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Corona-Krise

Wie wird der kommende Hüttensommer?

• 23. April 2020
6 Min. Lesezeit
von Martin Foszczynski

So sehr, wie jetzt hat es uns wohl noch nie raus und rauf auf die Berge gezogen. Normalerweise wäre es ein klarer Fall: In den nächsten Wochen würde die Hütten-Saison starten – doch dieses Jahr sind im Zeichen der Corona-Krise viele Fragen offen. Wir haben Peter Kapelari, den Hüttenreferenten des Österreichischen Alpenvereins, gefragt, wie der kommende Hüttensommer aussehen könnte.

Berghütrten Corona
Foto: mauritius images/ Udo Bernhart
Der Alm- und Hüttensommer 2020 kann kommen, doch es gelten neue Spielregeln
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Beginnen wir mit den guten Nachrichten: Auch wenn derzeit noch alle Hütten in Österreich und Deutschland geschlossen sind, der Bergsommer 2020 ist nicht abgeblasen. In Österreich hat die Bundesregierung ab Anfang Mai Lockerungen im Bereich der Outdoor-Aktivitäten angekündigt. Zugleich soll ab dem 15. Mai nach und nach auch die Gastronomie und Hotellerie wieder aufsperren – darunter dürften auch die Hütten fallen.

Dennoch sind natürlich weiterhin alle, die sich in die Natur begeben, zur Vorsicht und Zurückhaltung angehalten. Das gilt insbesondere für anspruchsvolle Touren – gerade die Bergrettung muss bei schwierigen Einsätzen in größeren Mannschaften ausrücken – das Gebot des Abstandhaltens kann dann nicht mehr eingehalten werden.

Neue Hüttenregeln

Auf den Hütten wiederum wird es neue Schutzmaßnahmen geben. Die Details dieser Richtlinien stehen noch nicht fest und werden in Österreich gerade von der Bundesregierung erstellt, wobei die alpinen Vereine ihre Empfehlungen einbringen. Auf baldige Klarheit hoffen vor allem viele Hüttenwirte/-innen, die mitten in der Vorbereitung auf die Saison 2020 stecken.

Hüttenreferent des ÖAV: DI Peter Kapelar
Foto: DI Peter Kapelar
Hüttenreferent des ÖAV: DI Peter Kapelar

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Wir haben uns bei Peter Kapelari, dem Hüttenreferenten des Österreichischen Alpenvereins, über den Stand der Dinge erkundigt. Der ÖAV betreibt 232 Schutzhütten im Land, 180 weitere der Deutsche Alpenverein.

Bergwelten: Die Bundesregierung hat kürzlich angekündigt, dass Gastronomie-Betriebe unter Auflagen ab 15. Mai wieder aufsperren dürfen – fallen da Hütten auch darunter?

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Ob die Hütten im ersten Schritt schon dabei sein werden, wissen wir noch nicht genau. Ich schätze, dass hier Ende April endgültige Klarheit herrschen wird.

Ist der Alpenverein in die Gesetzgebung involviert?

Wir sind vom zuständigen Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus eingeladen worden, im Verband der alpinen Vereine eine Ideensammlung abzugeben, welche möglichen Maßnahmen auf Schutzhütten einen sicheren Betrieb gewährleisten können. Hier waren auch die Naturfreunde und der Deutsche Alpenverein involviert. Diesen Maßnahmenkatalog haben wir Anfang dieser Woche abgegeben, er soll in den Erlass der Bundesregierung Eingang finden.

Was steht in diesem Maßnahmenkatalog vorerst drinnen? Wie kann der Hüttenbetrieb in diesem Sommer von Seiten der Betreiber aussehen und worauf müssen sich die Gäste einstellen?

