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Auf den höchsten Berg Südtirols

Zu Besuch bei König Ortler

• 20. Oktober 2015
3 Min. Lesezeit
von Lukas Rinnhofer

Majestätisch steht der König vor uns. Im Laufe der Zeit sind seine Untertanen andere geworden, die Verehrung bleibt jedoch grenzenlos. Unser Plan: Über den Hintergrat aufsteigen und über den Normalweg die Überschreitung des Ortlers durchzuführen. Bis 1919 war der Berg mit 3.905 m der höchste Gipfel Österreich-Ungarns und überragt den Großglockner um über 100 Meter. Heute ist er der höchste Berg Südtirols und die Region um Sulden versprüht mit den Nordwänden der Königsspitze, des Monte Zebrù und dem Ortler schon etwas Westalpenflair.

Morgengrauen am Ortler
Foto: Lukas Rinnhofer
Morgengrauen am Ortler
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Bergwanderführerkollege Julian Pfeiffer und ich steigen am Vorabend noch von Sulden hinauf zur Hintergrathütte, wo uns, nach einer viel zu kurzen Nacht, der Wecker um 4:15 Uhr unsanft aus dem Schlaf reißt. Ein schnelles Frühstück um genügend Koffein in die Blutbahn zu befördern und wir starten um 4:45 Uhr von der Hütte los. Vor uns im Dunkel der Nacht nur die Stirnlampenkegel von zwei Italienern; sie haben die Hütte schon um 3 Uhr früh verlassen.
 
Jeder von uns noch in Gedanken versunken, setzen wir Schritt für Schritt in die Dunkelheit. Der Himmel ist sternenklar und die Milchstraße leuchtet direkt über uns. Immer wieder zischen Sternschnuppen über den Nachthimmel: Ein fantastischer Anblick.

Am Grat, Ortler
Foto: Lukas Rinnhofer
Am Grat, Ortler

Das Gelände ist brüchig und immer wieder prasseln Steine aus den umliegenden Wänden. Durch Schottergelände steigen wir immer höher. Die Morgendämmerung setzt langsam ein und die Wände, Gletscher und Gipfel rundherum beginnen im ersten Licht des Tages zu leuchten. Kurz vor Sonnenaufgang lässt uns ein eisiger Wind nochmals alle Kleidungstücke überziehen. Sobald die ersten Sonnenstrahlen aber den Grat erreichen, wird es gleich merklich wärmer. Nach knapp 2 Stunden erreichen wir den Signalkopf, einen kleinen Turm, der den Beginn der Gratkraxelei markiert.

Zunächst geht es über einen etwas unsympathischen kurzen Quergang nach unten und gleich darauf folgt die erste Schlüsselstelle. Eigentlich nur eine kurze Verschneidung, aber dadurch, dass diese Tour doch häufig begangen wird, ist der Einstieg sehr abgespeckt und rutschig. Dazu kommt noch, dass sich die Wand hier etwas nach außen neigt. Der schwere Tourenrucksack in Kombination mit der Schwerkraft tuen noch ihr übriges und ziehen uns verlässlich nach hinten. Aber zum Glück ist die Stelle nicht lang und 3 Züge später sind wir schon wieder in leichterem Gelände unterwegs. Problemlos geht es nun über das zweite Eisfeld: Die Bedingungen sind perfekt und so heißt es hier einfach nur hochstapfen. Die Luft wird jetzt jedoch schon merklich dünner. Wir legen nochmals eine kurze Pause ein, stärken uns mit einem Schluck Tee und einem Müsliriegel und dann geht es über leichtes 3er Gelände weiter bis zur zweiten und letzten schwereren Stelle.
 

Gipfel Ortler

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Sie ist zwar etwas länger als die Verschneidung vorhin, jedoch auch etwas einfacher. Ein kurzer Aufschwung und ein paar Meter Querung und schon liegt auch diese Stelle hinter uns. Vor uns noch das letzte Gratstück und schon können wir den Gipfel erblicken. Nach knapp 5 Stunden und 1.245 Höhenmetern herrlichem Aufstieg stehen wir zwar etwas müde, aber dafür euphorisiert und strahlend am Gipfel. Wir genießen ein paar Minuten auf fast viertausend Metern und machen uns dann aber bald wieder auf den Weg nach unten, da für Nachmittag Regen und Gewitter angesagt sind. Vor uns liegt der Abstieg über den mit Spalten zerklüfteten Normalweg. Die beeindruckenden meterhohen Gletscherspalten und Seracs lassen uns immer wieder die Kamera zücken. Dank einer gut angelegten Spur über den Gletscher kommen wir aber zügig voran. Vorbei an der Payerhütte und weiter hinunter in Richtung Sulden. Mit dem ersten Donnergrollen erreichen wir das Auto am Parkplatz – perfektes Timing!
 
Auf der Rückfahrt gibt es noch Pizza und Kaffee zur Stärkung. Noch während dem Essen schmieden wir schon wieder Pläne für die nächsten Touren. Und zufällig bietet der Ortler mit seiner Nordwand die höchste der Ostalpen. Somit steht schon fest: Im Frühjahr werden wir wieder um eine Audienz beim König Ortler ansuchen.

Ausrüstung Ortler
Foto: Lukas Rinnhofer
Ausrüstung Ortler

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