16.700 Touren,  1.600 Hütten  und täglich Neues aus den Bergen
Anzeige
Sicherheit

Orientierung im Gelände: Wo bin ich?

• 3. August 2021
5 Min. Lesezeit
von Peter Plattner

Zur Orientierung am Berg, oder: Warum es wichtig ist zu wissen, wo man ist – und wohin es geht ...

Bergsteiger im freien Gelände
Foto: Daniel Kubera / Rauf und Davon
Bergsteiger im Abstieg: Steinmännchen sind ein guter Anhaltspunkt für die Wegfindung
Anzeige
Anzeige

Karte, Kompass, Höhenmesser, GPS – Dinge, die zur Orientierung im Gebirge zwingend notwendig sind. Das stimmt – nicht ganz. Denn wie fast überall kommt es darauf an, wie und in welcher Situation wir diese Hilfsmittel am Berg einsetzen. Entsprechendes Wissen, Können und vor allem gesunder Hausverstand sind die wichtigsten Voraussetzungen für sicheres Bergsteigen – und natürlich auch für die Orientierung.

Verirren / Versteigen

Das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS) hat ausgewertet, dass zwischen 1. Mai und 30. September 2020 die Hauptunfallursache aller unverletzt geborgenen Personen „Verirren und Versteigen“ war (mit 39 %, gefolgt von Erschöpfung mit 16 %), was in etwa auch dem langjährigen Trend entspricht. D. h. Wanderer verloren die Orientierung und benötigten – obwohl unverletzt – letztendlich die Hilfe der Rettungskräfte. 

Diese Zahlen beziehen sich wohlgemerkt nur auf das Bergwandern und nicht auf Gletscheranstiege oder Hochtouren. Obwohl es immer schwierig ist, nur aufgrund von Statistiken nachzuvollziehen, was tatsächlich geschehen ist bzw. was für den Notfall (mit-)verantwortlich war, ist das eine recht eindrucksvolle Zahl und ein Hinweis, dass es sinnvoll ist, sich mit der Orientierung zu beschäftigen.

Bergsteiger im Gelände
Foto: Daniel Kubera / Rauf und Davon
Bergsteiger im Gelände

Beliebt auf Bergwelten

Tourenplanung & Orientierung

Wie leicht man vom richtigen Weg abkommt oder nicht, hängt eng mit der Tourenplanung zusammen. Um richtig Navigieren zu können, muss neben dem Ausgangspunkt klarerweise das Ziel bekannt sein und auf welchem Weg es erreicht werden soll. Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob man z. B. sein Hüttenziel auf einem prominent beschilderten Forstweg erreichen möchte oder über den selten begangenen Steig, der kaum markiert ist und bei dem eine bestimmte Abzweigung nicht verpasst werden darf. 

Auch beliebt

Dementsprechend muss man sich vorbereiten: Auf dem breiten Weg, der direkt zur Hütte führt, wird man sich kaum Sorgen machen und weder Karte noch einen GPS-Track benötigen. Beim versteckten Steig dagegen muss man sich merken, wo die Abzweigung sein muss. Man notiert sich eventuell die entsprechende Höhe und beobachtet den Höhenmesser, wann es soweit ist – man beschäftigt sich einfach mit dem Anstieg und allen möglichen Orientierungsentscheidungen, die auf einen zukommen. 

Orientierung im Gelände: Schneefall
Foto: Daniel Kubera / Rauf und Davon
Bereits wenige Zentimeter Schnee reichen und schon verschwinden die Markierungen unter der Schneedecke

Aber auch auf gut markierten Wegen kann man sich verlaufen, sprich von ihnen abkommen oder eine falsche Abzweigung erwischen. Vor allem wenn die Sichtverhältnisse schlecht sind oder es finster wird. „Sie wurden von der Dunkelheit überrascht“ liest man dann, was – höflich formuliert – Blödsinn ist. Dass irgendwann die Sonne untergeht – abhängig von der Jahreszeit und dem Standort etwas früher oder später –, sollte sich herumgesprochen haben und muss bei der Tourenplanung berücksichtigt werden. Rechtzeitiger Start, realistische Zeitplanung und regelmäßige Checks sind angesagt sowie das Festlegen von mehreren Entscheidungspunkten zum Abbruch der Tour, d. h. zum Umdrehen.

Um in der Dunkelheit nicht vom Weg abzukommen, ist es hilfreich, wenn eine Stirnlampe zur Hand ist – deswegen zählt sie auch zur Standard-Notfallausrüstung und sollte immer im Rucksack sein:

  • Auch der Wettercheck, den es in der Planung zu berücksichtigen gilt, hat mit der Orientierung zu tun. Wenn man sein Hüttenziel und das Gelände dorthin problemlos sehen kann, dann wird man auch ohne markierten Weg dort hinfinden, dann sieht man beispielsweise auch, wo die Brücke ist, die über den Bach führt. Bei Nebel oder starker Bewölkung mit Regen, sobald man also sein Ziel oder den nächsten Geländeabschnitt nicht mehr einsehen und beurteilen kann, muss man sich auf andere Weise orientieren können. Das kann man bei der Planung schon berücksichtigen und sich zum Beispiel die passende digitale Karte aufs Handy laden.

