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Wird Skibergsteigen olympisch?

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4 Min.

02.02.2018

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Aktuelle Zahlen der alpinen Vereine und Sportartikelhersteller belegen: Das Skitourengehen boomt, ganz besonders in Österreich. Wohl auch deshalb will das Internationale Olympische Komitee das Skibergsteigen als neue Disziplin ins Programm der Spiele aufnehmen. Wir haben mit Josef Gruber, dem Sportlichen Koordinator im Skibergsteigen des ÖSV, über das Wettkampf-Tourengehen gesprochen – und darüber, wann es olympisch werden könnte.

Bergwelten: Herr Gruber, können Sie einem Laien erklären, worum es im Wettkampfskibergsteigen geht?

Josef Gruber: Beim Skibergsteigen sind echte Allrounder-Qualitäten gefragt. Es beinhaltet sowohl Aufstieg als auch Abfahrten, aber auch Trage-, Klettersteig- und Steigeisen-Passagen können vorkommen. In Italien ist die Bezeichnung „sci alpinismo“ geläufig, er beschreibt die Anforderungen an die SkibergsteigerInnen  wohl am besten.

Welche Disziplinen gibt es im Skibergsteigen?

Grundsätzlich gibt es drei Disziplinen:

Individual  mit Aufstiegen und Abfahrten, wobei die Aufstiege kaum über 500 Höhenmeter geben. Dafür bewältigen die AthletInnen bei einem Rennen bis zu zehn oder sogar mehr Wechsel zwischen Aufstiegen und Abfahrten.

Vertical – ein reines Aufstiegsrennen mit einer Wettkampfdauer von etwa 25 Minuten bei den Männern und 30 Minuten bei den Damen. Dabei sind die Anstiege meist relativ flach mit etwa 650 bis 750 Höhenmetern auf etwa 3 Kilometern.

Sprint – führt nur über 80 bis 100 Höhenmeter, dafür sind aber alle Komponenten des Skibergsteigens – Aufstiege, Tragepassage und Abfahrt) – enthalten. Es gibt hier zunächst einen Qualifikationslauf, die Schnellsten werden dann über Finalläufe ermittelt.

Gestartet wird – nach Geschlechtern getrennt – immer in Form von Massenstarts. Nur bei der Sprint-Qualifikation gehen die Athleten einzeln in 20-Sekunden-Abständen ins Rennen. Ab den Viertelfinal-Läufen starten pro Heat sechs Athleten.

Wie sind die Wettkämpfe organisiert? Gibt es eine international ausgetragene Rennserie und Weltmeisterschaften, ähnlich wie im alpinen Skilauf?

Ja, der internationale Verband der Skibergsteiger, die ISMF (International Ski Mountaineering Federation), trägt sowohl kontinentale Meisterschaften (Europa, Asien und Panamerika) als auch alle 2 Jahre Weltmeisterschaften aus. Jedes Jahr gibt es einen Weltcup mit meist vier Weltcupstationen im Rahmen dessen der Gesamtweltcupsieger und die Disziplinen-Weltcupsieger ermittelt werden. Pro Weltcupwochenende werden meist ein Individual-Bewerb und alternierend ein Vertical- oder Sprint-Bewerb ausgetragen.

Am 5. Februar wird sich das Olympische Komitee mit der Frage auseinandersetzen, ob der Tourensport nach über 70 Jahren Pause wieder olympisch werden soll. Wie hoch schätzen sie die Chancen ein? Welche Disziplinen werden voraussichtlich aufgenommen?

Die Chancen schätze ich gut ein, vor allem da im Dezember erstmals ein Weltcuprennen im Wanlong Skiresort in China stattgefunden hat (die Olympischen Winterspiele 2022 werden von Peking ausgetragen, Anm. d. Red.). Außerdem wurde das Skibergsteigen bereits in das Programm der Youth Olympic Games 2020 aufgenommen, was ich als weiteres Indiz werte. Wir hoffen, dass zumindest das Individual und der Sprint aufgenommen werden. Mit ersterem wäre die Urform des Skibergsteigens repräsentiert, die den kompletten Skibergsteiger fordert. Der Sprint wiederum ist sehr vielseitig und aufgrund des geringen Bewegungsradius auch sehr zuschauerfreundlich.

