Hüttenwoche Tag 5: Die Tiere erobern die Almen
Der letzte Tag unserer Bergwelten Hüttenwoche in Südtirol steht ganz im Zeichen der Tiere: Von Murmeltieren bis hin zu Rothirschen begegnen wir einigen interessanten Bergbewohnern. Besonders die Villnösser Brillenschafe werden uns in Erinnerung bleiben.
Text: Julia Weinzierl
Als wir nach der morgendlichen Arbeit von der Schlüterhütte zur Gampenalm aufbrechen, können wir bereits von Weitem das Läuten von Kuhglocken vernehmen: Nach einem langen Winter ist der Almauftrieb nun endlich in vollem Gange! Unser gemütlicher Marsch die Schotterstraße hinunter wird begleitet von Roberts musikalischen Einlagen, und möglicherweise sind es gerade seine kreativen Dichtungen, welche die Murmeltiere in Massen aus ihren Verstecken locken. Tatsächlich bewahrheitet sich die Prophezeiung von Hüttenwirt Martin an unserem letzten Tag in den Dolomiten: wir werden beinahe überrannt von den pelzigen Nagern die zahlreich aus ihren Erdlöchern hervortreten und quer über Almwiesen und Wege flitzen.
Auf der Gampenalm angekommen begrüßt Mesi winkend die dort ebenfalls frisch eingetroffenen Rinder, die sich in ihrer sommerlichen Residenz sichtlich wohl fühlen und uns neugierig mit ihren großen Kulleraugen betrachten. Viel Zeit, um mit den jungen Kühen Freundschaften zu schließen, bleibt uns aber nicht und so geht’s rein in unseren Audi E-tron und runter ins Tal. Ziel ist das Lokal Pitzock im kleinen Ort St. Peter, wo uns Slow Food Koch Oskar Messner herzlich begrüßt. Schnell ist klar, Oskar legt viel Wert auf Nachhaltigkeit und die Verwendung von lokalen Produkten aus dem Villnösstal. Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei die älteste Schafrasse Südtirols: das Villnösser Brillenschaf. Unser Gastgeber verwendet seit Jahren das zarte Fleisch der Brillenschafe in seinen Gerichten, aber bald erkannte er, dass die unkomplizierten Tiere noch viel mehr zu bieten haben.
Lässige Brillen und warme Wolle
Um uns einige seiner regionalen Partner vorzustellen, begleitet uns Oskar kurzerhand hoch zum Blosegg Hof wo Bauer Bernhard rund 50 Villnösser Brillenschafe hält. Die meisten davon sind bereits oben auf der Alm, nur die Auen mit ihren Lämmern bleiben im Tal zurück, am Berg droht nämlich der Wolf. Die verbleibenden Schafe wollen wir natürlich persönlich kennenlernen und so führt uns Bernhard über eine saftige Almwiese bis zu einer eingezäunten Böschung. Kaum nehmen die Schafe die Stimme ihres Hirten wahr, kommen sie auch schon aus ihrem Unterschlupf im Wald hervorgelaufen und umringen Bernhard, dessen Eimer voller Getreidemischung wie ein Magnet auf sie wirkt.
Ein modisches Erscheinungsbild, so ein Brillenschaf: die langen hängenden Ohren mit dunklen Spitzen und die kreisrunden Ringe um die Augen machen sie wohl zu den Hipstern unter den Schafrassen. Dabei entstand die Rasse bereits im 18. Jahrhundert als eine Kreuzung aus heimischen Landschlägen und dem seit den 1960er Jahren ausgestorbenen Paduaner-Seidenschaf. Um den Bestand der seltenen Villnösser Brillenschafe zu sichern, garantiert Oskar mit seinem Projekt zur Regionalentwicklung den Landwirten im Tal die Abnahme und einen fairen Preis für Fleisch und Wolle. Die rund 50 Bauern, die heute daran beteiligt sind, müssen dadurch für die Schafschur zweimal im Jahr nicht mehr extra draufzahlen oder sich gar gezwungen sehen die Wolle wegzuwerfen.
Den wertvollen Naturstoff entdeckte nun auch Salewa für sich: Seit einigen Jahren beliefert Bernhard das Unternehmen mit Wolle, die dort in der Produktion von Bergsportkleidung verwendet wird. Christina und Lisa von Salewa, die uns ebenfalls auf unserem Ausflug begleiten, zeigen uns später die neuesten Modelle ihrer Jacken, die mit einer Mischung aus (Brillen-)Schafwolle und Mineralien gefüttert sind. Kaum werden die feschen Teile herausgeholt räkeln sich schon die Hände von allen Seiten um das hochwertige Material anzufassen und zu bewundern.
Zurück im Pitzock wird in großer Runde gespeist: neben Christine und Lisa trifft nun auch der Tourismusdirektor Südtirols ein: Klaus Messner hat uns für die Hüttenwoche auf die Schlüterhütte eingeladen und erzählt uns noch so einiges über das schöne Villnösstal. Bei vollständiger Runde kredenzt Oskar schließlich ein fünfgängiges Menü, bei dem uns das Wasser nur so im Mund zusammenläuft. Dabei gibt es zu jeder Zutat eine eigene Geschichte, vom Speck des oberösterreichischen Stroh-Schweins, bis zum Reis aus Grantortino di Gazzo. Im Risotto der geschmorten Lammkeule entdecken wir außerdem die Blüten des Wiesensalbeis, den Oskar eine Stunde zuvor noch auf dem Glosegg Hof gepflückt hatte, während uns Bernhard seine grauen Geisler Rinder Gustl, Hegl und Vouter vorstellte.
Nach Abschluss unseres kulinarischen Ausflugs geht es für uns schließlich wieder rauf auf den Berg. Dabei finden wir auf der Suche nach einem Rotwildgehege zuerst das einsame Kirchlein zum Hl. Johannes Nepomuk in Ranui vor der malerischen Kulisse der Geislerspitzen. Das Gehege mit einer Herde Rotwild samt jungen Kitzen entdecken wir ein kurzes Stück weiter oben in der Nähe der Zamser Alm. Unser tierisches Tagesprogramm endet hier allerdings noch nicht: spät am Abend sitzen wir auf der Schlüterhütte noch gemütlich beisammen und lassen den Tag und unsere Hüttenwoche mit einer lustigen Runde des Spiels „Kuhhandel“ ausklingen.
- Bergwissen
Im Turbo-Modus auf den Zwölferkopf