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Im Gespräch: Dr. Andreas Ermacora, ÖAV-Präsident

Menschen

4 Min.

22.11.2016

Foto: ÖAV / Wanner

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Dr. Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV), spricht mit uns über die Kernkompetenzen des Alpenvereins, wie gesund Bergsport ist und sein persönliches Gipfel-Highlight 2016.

Bergwelten: Was macht den Alpenverein 2016 aus?

Dr. Ermacora: Das tolle an einem Verein wie dem ÖAV ist, dass so viele Menschen verschiedenster Interessen, Begabungen und Kenntnissen sich zusammentun und einem gemeinsamen Ziel entgegenarbeiten. Jeder kann seine speziellen Fähigkeiten einbringen, das ganze ehrenamtlich und freiwillig. Es wird zwar schon immer etwas schwieriger, Leute für diese Aufgaben zu gewinnen, aber schöne Beispiele wie die Umweltbaustellen zeigen, dass das Interesse an Vereinsarbeit nach wie vor ungebrochen ist.

Bergwelten: Was sind die Hauptaufgaben des Alpenvereins, gesamtgesellschaftlich?

Der Verein hat nun eine Dimension erreicht, die es mit sich bringt, dass er inzwischen in vielen gesellschaftspolitischen Themen gehört wird. Natürlich in den Gebieten, in denen der Verein tätig ist, sprich Tourismus, Umweltschutz und natürlich das Bergsteigen. In diesem Bereich haben wir quasi die Markführerschaft. Es gibt keine Institution, die so viele gut ausgebildete Menschen hat wie der Alpenverein, um anderen Menschen das Rüstzeug zu geben, selbst sicher in den Bergen unterwegs zu sein. In der AV-Akademie werden tausende Multiplikatoren ausgebildet, die den Mitgliedern in den Sektionen das Rüstzeug geben, selbst möglichst sicher in den Bergen unterwegs zu sein.

Kann der Alpenverein gewährleisten, dass dieses Mehr an Leuten kontrolliert in den Bergen unterwegs ist?

Es zählen verschiedene Faktoren. Zum einen bieten die Wege eine gewisse Sicherheit, indem sie markiert und zum größten Teil vor Steinschlag gesichert sind. Zum anderen achten wir darauf, dass die Leute nicht auf den Wiesen unterwegs sind und die Natur geschützt wird. Dadurch entsteht eine Art Kanalisierung, die Leute zu einem bestimmten Ziel führen soll, und das sind die Hütten und die Gipfel.

Wie gesund ist Bergsport?

Der gesundheitlich Aspekt des Bergsteigens spielt natürlich eine große Rolle im Verein. Am 25. November wird im Schloss Schönbrunn in Wien eine große Abschlussveranstaltung zum Thema „Bergsport und Gesundheit“ stattfinden. Bei der dort präsentierten Studie wird sich ergeben, so nehme ich an, dass Bergsteigen sehr gesund ist, und zwar nicht nur für den Körper, sondern auch für die Psyche. Auch vom Sozialgedanken her: mehr gesunde Menschen bedeuten weniger Kosten für das Gesundheitssystem.

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Wie steht es um die Frauenquote im ÖAV?

Wir haben sehr wenige weibliche Vorsitzende von Sektionen. Ab 2017 gibt es im Bundesausschuss allerdings eine neue Regelung, die vorsieht, dass auf eine gerechte Geschlechterverteilung Rücksicht zu nehmen ist, die verpflichtend umzusetzen ist.Im Gesamtverein beträgt der Frauenanteil derzeit rund 43 Prozent. Tendenz steigend. Ich merke aber auch persönlich, wenn ich am Berg unterwegs bin, dass immer mehr Frauen wandern und bergsteigen. Ein schöner Trend.

Kletterhallen, Versicherung, Hütten: Wird der Verein immer mehr zum Freizeit-Unterstützer? Sind historische und moralische Werte überhaupt noch ein Thema für neue Mitglieder?

