Die Mödlinger Hütte
Die Weitsicht in die Tauern, der Blick ins steirische Gesäuse, die saftigen Almwiesen rundum, der von der Sonne verwöhnte Platz: Hier ist es so schön, dass es fast schon ein bissl kitschig ist. Diese Story ist im Bergwelten Magazin (Juni/Juli 2015) erschienen.
Text: Markus Honsig
Fotos: Daniel Gebhart de Koekkoek
Die Stunde der Frühaufsteher. „Das ist das beste Panorama der Alpen“, sagt einer der Frühaufsteher, der Hüttenwirt. Das mag nicht ganz objektiv sein, ganz unrecht hat er aber nicht. Kreuzkogel, Riffel, Kalbling, Sparafeld, Reichenstein, Totenköpfl, Buchstein, Ödstein – ein Panorama, das man schon einmal gesehen haben sollte. Viele der genannten Gipfel sind anspruchsvoll zu gehen und zu klettern, nichts für Anfänger.
Den weniger Geübten empfiehlt Hans die Pfarrmauer oder den Spielkogel, „das kann jeder gehen“. Und was man auch noch wissen muss: Der Ausblick hier auf der Treffneralm ist nicht nur tagsüber grandios, sondern auch in der Nacht. „Wir haben einen sensationellen Sternenhimmel, besser als in der Wüste Gobi.“
Inzwischen ist auch Bernd Labent gekommen, der 26jährige Neffe von Helga Traxler, der an den starken Schönwetterwochenenden in der Küche aushilft. Zuständig ist er für Pfannengerichte wie das Gseis-Pfandl, die lokale Interpretation des Tiroler Gröstls, und für die innerfamiliäre Arbeitsorganisation in der Küche. Denn die Tante neige dazu, erzählt er, in der ohnehin kleinen Küche zum Kuchenbacken anzufangen, wenn der Stress am größten ist. „Dann muss ich ihr schon sagen, dass sie jetzt besser Ruh geben soll.“
Ruhe zu geben fällt ihr halt nicht leicht, das gibt die Helga schon zu. „Bis in die 2000-erJahre habe ich noch alles allein gemacht.“
Das wäre heute nicht mehr denkbar. An einem guten Wochenende „gehen sicher 200 Semmelknödel und 100 Kaspressknödel raus“, jeder davon handgemacht, Fertigprodukte gibt es in Helgas Küche nicht. Die Steirischen Kasnocken sollte man keinesfalls versäumen, rät Bernd, „ein Wahnsinn, wenn der Käs’ zu riechen anfängt“.
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Schwierigster Moment für den Wanderer, der auf der Mödlinger Hütte in bester Absicht auf mögliche größere und kleinere Gipfelsiege ankommt: das Aufbrechen.
Man sitzt so gut, da hat der Christian Wohlmutter schon recht. In der Stube, noch mehr auf der Terrasse draußen. Die Anziehungskraft, die die Berge rundum entwickeln, steht im ständigen Widerstreit zu der natürlichen Trägheit, die sich zwangs läufig entwickelt, während man in der Sonne sitzt und dem Reichenstein ein Loch in den Felsen schaut.
Der Berg ruft. Man stellt sich taub.
Am Weg zu einer Berghütte gibt es zwei besonders gute Momente. Da ist der Moment, wenn man die Hütte zum ersten Mal sieht und zum ersten Mal meint, abschätzen zu können, wie weit es noch ist. Auch wenn der erfahrene Bergwanderer natürlich weiß, wie gemein groß die Differenz zwischen geschätzter und tatsächlicher Entfernung sein kann.
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Zur Mödlinger Hütte aber – so viel zur Entwarnung vorweg – ist es wirklich nicht mehr weit, sobald man von Gaishorn herauf den Treffnerboden erreicht. Ein paar lockere Schritte noch zum Auslaufen und zum Staunen und Beeindrucktsein über die prachtvolle Lage. Wie hineingemalt in das alpine Gemälde steht die Hütte auf der weiten, offenen Alm mit den steilen Felsen des Reichensteins im Hintergrund. Perfektes Ansichtskartenmotiv, fast zu schön, um nicht kitschig zu sein.
Die Stunde der Stammgäste
Und dann ist da der Moment des Ankommens: Rucksack abstellen, durchatmen, Fleecejacke anziehen, sich erst einmal hinsetzen und etwas zu trinken bestellen. Naturgemäß immer der beste Moment auf dem Weg zur Hütte, auch wenn der Weg vom Parkplatz der Mautstraße zur Mödlinger Hütte nicht besonders anstrengend ist. Immerhin ist das erste Teilstück, den „Rothbichl“ hinauf, ziemlich steil gewesen.
Ausgerechnet jetzt beginnt es zu regnen. Es zieht zu, und wir ziehen uns in die Hütte zurück. Viele Wanderer werden heute nicht mehr kommen. Es ist Freitagnachmittag, es sind die Stunden der Einheimischen und der Stammgäste. Der Donnerwirt aus Johnsbach ist da und der Bezirksjäger meister mit einem Gast. Ein junges Paar, Franziska aus Ingolstadt und Antonio aus Barcelona, brütet in der alten Stube über den Karten und bereitet die Tour auf den Spitzkogel am nächsten Tag vor. „Eine Berghütte wie aus dem Bilderbuch“, sagt Franziska. „Die reine Idylle.“
Wir sitzen am Stammtisch im Erker der Gaststube, mit Ausblick in fast alle Himmelsrichtungen. Rechts der Ödstein, im Rücken der Spielkogel, nach links die Triebener Tauern. „Das brauchst aber nicht aufschreiben“, sagt Hüttenwirt Hans Traxler und deutet hinaus. „Die gehören nicht zum Ennstal.“ Im Augenblick sieht man sie ohnehin nicht. „Bei uns kann es schon hängenbleiben, das Wetter“, weiß der Hans.
