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Mit Kraxe von Hütte zu Hütte

Am Karnischen Höhenweg mit meinem Sohn Tobias

Drei Tage auf über 2.000 Metern: Julian Paschinger war im September mit seinem eineinhalb jährigen Sohn am legendären Grenzweg in Osttirol wandern. Hier erzählt er uns von seinem Abenteuer.

Julian Paschinger mit Sohn Tobias
Foto: Julian Paschinger
Julian Paschinger mit Sohn Tobias
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Aufgeregt deutet Tobias nach vorne: „Datdatdat“ ruft er und zeigt auf eine alte Bunkerstellung, die nach jedem Schritt im dichten Nebel deutlicher zu sehen ist. Der bröckelnde Beton, die Grashalme und Felsen rundherum sind nach einer kalten Nacht mit Reif überzogen – ein gespenstischer Anblick. Drinnen entdecken mein 17-Monate alter Sohn und ich mehr als 100 Jahre alte rostige Blechdosen, Plumpsklos und Schießscharten. Unvorstellbar, was sich hier im Ersten Weltkrieg auf rund 2.500 Meter Höhe zugetragen haben muss, als sich Österreicher und Italiener blutige Gefechte lieferten und monatelang in kalten Stellungen ausharren mussten.

Heute wird hier das Miteinander zelebriert, auf den Hütten sitzen Besucher bei Schlipfkrapfen und Prosciutto zusammen, ein Friedensweg führt an der Grenze beider Länder entlang. Von Sillian in Osttirol bis Thörl-Maglern in Kärnten, besser bekannt als Karnischer Höhenweg – eine legendäre Route über 14 Etappen mit tollen Hütten, spektakulären Ausblicken und anspruchsvoller Wegführung. Einen kleinen Teil davon, die ersten drei Abschnitte, will ich mit Tobias in der Kraxe gehen. Mit mehr als sieben Stunden Anfahrt aus Wien und zwei Übernachtungen auf Hütten ist es unser bisher größtes Bergabenteuer.

Der Karnische Höhenweg mit Blick auf die Dolomiten
Foto: Julian Paschinger
Der Karnische Höhenweg mit Blick auf die Dolomiten

Alpen-Express

Bei der Anreise haben wir Glück. Im Zug von Wien nach Lienz ist nicht viel los. Wir bekommen ein 6er-Abteil nur für uns, ziehen alle Sessel aus und Tobias hat viel Spaß beim Turnen auf diesem rollenden Matratzenlager. Sogar ein ordentliches Mittagsschläfchen geht sich aus. Währenddessen schaue ich mir nochmal die Route an: 32 Kilometer und 1.800 Höhenmeter liegen in den nächsten 3 Tagen vor uns. Ich freue mich sehr auf die Tour, schon seit Jahren möchte ich einen Teil des Karnischen Höhenwegs gehen, jetzt ist es endlich soweit.

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Der Karnische Höhenweg im Detail

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    Wir fahren noch mit einem zweiten Zug bis Vierschach auf die italienische Seite und dann mit der Helmbahn den Berg hinauf, starten also um etwa 16:00 Uhr und schon auf über 2.000 Meter Seehöhe mit der Wanderung. Von Beginn an ist der Ausblick auf die Sextner Dolomiten atemberaubend. Dazu haben wir Kaiserwetter, die Sonne scheint über Dreischusterspitze und Zwölferkogel, die lange Anfahrt hat sich gelohnt, finde ich. Auch Tobias ist gut drauf – er ist das Wandern in der Kraxe gewöhnt und wir haben auch schon ein paar Mal auf Berghütten übernachtet.

    Ein früheres Abenteuer von Julian und Tobias

  • Kleiner Gipfelstürmer

    In letzter Zeit wird sein Bewegungsdrang aber stärker. Seit Juli kann er gehen, jetzt ist Ende September und ich merke, dass er öfter aussteigen und sich die Beine vertreten will. Bisher reichen ihm kurze Pausen, wo er die unmittelbare Umgebung erkunden, Steine neu sortieren und Blumen pflücken kann. Wir kommen also trotzdem recht gut voran und sind nach eineinhalb Stunden bei unserem heutigen Ziel, der Sillianer Hütte auf 2.450 Meter Seehöhe. Jetzt ist Tobias Primetime angebrochen. Er flitzt von Raum zu Raum, entdeckt ein Spielsachen-Depot und verteilt Stifte und Würfel unter den Tischen. Die anderen Gäste finden ihn süß, spielen kurz mit ihm und so kann ich schnell meine Kasnocken verdrücken.

    Die Hütte im Detail

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    Tobias volle Windeln können wir dieses Mal zum Glück auf der Hütte lassen. Selbstverständlich nehme ich sonst meinen ganzen Müll wieder mit ins Tal, wenn ich auf Berge gehe. Aber bei zehn bis zwölf vollen Windeln wird es schwierig. Der Stauraum in meiner Kraxe ist auch so schon prall gefüllt, ich hätte sonst nur noch einen Müllsack außen anbinden können. Jedenfalls empfehle ich, schon beim Zimmer-Reservieren mit der Hütte abzuklären, ob man Windeln da lassen kann oder nicht.