Wir haben gemeinsam mit den alpinen Vereinen fünf wesentliche Punkte formuliert, die ein Hüttengast beachten sollte. Erstens: Besuche Hütten nur im gesunden Zustand. Wenn du dich nicht gesund fühlst: Bleib daheim. Zweitens: Bringe deine eigene Mund-Nasen-Schutzmaske mit. Es werden aber auch immer welche auf den Hütten bereitstehen. Drittens: Reserviere deine Übernachtungsplätze. Ohne Reservierung gibt es heuer keinen Übernachtungsplatz. Viertens: Kein Schlafplatz ohne eigenen Hüttenschlafsack. Fünftens: Nimm deinen eigenen Müll mit ins Tal. Darüber hinaus werden alle Bergsportler natürlich zur gewissenhaften Tourenplanung aufgefordert – man muss Wetter, Ausrüstung und persönliche Leistungsgrenzen berücksichtigen. In diesem Sommer ist bei allen von uns ein erhöhtes Maß an Disziplin und Eigenverantwortung gefragt.

Was wird sich im Gastro-Bereich der Hütten ändern?

Man muss mehr als einen Meter Abstand halten, die Hygiene einhalten, Händewaschen, Flächen desinfizieren etc. Diese Regeln müssen gut sichtbar, z.B. in der Speisekarte, kommuniziert werden. Hüttenwirte und Mitarbeiterinnen werden bestmöglich in die nötigen Vorsorgemaßnahmen eingeschult und sollen auch darauf achten, dass diese eingehalten werden. Eine Nichteinhaltung durch die Gäste darf aus Sicht des Alpenvereins aber keine rechtlichen Konsequenzen für die Hüttenbetreiber haben. Die Wirtsleute dürfen nicht zur Gesundheitspolizei gemacht werden.

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Daher wird im Gastro-Bereich nur noch jeder zweite Tisch besetzt? Der Barbereich fällt wohl weg?

Wir haben im Gastro-Bereich eine Reduktion der Sitzplätze und eine geänderte Anordnung von Tischen vorgeschlagen, um den notwendigen Abstand einzuhalten. Was im Endeffekt vorgeschrieben wird, wissen wir noch nicht. Es wird aber ohnehin sehr genaue Vorschriften geben die jedes Gasthaus am Land, aber auch den Gastgarten in der Wiener Innenstadt betreffen – das wird auf den Terrassen unserer Hütten ebenso Gültigkeit haben. Ich persönlich halte eine Reduktion der Tische um die Hälfte oder pro Tisch nur zwei Personen für übertrieben – es kann durch eine andere Anordnung der Tische auch gelingen, den nötigen Abstand zu wahren.

Hütten-Wirtsleute stehen diese Saison vor besonderen Herausforderungen
Foto: Christina Schwann
Hütten-Wirtsleute stehen diese Saison vor besonderen Herausforderungen

Was Berghütten von Hotels unterscheidet sind die Matratzenlager. Ist es möglich, dass Nächtigungen in Gemeinschaftsräumen diese Saison ausfallen?

Es soll diese Saison eine hundertprozentige Reservierungspflicht über ein Online-Reservierungssystem geben. Mit datenschutzkonformer Erfassung der Telefonnummern und Emailadressen der Nächtigungsgäste für einen Infektionsfall. Es werden heuer keine Großgruppen und auch keine Schulgruppen aufgenommen.
Generell wird eine Reduktion der Übernachtungsplätze notwendig sein – in welchem Ausmaß wird man erst festlegen. Der Abstand zwischen den Schlafenden muss vergrößert werden oder es müssen bauliche Abtrennungen vorgenommen werden. Das kann durch eine Holzplatte sein, es kann aber auch eine textile Absperrung sein. Es gibt auch die Möglichkeit mobiler Trennwände, die man leicht versetzen kann. Sie werden an einer U-Vorrichtung an der Wand eingehängt und unten durch die beiden Matratzen fixiert. Auf diese Weise sind die Leute durch eine dünne Platte getrennt, so dass man sich nicht mehr gegenseitig anschnauft. Einige Hüttenwirte setzen solche Trennlösungen schon um und halten es für eine gute Idee. Der Hüttenwirt der Zellerhütte in Oberösterreich z.B. wollte das eh schon länger machen, einfach weil die Leute sich oft ein bisschen mehr Intimsphäre wünschen – ganz unabhängig von der Infektionsgefahr.
Für Gäste, die ohnehin unter einem Dach leben, soll es „Familienzimmer“ geben – auch diese Option haben wir in unserem Online-Reservierungssystem schon eingeführt. Eine Familie kann in einem 5er- oder 6er-Lager ruhig auch nebeneinander schlafen. Dasselbe gilt auch für die Tische.