Helga setzt sich zu uns, an die Schmalseite des Tisches zu ihrem Mann, mit dem sie seit 43 Jahren verheiratet ist und mit dem sie seit 23 Jahren die Mödlinger Hütte am Fuß des Reichensteins und am Rand des Nationalparks Gesäuse bewirtschaftet. Helga ist eine typische Zuwisetzerin. Sie gesellt sich zwar gern zu ihren Gästen, bleibt aber selten länger, da immer was zu tun ist: eine Runde vom selbst gebrannten Enzian holen, ein belegtes Brot bringen, den frischen Topfenstrudel anschneiden.
Berglaufen tut nur gut
Die Traxlers haben also fast ein Viertel der exakt 101-jährigen Geschichte der von Bergsteigern aus dem niederösterreichischen Mödling gegründeten Hütte mitgestaltet. Und in diesen 23 Jahren gab es keinen Sommer, in dem nicht an der Hütte gearbeitet worden wäre, erzählen Helga und Hans, die spontan jede Baustelle aus dem Gedächtnis aufrufen können. 1993? „Lager 4.“ 2000? „Stube renoviert.“ 2004? „Biologische Kläranlage.“ Und so weiter. Letztes Jahr wurde der große Zubau hingestellt, der im Juni dieses Jahres offiziell eröffnet wurde, „die größte Baustelle bisher“.
Die Tür geht doch noch einmal auf, Gabi und Christian Wohlmutter kommen herein, durchfeuchtet zwar, aber zufrieden. „Das Wetter ist nicht gut“, sagt Christian nicht ganz zu Unrecht, während er sein T-Shirt wechselt, „aber das Laufen war sehr gut.“ Die Wohlmutters, Lehrer in Admont, laufen seit neun Jahren zur Mödlinger Hütte. „Dreihundertmal waren wir sicher schon hier.“ Stammgäste, wie man sie sich nicht besser wünschen kann.
„Ja, Berglaufen tut nur gut“, weiß Wolfgang, der die fünf Kilometer und 750 Höhenmeter vom Donnerwirt rauf in flotten 45 Minuten abhakt. Der normale Wanderer sollte mit rund zwei Stunden rechnen.
Die Zeit, die das Paar im Aufstieg gewinnt, wird gern ins Sitzenbleiben investiert. „Wenn wir jetzt nicht bald gehen, wird’s finster“, wird Christian ein paar Stunden später, lang nach Einsetzen der Dämmerung, bemerken und mit schon umgeschnallter Stirnlampe noch eine Weile bleiben. „Weil man gut sitzt, weil man gut isst“, versucht er zu erklären, warum es so schwierig ist, aufzubrechen. „Und weil man immer jemanden trifft, den man kennt. Hier ist immer eine Gaudi.“
Sätze, wie sie Hüttenwirtin Helga gern hört. „Das ist das Schönste, wenn man sieht, wie wohl sich die Leute hier fühlen, wie einen die Leute mögen.“ Helga will etwas bewegen, wünscht sich, dass die Region noch bekannter wird – „wie schön es hier ist“. Und eine bessere Botschafterin als Helga kann man sich kaum vorstellen, allein ihre Mehlspeisen sind ein ausreichend guter Grund, von überall aus dem Land hierherzukommen, von den Sonnenaufgängen einmal abgesehen.
Das beste Panorama der Alpen
Es ist Samstag, sieben Uhr früh, das Wetter hat sich restlos verzogen, ein wolkenloser Sommertag rückt sich zurecht, die Gipfel schütteln die Nacht ab und strecken sich in den von der Morgensonne eingefärbten Himmel.
Mödlinger Hütte
Pächter: Johann und Helga Traxler.
Ausstattung: 38 Betten in Zimmern, 50 Schlafplätze in Matratzenlagern.
Geöffnet: Mitte Mai bis Ende Oktober.
Preise: Zimmer ab EUR 24,40, Lager ab EUR 19,60 (mit AV-Ermäßigung EUR 14,40 bzw. EUR 9,60).
Telefon: +43/680/205 71 39
Internet: www.moedlingerhuette.at
- Geöffnet
- Mai - Okt
- Verpflegung
- Bewirtschaftet
Touren rund um die Hütte
1. Zustieg zur Hütte
Die Mödlinger Hütte (1.523 m) ist auf mehreren Wegen erreichbar. Der kürzeste Weg startet am Parkplatz der Mautstraße von Gaishorn herauf. Nach einem kurzen, steilen Stück erreicht man die Mödlinger Hütte in bequemen 30 Minuten. Wir empfehlen den etwas längeren Weg von Johnsbach, um anschließend mit gutem Gewissen die Küche von Helga Traxler genießen zu können.
Ausgangspunkt: Donnerwirt in Johnsbach
Dauer: 2 Stunden
Höhendifferenz: 770 m
2. Auf den Reichenstein
Die Tour auf den Reichenstein (2.251 m) ist nur für Könner und erfahrene Alpinisten empfehlenswert. Verlangt absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit mit Klettereien der Schwierigkeiten I bis III. Nicht weniger anspruchsvoll der Abstieg über die Pfarrmauer (1.995 m).
Ausgangspunkt: Mödlinger Hütte
Dauer: 5,5 Stunden
Höhendifferenz: 728 m
3. Über den Spielkogel
Von der Mödlinger Hütte erreicht man in einer lockeren Stunde den Spielkogel (1.731 m), einen tollen Aussichtspunkt. Über den Anhartskogel (1.764 m) und Sebringgraben geht’s nach Johnsbach (753 m).
Ausgangspunkt: Mödlinger Hütte
Dauer: 4 Stunden