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Abenteuer Hüttenleben

Richterhütte: Leben mit den Elementen

• 22. September 2022
4 Min. Lesezeit

Julia Stauder und ihre Familie sind seit 2016 Gastgeber auf der Salzburger Richterhütte. Im siebenten Jahr berichtet sie sehr persönlich über die Mühen und Freuden des Wirtsleute-Daseins (hier geht's zu Teil 1). Dieses Mal geht es um Wasser – und was es im Hüttenalltag bedeutet, wenn davon zu viel oder zu wenig da ist.

Julia Stauder und Martin Falkner, die Wirtsleute der Richterhütte, mit ihren Kindern Dora und Rian. Das Foto wurde 2018 aufgenommen
Foto: Sam Strauss
Julia Stauder und Martin Falkner, die Wirtsleute der Richterhütte, mit ihren Kindern Dora und Rian. Das Foto wurde 2018 aufgenommen
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Ich habe viel gelernt in den letzten sieben Jahren. Zum Beispiel über Wasser. Ich habe es mehr zu schätzen, habe seinen technischen Nutzen ein kleinwenig besser verstehen gelernt – habe das Wasser aber auch, in all seinen Aggregatszuständen, zu fürchten gelernt.

Die klimatischen Veränderungen können wir hier oben auf 2.400 m ablesen wie aus einem Bilderbuch. Alles, wovon – kaum fassbar und meist abstrakt – in den Medien berichtet wird, können wir in unserem Alltag zum Greifen nahe nachvollziehen. Wir sitzen hier sprichwörtlich an der Quelle.

Jedes Kind weiß, dass Wasser wichtig ist. Wasser ist die Grundlage des Lebens. Doch zu Hause, in der „Zivilisation“, da drehe ich einfach den Hahn auf, und es fließt. Da verliert sich mein Bezug dazu ein wenig, ich sehe Wasser dort als etwas Selbstverständliches an.

Kostbares Gut

Hier auf der Richterhütte ist das anders. Das Wasser für Sanitäranlagen, zum Kochen und Trinken, fassen wir selbst, wenige Höhemeter oberhalb der Hütte. Damals, vor 125 Jahren, haben die Erbauer der Hütte ein Reservoir angelegt, eine Art Trinkwasserteich. Doch da das auch seine Tücken hat (etwa, weil Tier-Kadaver oder Exkremente das Wasser verunreinigen könnten), gibt es inzwischen auch eine zweite Wasserfassung. Im Nebengebäude füllen sich Tanks, mittels Pumpe wird das Wasser dann in den Keller der Hütte transportiert, dort noch mittels UV-Anlage aufbereitet und – voilà – fertig ist das Trinkwasser!

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Wasser ist elementar für ein Leben in den Bergen

Dieses Jahr, es war ein heißer Sommer, füllten sich einmal die Wassertanks nicht mehr. Wir dachten, es gäbe ein technisches Gebrechen – doch dann mussten wir einsehen, dass schlicht zu wenig Wasser da war, die Quelle versiegt. Von den Hohen Tauern ist man das nicht gewohnt. Und selbst das Umschalten auf unser „Backup“ – den alten Trinkwasserspeicher – war nur kurzfristig eine Lösung, denn auch der war fast ausgetrocknet.

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Die Quellen versiegen

So froh war ich selten um das nächste wasserbringende Gewitter! Denn im Normalfall haben wir mehr Respekt vor Gewittern als Freude damit, zu sehr können sie unsere Abläufe behindern, können Gefahr bedeuten.

Gefahr zum Beispiel auch für unsere Stromversorgung. Denn nicht nur um unser Trinkwasser müssen wir uns selbst kümmern, auch unseren Strom erzeugen wir selbst – aus Wasser. Wir befinden uns einfach zu weit ab vom Schuss, um am normalen Netz hängen zu können.

Unser Wasserkraftwerk steht 180 Höhenmeter unterhalb der Hütte. Erst muss das Bachwasser gefasst werden, um es dann durch die Druckleitung gebündelt nach unten leiten zu können. Mit diesem Druck wird dann die Turbine betrieben, der Generator erzeugt Strom – und bei uns gibt’s Licht und wir können den Elektroherd betätigen. (Auch in Sachen Physik habe ich ein bisschen dazugelernt.)