Warum denken Sie hat das Skitourengehen gerade jetzt Chancen auf eine Wiederaufnahme bei Olympia? Ist das der stark wachsenden Popularität des Sports geschuldet?

Einerseits wird das Skitourengehen tatsächlich immer beliebter und attraktiver für Freizeitsportler. Wenn es um Bewegung in der Natur in Kombination mit einem bleibenden Bergerlebnis geht, ist Skibergsteigen die Wintersportart schlechthin. Außerdem spielt der wirtschaftliche Faktor eine große Rolle – die Sportartikelbranche freut sich über hohe Zuwachsraten in dieser Sportart. Das weiß auch die ISMF und arbeitet entsprechend engagiert an einer Aufnahme in das Olympische Programm.


Der Skitourenboom in Zahlen

  • Nach Schätzungen der alpinen Vereine sind in Österreich über 500.000 Skitourengeher unterwegs.
  • Laut jüngsten Angaben der Sportartikelindustrie wurden in der vergangenen Saison 2016/17 in Österreich rund 53.000 Paar Tourenski verkauft. Das entspricht circa einem Fünftel des weltweiten Verkaufs. Der Umsatz stieg zwischen fünf (Ausrüstung) und zehn Prozent (Bekleidung). Tendenz steigend.
  • Die Skitourenplattform skimo.at hat erhoben, dass in Österreich bereits 6.000 Aktive bei über 100 Wettkämpfen pro Jahr an den Start gehen.

Wie weit reicht der Wettkampf-Skitourensport zurück bzw. aus welchen Sportarten hat er sich herausentwickelt?

Die ersten Menschen haben sich sogar schon 5.000 vor Christus auf Skiern fortbewegt. Erste Skitouren, als Besteigen von Bergen mit Skiern und anschließender Abfahrt, wurden Ende des 19. Jahrhunderts unternommen. Bald darauf entwickelten sich in den 20er-Jahren die ersten Rennen. Zunächst als militärische Wettkämpfe – der Militärpatroillenlauf war 1924 erstmals olympische Disziplin.

Welche AthletenInnen sind derzeit die Besten im Tourensport bzw. welche Länder dominieren ihn?

Skibergsteigen wird von Ländern wie Italien und Frankreich dominiert, wo die Sportart eine lange Tradition hat. Laetitia Roux aus Frankreich ist bei den Damen schon seit Jahren mehr oder weniger unschlagbar. Bei den Herren ist die Konkurrenz größer, außerdem mischen dort noch andere Nationen wie Spanien mit Kilian Jornet, die Schweiz und auch Deutschland mit Anton Palzer mit.

Wie sieht es bei den Österreichern aus? Wer sind hier die Erfolgreichsten bzw. größten Talente?

Bei den Österreichern haben wir in der letzten Saison mit Jakob Herrmann aus Salzburg und Daniel Zugg aus Vorarlberg erstmals Österreicher bei Weltcuprennen auf das Podium gebracht. Seit einem Jahr schaffen wir es regelmäßig unsere Athleten sowohl bei den Damen als auch bei den Herren regelmäßig in den Top 10 zu platzieren. Dieser Aufschwung überträgt sich auch auf die Jungen. Leider haben wir in der Junior-Klasse derzeit eine Lücke, aber danach – bei den sogenannten Cadeten – gibt es wieder einige großartige Talente, unter anderem Paul Verbnjak aus Kärnten.

Wie ist das Training strukturiert?

Das Training ist sehr Ausdauer-lastig ausgelegt – im Sommer wird die allgemeine Grundlage über andere Sportarten aufgebaut, diese heißt es dann im Frühwinter auf die Ski zu übertragen. Vor den ersten Weltcupeinsätzen wird immer öfter intensiveres Training eingebaut und auch Technik (Wechsel, Abfahrten etc.) trainiert.

Gibt es Skibergsteig-Profis, in dem Sinne, dass man als Athlet davon leben kann?

Derzeit gibt es in Österreich mit HSZ-Sportler Daniel Zugg aus Vorarlberg nur einen Athleten mit Profi-Status. Alle anderen AthletInnen müssen ihren Sport neben dem Beruf ausüben und sich für Training und Weltcuprennen vom Arbeitsgeber frei nehmen. Wir arbeiten gemeinsam mit dem ÖSV daran, dass sich diese Strukturen verbessern und wir vor allem unserem Nachwuchs bessere Sportmöglichkeiten bieten können.