Wir geben regelmäßig Umfragen in Auftrag, um die Beweggründe für eine Mitgliedschaft im Alpenverein zu hinterfragen. Die Hauptmotive sind Wandern, Kameradschaft am Berg, Hüttenerlebnisse, der Naturschutz und die Versicherung. All diese Faktoren sind dafür verantwortlich, dass jährlich 10.000 – 15.000 neue Mitglieder beitreten. Die große Herausforderung besteht jedoch darin, die bestehenden Mitglieder auch an den Verein zu binden.

Sind eine Million Mitglieder das nächste logische Ziel?

Ich würde sagen, das ist nicht illusorisch, aber nicht unbedingt unser Ziel. Wir wissen aber aus Umfragen, dass 1,2 Millionen Österreicher sich vorstellen könnten, Mitglied beim Alpenverein zu werden, und über eine Million gehen aktiv in die Berge. Wir wollen allerdings mehr sein als nur ein großer Versicherungsgeber, wir wollen Werte vermitteln. Und hier hilft natürlich eine große Zahl an Mitgliedern sehr, unser aller Interessen auch Richtung Politik zu positionieren. Das merken wir, wir werden gehört, auch wenn es oft schwierig ist.

Wie sehen Sie die Erschließungswünsche mancher Seilbahngesellschaften, die touristische Infrastruktur noch weiter auszubauen?

Ich verstehe jeden wirtschaftlich denkenden Menschen, bei manchen fehlt jedoch der Weitblick. Zwischen den großen Mitspielern findet zu Lasten der Kleinen ein Kannibalisierungseffekt statt. In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden nur noch die großen Skigebiete übrig bleiben, die Kleinen werden sich nicht mehr rechnen. Es wird wärmer, es gibt 25 Tage weniger Schneebedecktheit. Es obliegt der Politik, hier ein ausgewogenes Maß zu finden.

Einer unserer Satzungsaufträge lautet, die Ursprünglichkeit und Schönheit der Bergwelt zu erhalten. Diesen Auftrag vertreten wir, das muss akzeptiert sein. Denn was schätzen die Leute an Österreich? Die Natur. Die Umwelt. Die intakte Umwelt. 

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Gibt es zu viele Hütten und Wege in den Alpen? Brauchen wir so viel Infrastruktur in den Ostalpen?

1978 hat der Alpenverein einen Grundsatzbeschluss gefasst, keine neue Hütten und Wege zu errichten. An diesen Beschluss halten wir uns auch. Die Erschließung von neuen Klettersteigen beobachten wir schon mit kritischen Augen, in Tirol zum Beispiel schießen neue Steige ja fast schon wie Schwammerln aus dem Boden. Der ÖAV forciert sich also auf die Erhaltung unserer schönen Hütten, aber ein Überangebot besteht glaube ich nicht. Es gibt ein gutes Angebot mit guten Wegen und schönen Hütten, das wanderbare Österreich boomt.

Seit heuer ist das neue Hüttenreservierungssystem im Einsatz. Wie sind die ersten Erfahrungen?

Die ersten Erfahrungen sind sehr gut. Wir werden das System in den nächsten Jahren weiter ausbauen und sind optimistisch, dass lästige Mehrfachbuchungen zukünftig wegfallen, bisher ein großes Problem für Hüttenwirte.

Ihr persönliches Berg-Highlight 2016?

Ich war dieses Jahr zum dritten Mal auf dem Großglockner. Einmal im Winter mit den Ski und jetzt das zweite Mal im Sommer, diesmal über das Lucknerhaus, von Kals hinauf bei bestem Wetter. Dabei konnte ich mit Freude feststellen, wie viel junge Leute hochalpin unterwegs sind. Das war eindeutig mein Highlight.

Dr. Ermacora, vielen Dank für das Interview!


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