jahre Steiner 

Servus sagen wir und winken mit gepacktem Koffer in der Hand dem gemütlichen Zimmer noch einmal zu. Der Alltag ist weit weggerückt, wir werden ihm gefasst entgegenschweben. Zuvor müssen wir aber noch unbedingt bei Steiner 1888 einen Lodenjanker und eine Decke mitnehmen. 1888 haben die Brüder Franz und Irg Steiner die Lodenwalke gegründet, die heute in fünfter Generation geführt wird. 1909 gelang den beiden Ramsauern die Erstbesteigung der Dachstein-Südwand, die Kletterroute ist heute nach ihnen benannt. 

Steiner

Gekleidet waren sie dabei mit ihrem eigenen Loden, einen Schladminger, der besonders wasserfest ist. Grob ist er auch, deshalb wird für die zartbesaiteten Sportsfreunde des dritten Jahrtausends lieber feiner Loden aus Steinschaf-, Alpaka- und Merinowolle gewalkt. Aber auch der lässt einen niemals im Regen stehen. Das wird er beweisen. Das nächste Mal auf dem Dachsteingipfel. Vielleicht.

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