Die höchste Skischule der Welt: Skitouren im Himalaya
Skifahren in Nepal? Eine Vorstellung, die abseits gesponsorter Expeditionen sehr weit weg scheint. Doch auch die Nepalis wollen Skifahren lernen, nicht zuletzt, um dadurch selbst Skitouren zu guiden und mit der Trendsportart ihren Tourismus auszubauen. Oder ganz einfach, um selber Spaß an der Sache zu haben! Eine Skilehrerin hat sich auf den Weg ins Annapurna Base Camp gemacht, um dort im Rahmen einer lokal organisierten NGO Skifahren zu unterrichten.
Text: Lisa Gotschke
Ashya ist ganz aufgeregt, sagt er. Zum ersten Mal wird er echten Schnee fühlen können und nicht nur auf den die Stadt überragenden weißen Bergspitzen in der Ferne sehen. Ashya ist Nepali, 12 Jahre alt und lebt in Kathmandu. Ashya will Skifahren lernen, im Himalaya. Das ist trotz der vielen Berge hier etwas Besonderes.
Seine Freunde teilen seine Begeisterung fürs Skifahren nicht, sagt er, sie können sich das auch gar nicht vorstellen. Mit ihnen spielt er Fußball und Cricket, aber am liebsten Basketball. „I broke my hand once playing against the seniors“, meint er stolz. „Man, that hurt! But I told my parents that it happened while playing soccer“, damit sie ihm seinen Lieblingssport nicht verbieten.
Ashya Nepal ist auf großer Reise. Das Ziel: den nepalesischen Skitourentourismus auf lokale Beine stellen. Nepal hat seit dem Erdbeben im April 2015 einiges an Tourismus eingebüßt und ist durch den Monsun in seinen tourismusstarken Monaten begrenzt. Um dies zu ändern, wurde vor 2 Jahren eine NGO gegründet, die NSSF (Nepali Ski and Snowboard Foundation). „Hier in Nepal haben wir den Schnee und die Berge, wir müssen nur lernen, wie Skifahren geht“! Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit von ausländischen Skiguides soll nach der Vision der NSSF den zukünftigen Skitourismus in Nepal prägen.
Skifahren in Nepal?
Skifahren lernen als Nepali ist eine Seltenheit. Ein paar der Sherpas, die regelmäßig auf die großen Berge führen, haben durch ihre persönlichen Kontakte zu wohlwollenden Klienten Einladungen in deren Heimatländer und auch zum Skifahren bekommen.
Wir haben das Annapurna Basecamp zu unserem Skilern-Revier auserkoren. Auf dem Weg dorthin erfahren wir, dass sich gerade 10 Sherpas in der Schweiz befinden um dort Skifahren lernen. Toll, dass diese Idee mehrheitlich Anklang und Unterstützung findet. Sherpas, Mountainguides und Trekkingguides sowie Tourismusstudenten befinden sich unter unseren Skilernwilligen.
So ist der Ski-Tourismus eben auch für die Mittelklasse Nepals interessant. Nicht nur die Mountainguides interessieren sich dafür, ihr Berufsfeld durch Skitouren im Angebot zu erweitern, sondern die Anfang Zwanzigjährigen wollen eine Funsportart erlernen. Sie erzählen uns von ihren Studiengängen und ihren Träumen, die hauptsächlich daraus bestehen, aus ihrem Land ein besseres und fortschrittlicheres zu machen. Wir wollen unterstützen, wo wir können.
DER WEG IST DAS ZIEL oder Bistari-Bistari!
In einer der Lodges treffen wir erst ein, als es schon dunkel wird. Wir fragen uns nach dem Guesthouse durch, nachdem wir den Anschluss an die führende Gruppe verloren haben: „Did you see some people with skis like us?“ „This way, this way!“ Echt gutes Erkennungszeichen, die Ski! Wir werden von den Einheimischen oft gefragt, was da über unsere Rucksäcke ragt und was wir damit machen. Neugier schlägt uns entgegen und Bewunderung, diese gilt natürlich vor allem den Einheimischen in unserer Truppe, die ganz stolz von ihrem Vorhaben berichten. Auch wenn ich kein Nepali verstehe, genügen mir die großen Augen der Zuhörer und stolzen Gesten der Erzähler.