    Unterwegs am Karnischen Höhenweg

    Unterwegs im Hochgebirge

    Nach einer klaren Nacht beginnt der nächste Tag eiskalt. Tobias bekommt die volle Wärme-Ausrüstung, die wir dabei haben: vier Schichten übereinander. Dazu Fäustlinge, dicke Socken und die extra warme Haube. So ausgestattet marschieren wir durch den kalten Nebel, der sich aber bald lichtet und im Norden den Blick auf den Großglockner und südlich erneut auf die Dolomiten-Spitzen freigibt. Mittlerweile sind auch zwei der Drei Zinnen zu sehen - ein fantastischer Anblick. Auf recht einfachen Wegen marschieren wir vorbei an Soldatengräbern, hübschen Bergseen und weiteren Bunkern. Zu Mittag erreichen wir die dramatisch gelegene Obstanser See-Hütte und machen erstmal eine ausgiebige Pause.

    Danach wird es recht alpin. Die Anstiege zu Pfannspitze und dann vor allem zur Großen Kinigat verlangen Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und volle Konzentration, erst recht mit Kleinkind am Rücken. Es gilt auch einige seilversicherte Stellen zu überwinden. Wer das nicht will, kann den Kinigat-Gipfel aber auch umgehen. Ich traue mir das zu, weil ich schon viel Erfahrung mit heiklen Stellen gesammelt habe, mit und ohne Kraxe. Der Aufstieg ist steil und anstrengend, ich muss schnaufen, was Tobias immer recht lustig findet. Bei den schwierigsten Stellen werde ich also von meinem Sohn ausgelacht – auch das ist Bergwandern mit Kleinkind.

    Nach 20 Minuten leichter Kraxelei haben wir es geschafft und sind am höchsten Punkt unserer Wanderung: Dem Gipfel der Großen Kinigat auf 2.689 Meter! Die Landschaft ist hier wirklich spektakulär. Wilde Felsgebilde reihen sich aneinander, vor uns ragen unzählige weitere Gipfel empor. Auch der Abstieg vorbei an den Zacken der Königswand ist beeindruckend. Es ist der schönste Abschnitt unserer Wanderung. Ich bin begeistert, Tobias ist eingeschlafen.

    Auf der Großen Kinigat

    Von Hütte zu Hütte

    Wenig später und nach insgesamt sieben Stunden Wanderung erreichen wir die Filmoor Standschützenhütte, unser heutiges Ziel. Eine Mini-Hütte mit nur 14 Schlafplätzen, aber besonderer Atmosphäre. Sie wurde erst in den 70er-Jahren aus den Ruinen ehemaliger Kriegsbaracken errichtet. Auf engstem Raum gibt es hier alles, was Bergwanderer brauchen. Und für Tobias sind das: Autos, Puppen und Bilderbücher. Die Tochter der Wirtin hat zum Glück eine umfangreiche Sammlung angelegt. Abends bekommen wir wunderbare Nudeln mit Paradeiser-Specksauce und sind glücklich.

    Die Hütte im Detail

    Doch die Nacht verläuft leider turbulent. Erstmals habe ich mich mit Tobias in ein Schlaflager getraut, bisher waren wir immer in einem Zimmer nur für uns. Meine Überlegung war: Wenn er ein, zweimal aufwacht und ein kurzes Konzert gibt, halten das die anderen Wanderer schon aus, schließlich wird ja umgekehrt auch viel geschnarcht. Allerdings ist es im Lager der Filmoor Standschützenhütte recht kalt und Tobias Nase beginnt zu laufen. Er wacht eher sechs, siebenmal auf und beschwert sich mehr als sonst. Zum Glück habe ich sehr nette und geduldige Hütten-Nachbarn, die das ohne Murren ertragen.

    Die Filmoor-Standschützenhütte
    Foto: Julian Paschinger
    Die Filmoor-Standschützenhütte auf 2.350 Metern Seehöhe

    Kräfte sammeln

    Ein hervorragendes Frühstück mit Käse, Speck und viel frischem Gemüse bringt uns alle wieder auf Betriebstemperatur und schon steht der Abstieg bevor: Ich wähle eine etwas längere Route über Heret- und Klapfalm zum wunderschönen Klapfsee, hinter dem die Porze spektakulär aufsteigt, ein tolles Highlight zum Abschluss. Dann geht es noch einige Kilometer fast flach nach Obertilliach und weiter mit Bus, S-Bahn und Intercity nach Wien.

    Meine bisher größte Wanderung mit Tobias hat mir einiges abverlangt. Drei Tage mehr als 20 Kilo durch die Berge zu schleppen ist wirklich anstrengend. Und dann noch die lange Heimreise. Außerdem war die zweite Nacht im kalten Lager für Tobias sicher nicht optimal. Nächstes Mal halte ich wieder nach einem warmen Zimmer Ausschau. Trotzdem überwiegen bei mir die positiven Eindrücke. Mit meinem Sohn gemeinsam ein großes Abenteuer zu erleben. Ihm die Freude an den Bergen zu vermitteln. Mir einen Traum erfüllen zu können, all das gibt mir genug Energie, die Strapazen zu bewältigen – und gleich die nächsten zu planen.

    Heimreise nach einer gelungenen Tour mit Tobias

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