Wie sieht es mit der Benützung der Sanitärräume aus?

Auch hier gilt die Regel: Abstand halten oder im Familienverbund nutzen. Es gibt auch die Idee, dass man Listen erstellt und den Nächtigungsgästen Zeiträume zuteilt. So hat z.B. jede Gruppe eine Viertelstunde Zeit den Waschraum zu benützen. In den Sanitäranlagen muss auch besonders auf Desinfektion, etwa der Türgriffe, geachtet werden.

Bei Selbstversorgerhütten ist die Lage wohl weniger kompliziert?

Hier wird die Vermietung nur an eine zusammenhängende Gruppe von Personen erfolgen. Eine vorherige Reservierung ist auch hier nötig.

Welche Schutzmaßnahmen sind speziell für das Hütten-Personal angedacht?

Eine Ausrüstung der Mitarbeiter mit Mund-Nasenschutz und Handschuhen muss gewährleistet sein. Wir wünschen uns auch eine Anreiseerlaubnis für Stammarbeiter/innen aus dem Ausland. Darunter fallen z.B. auch die Sherpas aus Nepal, die auf einigen heimischen Hütten tätig sind. Möglicherweise müssen diese dann Quarantäne-Bestimmungen einhalten.

Viele Hüttenleute sind mitten in der Vorbereitung – können sie denen eine Einschätzung geben, wann die fixen Regeln feststehen?

Wir rechnen Ende nächster Woche mit diesem Erlass. Dass die Hütten am 15. Mai aufsperren dürfen ist leider noch nicht „gegessen“. Wichtig ist uns auch, dass man die unterschiedlichen, vor allem baulichen, Gegebenheiten der vielen hundert Hütten berücksichtigt und das alle Maßnahmen auch reversibel sein müssen, so dass mittelfristig eine Rückkehr zur Normalität möglich ist.

Werden die Leute diese Saison trotz allem auf die Berge kommen?

Ich glaube der Drang in die Natur rauszugehen, der Bedarf an Freizeit und Erholung in den Bergen wird gewaltig groß sein. Es wird aber regional große Unterschiede geben. Im Westen Österreichs, in Tirol und Vorarlberg, rechnet man mit einem starken Umsatzrückgang, aufgrund des voraussichtlichen Fehlens der Gäste aus dem Ausland. Hier ist vor allem der Anteil der deutschen Nächtigungsgäste viel höher als in den anderen Bundesländern. Im Osten wiederum rechnen die Hüttenwirte mit einem stark höheren Andrang als sonst, denn die haben hauptsächlich einheimische Gäste – und wenn diese im Sommer nicht ins Ausland auf Urlaub fahren und keine Fernreisen unternehmen können, werden sie sich einen schönen Sommer daheim machen. Und ein schöner Sommer daheim heißt in die Berge gehen.
Und gerade dann haben die Schutzhütten eine ungemein wichtige Funktion in Hinblick auf die Sicherheit in den Bergen. Es ist wichtig, dass Wege und Ziele vorhanden sind. Die Alternative wäre wildes Campieren, etwa auch auf Almenflächen. Es geht bei Hütten um viel mehr, als nur die Leute mit Kaspressknödel zu verköstigen. Aber natürlich wird bei den Menschen auch der Wunsch nach einer Kaspressknödelsuppe wieder groß sein. Nach all dem Social Distancing wird es nichts Schöneres geben, als wieder mal auf einer Hütte zusammenzusitzen und miteinander Karten zu spielen.

Herr Kapelari, vielen Dank für das Gespräch!

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