Nach vier langen Aufstiegstagen, in denen wir zwei Teilnehmer aufgrund von Höhenanpassungsbeschwerden zurückschicken mussten, gibt es die ersten Skistunden. Die Nepalis lernen schnell, jedoch ist das Skifahren in so großer Höhe schon eine ordentliche Anstrengung – das ABC liegt auf 4.200 Metern. Wir regen zur Gemächlichkeit an: „Bistari“ bedeutet langsam. Jeden Abend machen wir es uns zur Pflicht, alle zu fragen ob es ihnen gutgeht oder sie irgendwelche körperlichen Beschwerden haben. Da ihnen das Skifahren so viel Freude macht, hören wir auch nicht immer die Wahrheit, wie Brechgeräusche auf den Klos nachts belegen.
Skistock gesucht
Während wir 30 Paar Ski mit auf den Berg geschleppt hatten, gab es leider nicht genug Skischuhe in der passenden Größe für alle. Wir bildeten Paare, die sich die Ausrüstung teilen mussten. Ein Teilnehmer bemerkte zum Schluss, dass nicht alle soviel üben konnten, wie sie gewollt hätten, weil Ski und Skischuhe in Größe 40 begrenzt vorhanden waren. Zum Abschied schenkte ich ihm dafür meine Skischuhe, damit die Familie üben konnte. Den anderen Tag hatte ich bereits mit seiner Schwester Schuhe getauscht: Sie fuhr meine Ski und ich stand in Socken auf einem Felsen und gab Anweisungen an die Anfänger.
Skistöcke waren auch nicht genug vorhanden, auf diese gab es immer einen morgendlichen Run, und eh man sich versah, hatte man selber keine mehr.
Beim Skiunterricht gab es natürlich begabte Schüler, wie auch etwas schwierigere Kandidaten. So brachte uns Kender, ein Ausbilder des Militärs, schier zum Verzweifeln mit seinen krampfhaften Brems-Versuchen. Das kontinuierliche Nach-Außen-Drücken der Fersen wollte ihm über zwei ganze Tage nicht gelingen. Wir wussten, dass er sein neu erworbenes Können auch innerhalb des Militärs weitergeben sollte, also gaben wir alles: Zum Schluss gewann er das Anfängerrennen und riss bei der abendlichen Siegerehrung voller Stolz die Arme hoch und strahlte sein wunderbares Lächeln.
Unglaublich, mit welchem Durchhaltevermögen und welcher Willenskraft die Anfänger immer wieder bergauf stapften: Lifte gibt es hier ja nicht! Auch das seitlich aufsteigen und der Hahnentritt mussten erst erlernt werden. Unter solchen Bedingungen könnte man wahrscheinlich niemanden in Europa fürs Skifahren begeistern.
Währenddessen gingen die Fortgeschrittenen jeden Tag ein paar kurze Skitouren. Dazu unterrichteten wir auch täglich Lawinenkunde und übten mit den LVS-Geräten. Das finale Skitourenrennen war ein Augenschmauß und trainierte vor allem die Lachmuskeln der Zuschauer.
Fazit: Skitouren in Nepal
Für die Skifahrer ein tolles Erlebnis, das schon allein aufgrund der Höhe einiges an Kraft fordert, den Skilehrern jedoch so viel zurückgibt. Das Eintauchen in die sich stetig wandelnde Gesellschaft, in dem man die Teilnehmer über einen längeren Zeitraum wirklich kennenlernt und die Möglichkeit, sie bei dem Verfolgen ihrer Träume unterstützen zu können, machten diese Reise zu etwas ganz besonderem.
Und da die Skisaison nun sowieso dem Ende zugeht und der Sale in allen Sportgeschäften die Preise purzeln lässt, gibt es eine gute Gelegenheit, seine gebrauchte Ausrüstung den Nepalis zur Verfügung zu stellen, damit sie noch schneller lernen.
Get involved! Ski-Entwicklungshilfe in Nepal
Du findest das Projekt sinnvoll und möchtest die Nepalis beim Skifahren lernen unterstützen? Spende hier deine alten Ski- und Snowboardsachen oder LVS-Geräte! Damit kannst du einen wertvollen Beitrag leisten, den Skitourismus in Nepal zu unterstützen.
Mehr Informationen zu dem Projekt & Skitouren in Nepal
- Website der Ski & Snowboard Foundation Nepal
- Das Projekt auf Red Bull Amaphiko unterstützen
FACTCHECK: HÖHENANPASSUNG
- Go high, sleep low
- Ab 3.000 Metern idealerweise nicht mehr als 300 HM höherer Schlafplatz als die Nacht zuvor
- Mindestens 3 Liter pro Tag trinken
- Langsam aufsteigen
- Auf körperliche Beschwerden sofort reagieren und fortwährend beobachten
- Bei anhaltenden Kopfschmerzen oder Atembeschwerden/Ziehen im Brustbereich umgehender Abstieg (mind. 500 m tiefer)
Höhenkrankheit in den Alpen
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