    Whiteout am Berg
    Foto: Daniel Kubera / Rauf und Davon
    Bei einem Whiteout ist die Orientierung schwierig
    Anzeige

    Besonders Schneefall bei Schlechtwettereinbrüchen im Sommer muss beim Wandern berücksichtigt werden: viele Wegmarkierungen, zum Beispiel auf Felsen gemalte Punkte, verschwinden schnell unter der dünnen Schneedecke und machen die Orientierung mitunter schwierig – im Zweifelsfall rechtzeitig umdrehen! Aus diesem Grund gibt es auf vielen Wegen Steinmännchen als Markierung, die auch nach einem Schneefall noch gut sichtbar sind.

    Augen auf

    Orientierung an „natürlichen“ Punkten im Gelände lautet die oberste Devise beim Wandern und Bergsteigen. Orientieren bedeutet bei uns zu wissen, wo man sich gerade (im Raum / Gelände) befindet. Das müssen keine präzisen Koordinaten- oder Höhenangaben sein, sondern es geht darum, permanent mitlaufen zu lassen, wo man gerade ist: immer bezogen in Relation zum Ausgangs- und zum Zielpunkt. Das nennt man auch Orientierungssinn und das kann trainiert werden, indem man bewusst alle Informationen aufnimmt und in seiner „virtuellen Karte“ miteinander verknüpft und abgleicht. Klingt kompliziert, ist aber einfach und macht sogar Spaß. Das kann beispielsweise Folgendes bedeuten: 

    • Am Vorabend informiere ich mich über die Tour im Führer und auf den Tourenplattformen und merke mir relevante Abschnitte, Übersichtsfotos, evtl. mache ich mir ein paar kurze Notizen.
    • Am Ausgangspunkt befindet sich eine übersichtliche Panoramakarte, die mein „Bild“ bestätigt und einige neue Infos bringt, z. B. dass meine Wegabzweigung direkt hinter einer Brücke ist, dass es einen Aussichtspunkt namens „Teufelskanzel“ gibt.
    • Unterwegs schaue ich auf die Wegweiser mit den Zeitangaben und Wegnummern, auf die Wegmarkierungen und präge mir markante Geländepunkte ein.
    • Auch wenn mein Ziel nicht sichtbar ist, versuche ich die „Peilung“, also die direkte Richtung zu ihm abzuschätzen und staune, wie gut oder schlecht ich gelegen bin, wenn es wieder in mein Sichtfeld rückt.
    • Ich versuche abzuschätzen, wie lange ich bis zum nächsten markanten Punkt benötige, und vergleiche meine Schätzung mit der tatsächlichen Gehzeit.
    Steinmännchen am Großen Priel
    Foto: Daniel Kubera / Rauf und Davon
    Steinmännchen helfen bei der Wegfindung im freien Gelände

    Es geht also darum, aufmerksam und bewusst wahrzunehmen, wo wir uns im Gelände bewegen, um irgendwann auf die Frage „Wo sind wir?“ ganz nebenbei zu antworten: „Auf dem Weg Nummer 47 von Hinterau zur Berglerhütte, ca. eine halbe Stunde vor der Teufelskanzel beim Bach, der direkt von der Hütte herunterfließt.“ Das ist Orientierung!

    GPS und digitale Karten

    Klar, das GPS-Modul in meinem Smartphone zeigt mir in der heruntergeladenen Karte auch ohne Mobilnetzabdeckung immer auf wenige Meter genau, wo ich mich gerade befinde. Eine geniale Sache, die auch die Navigation beim Bergsteigen grundlegend verändert hat. Es wäre nicht clever, darauf zu verzichten, sind die exakten Koordinaten bei einem Notfall, z. B. für die Rettungskräfte, oft eine große Hilfe. Allerdings gilt es hier, aus der Fülle von Anbietern jene Apps bzw. Karten herunterzuladen, die wirklich hilfreich sind und „outdoor“ auch entsprechend bedient werden können. Das braucht im Übrigen einiges an Auseinandersetzung und Know-how, womit wir wieder beim Ding zwischen den Ohren und unserem Wissen und Können sind.

    Wegweiser im Gelände
    Foto: Daniel Kubera / Rauf und Davon
    Wegweiser im Gelände bestätigen beziehungsweise ergänzen die „virtuelle Karte“ in unserem Kopf

    Ebenso nicht clever wäre es aber auch, sich allein auf das Telefon zu verlassen, denn wie bereits erwähnt: Man benötigt ein funktionierendes Smartphone (Akku) mit GPS-Modul und für die Navigation heruntergeladene digitale Karten (oder eine datentaugliche Mobilfunkverbindung). Das Ganze ist ein super Backup, das man ebenso regelmäßig wie die analoge Karte verwenden sollte, um in Übung zu bleiben – idealerweise, um seinen natürlichen Orientierungssinn zu überprüfen. Es macht Spaß, in der Gruppe zu bestimmen, wo man sich jetzt genau auf dem Weg / auf der Karte befindet oder in welcher Richtung der Parkplatz liegt oder ob es problemlos möglich wäre, auch den anderen Weg zu nehmen und das dann mit dem GPS zu überprüfen. So trainiere ich nämlich beides: meinen natürlichen Orientierungssinn und die Navigation mit dem GPS – eine ideale Verbindung aus dem Besten aus beiden Welten.

    PS: Es scheint übrigens ein Zeichen der Zeit zu sein, dass Wanderer und Biker, die viel mit dem GPS unterwegs sind, teilweise keine Ahnung haben, wie die Hütte heißt, zu der sie wollen, oder welchen Namen das Tal hat, aus dem sie kommen – sie können nur auf den Strich am Display ihres Handys zeigen. Auch irgendwie schade.

    Mehr zum Thema

    Bergwelten entdecken