Doch dafür braucht es, wie so oft, ein Mittelmaß. Wir brauchen genug Wasser, aber eben auch nicht zu viel. Denn wenn punktuell zu viel Wasser vom Himmel kommt, bei einem kleinräumig ablassenden Gewitter beispielsweise, dann versiegt diese Stromquelle. Besser gesagt, sie versandet. Der dann reißende Bach spült viel Material aus, dann füllt sich das Einlaufbecken mit Kies und teils Schlamm, und in der Hütte wird es dunkel. Das wieder freizubekommen, bedeutet für uns viele Stunden Knochenarbeit.

Leben mit den Elementen: Die Richterhütte auf 2.400 m
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Leben mit den Elementen

Auch ein weiteres, derzeit viel diskutiertes Wasser-Phänomen, lässt sich hier beobachten: Das Gletschersterben. Ein drei-Häuser-großes Stück vom noch verbleibenden Gletscher unterhalb der Schwarzen Wand ist letztes Jahr abgebrochen und hat sich grollend nach unten gewälzt. Die Brocken stürzten bis hinunter über den Weg, der zur Richterspitze führt – der aber glücklicherweise zu dem Zeitpunkt gerade nicht begangen wurde. Tausende Jahre altes, gefrorenes Wasser also, das sich vor unseren Augen den Berg hinunterbewegte, tonnenschwer und traurig – fast wie in Zeitlupe, als hätte selbst die Schwerkraft etwas dagegen einzuwenden. Wir werden Zeugen der Zersetzung. Das Gletschereis ist für alle Zeit dahin.

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  • Als wir 2016 hier als Hüttenwirtsleute begonnen haben, war es das Element Wasser, das uns sehr schnell aufzeigte, dass in Hinblick auf eine funktionierende Infrastruktur Handlungsbedarf besteht. Dringend! Bei voll besetzter Hütte zur Hochsaison – wann sonst – zog ein Gewitter auf und ein Gast meldete: „Mein Bett ist nass!“ Notdürftig musste das lecke Dach erstversorgt werden. Es wurde als erstes saniert, 2019 folgte dann der Rest: Sanitärräume wurden geschaffen, Küche und Keller ausgehöhlt und neu auf- und ausgebaut, neue Fenster im Erdgeschoss eingesetzt. Wir bekamen eine neue Seilbahn, die Gasträume und der Winterraum wurden revitalisiert und liebevoll ins 21. Jahrhundert geholt. Was sich so easy anhört, war eine Meisterleitung in Logistik und Handwerkskunst. Die Natur stellte uns vor zusätzliche Riesenherausforderungen.

    Gletschersturz unterhalb der Schwarzen Wand

    Noch mehr Prüfungen

    Just 2019, im Umbaujahr also, wurden bei Baubeginn im Mai Schnee-Höchststände gemessen. Nebengebäude waren von den weißen Massen verschluckt, nur mit Lawinensonde auffindbar. Und einmal ausgebuddelt und notdürftig eine Feldküche installiert – im Haupthaus wurde die Küche ja komplett ausgehöhlt und war somit für die Versorgung der wochentags auf der Hütte weilenden Arbeiter unbrauchbar gewesen – da setzte das Tauwetter ein. Einen Meter hoch war alles unter Wasser.

    Ich erinnere mich (ungern): Freitagnachmittag, alle Arbeiter machten sich auf den Heimweg, nur Martin und ich blieben zurück: Mit der Überflutung. Wir buddelten händisch durch den meterhohen Schnee einen Abfluss für das sich aufstauende Schmelzwasser.

    Inzwischen liegen all diese Bautätigkeiten in der Vergangenheit – mit vielen, vielen Händen konnte das Projekt gestemmt werden. Wo es trocken sein soll (nämlich in und rund um die Hütte), ist es nun trocken und jetzt, im Herbst mit seinen Regenphasen, haben wir auch wieder genug Wasser, um alles gut betreiben zu können.

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  • Eine Idee zum Schluss

    Ich finde dieses „Klimawandel-Bilderbuch“ hier heroben, diese fragile Landschaft, an der man so vieles ablesen kann, sollte man nutzbar machen. Jungen Leuten beispielsweise kann man hier im wahrsten Sinne des Wortes begreiflich machen, woher Wasser kommt und wie es um es bestellt ist, damit sie selbst ihre Schlüsse und Konsequenzen ziehen können. Das wäre unweit jeder österreichischen Schule machbar. Eine Fahrt ins Gebirge genügt. Welche Pädagogin fühlt sich fit genug, mit den Jungen hierher zu kommen?

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