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Reise

Georgien: Bakhmaro – Ein Powderparadies im Kleinen Kaukasus

21. Januar 2019
5 Min. Lesezeit
von Florian Birnkammer

Bakhmaro im Kleinen Kaukasus ist im Sommer ein beliebter Luftkurort der Georgier. Im Winter stehen die Hütten leer und die Birkenwälder sind tief verschneit. Für unseren Autor Florian Birnkammer genau die richtige Zeit, um sich auf die Suche nach einem besonderen Powderparadies zu machen.

Der Raum ist düster, nur erhellt vom prasselnden Feuer im Ofen, das die Kälte zurück in die klare Winternacht drückt. Die Jagd war erfolgreich heute, von der Decke hängen die Felle zum Trocknen. Das Aroma von Rauch und Abenteuer liegt dick in der Luft. Zwei Männer umkreisen sich, die Blicke lauernd ineinander verkeilt.

Dann der erste Schritt, die Panduri trägt rhythmisch eine vielstimmige Melodie durch den Raum. Die Männer wirbeln elegant über die groben Holzdielen. Der georgische Tanz ist vor allem Männersache – wilde Leidenschaft und perfekte Körperbeherrschung.

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Aslan und Dobo winken uns aufmunternd zu, wir wollten es ja so. Wir hopsen unbeholfen in bunten Funktionshosen durch den Aufenthaltsraum, unsere Gastgeber lachen mit und vermutlich auch über uns. Aber der Reihe nach...

Kleinod im Kleinen Kaukasus

Es ist Ende Januar, in den Alpen gibt es wenig Schnee, dafür Lawinen, Staus und Hütten-Halligalli. Zeit für was Neues, zum Beispiel Freeriden an einem Ort, an dem es Schnee, Natur und nur wenige Menschen gibt. Wir besuchen den „Powderpionier“ Ingo Schlutius im georgischen Hinterland. Ingo ist eine Mischung aus Tourismusfachmann und Skibum. Früher hat er Jugendreisen begleitet, heute arbeitet er bei einem Touristikriesen in der Schweiz. Einige Winter hat er als staatlich geprüfter Skilehrer am Arlberg verbracht und will sich nun in Georgien den Traum vom eigenen Catskiing-Revier erfüllen.

Georgien liegt zwar in Vorderasien, ist jedoch nur knapp vier Flugstunden von Deutschland oder Österreich entfernt. Das Land hat in etwa die Fläche von Bayern, diese besteht jedoch zu gut 80 Prozent aus Gebirge: Im Norden liegt der Große Kaukasus, im Süden erstrecken sich die Ausläufer des Kleinen Kaukasus und das Armenische Hochland.

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Stolzes Land, wenig erschlossen

Ein Land mit turbulenter Geschichte – stolz und unabhängig – mit eigener Sprache, eigener Schrift und eigener Kultur. Georgien ist besonders im Winter alpin noch wenig erschlossen. An den Flughäfen in Kutaissi oder Tiflis wird man als Reisender mit Skigepäck daher noch neugierig beäugt und die Mitnahme von Lawinenrucksäcken führt bisweilen zu längeren Diskussionen mit dem Sicherheitspersonal.

Bakhmaro und Umgebung

Die Teilnehmer für unseren Trip sind schnell zusammengetrommelt und wir landen nach kurzweiligem Flug ab Memmingen spätabends in Kutaissi. Die Fahrt im Kleinbus von Kutaissi nach Bakhmaro führt zunächst in eineinhalb Stunden nach Chokhatauri, den letzten größeren Ort mit richtiger Infrastruktur und Krankenhaus. Von dort geht es nochmals eine gute Stunde bergauf, am Straßenrand türmen sich meterhohe Schneewände. Der klapprige Kleinbus wühlt sich tapfer durch die Winterlandschaft. Ab und an steht ein Esel am Straßenrand. Dann ist die Straße zu Ende und wir blicken in die gleißenden Scheinwerfer unseres nächsten Transportmittels. Die letzten knapp tausend Höhenmeter geht es in der Pistenraupe zu unserem Ziel.

Zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer

Bakhmaro liegt in der Region Gurien, im Westen Georgiens. Bei gutem Wetter sieht man von der Passhöhe (2.050 m) aus im Norden den Großen Kaukasus und im Westen das Schwarze Meer. In der kurzen Sommersaison im Juli und August ist Bakhmaro ein unter Georgiern beliebter Luftkurort. Hunderte einfache Holzhütten säumen die Hügel rund um den Ort und dienen ihren Bewohnen als Ausgangspunkt für ausgedehnte Bergwanderungen und gesellige Abende. Im Winter sind die Hütten unbewohnt. Strom und fließendes Wasser sind hier oben in der kalten Jahreszeit Luxus, die entsprechende Infrastruktur musste provisorisch geschaffen werden. Bislang hat noch niemand im Winter mehrere Tage geschweige denn Wochen am Stück in Bakhmaro verbracht.

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Wir sind müde von der Anreise, aber der knisternde Bollerofen und der herzliche Empfang durch unsere Gastgeber wärmen von innen und außen. Nach einem kurzen Snack geht es in die Kojen. Am nächsten Morgen starten wir bei blauem Himmel und 30 cm Neuschnee auf einer bereits recht ansehnlichen Schneedecke in eine Woche, die in eine Spezialvitrine im Museum der großen Skierlebnisse gehört. Auf den Hütten liegen Schneehauben, so dick wie überdimensionierte Daunenkissen. Der Blick schweift über Gipfel und Hänge, die großteils noch niemand mit Skiern befahren hat. Und wir sind völlig allein im Paradies, fernab von der Zivilisation.

Powdern fernab der Zivilisation

Unser Jagdrevier liegt zwischen 1.900 und 2.600 m, die höheren Gipfel ringsum sind aufgrund der Schneemenge nicht zu erreichen. Wozu auch, liegt doch ein mehrere Hektar großer Spielplatz direkt vor der Haustür. Wir starten mit Tree Runs in den lichten Nadelwäldern. Bergführer Michael checkt Gelände und Schnee und ist zufrieden. Viel Neuschnee, aber gut gesetzt und im Wald bereitet der allgegenwärtige Wind wenig Probleme. Allen ist bewusst, dass die Gruppe im Fall des Falles auf sich allein gestellt ist. Kameradenrettung ist hier draußen die einzige Chance – die Grenzen der Komfortzone.

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Powdern in Georgien

Die nächsten Tage reihen wir Abfahrt an Abfahrt, teils mit Unterstützung durch Pistenraupe oder Skidoos, teils aus eigener Kraft mit kurzen Aufstiegen und langen Abfahrten in die Nebentäler. Der pulvertrockene Schnee staubt im Gesicht, mit jedem Schwung taucht man ein in die kühle Gischt, taucht auf und wieder ein, ein ewiger Tanz jenseits der Schwerkraft.

Wir fliegen durch lichte Buchen- und Birkenwälder, powdern über Schneekissen, die wie riesige Marshmallows zwischen den Tannen liegen. Wir sammeln einige Erstbefahrungen und dürfen diese taufen – „Melania Bavaria“, „Schwammerlsucher“ und „Big in Japan“ werden uns in Erinnerung bleiben.

Es schneit fast jede Nacht. Wenn wir einmal eine Abfahrt wiederholen, sind die Spuren vom Vortag schon nicht mehr zu sehen. Wozu nach Japan reisen, wenn das Gute liegt so nah? Bakhmaro ist All You Can Eat für Powdersüchtige – und wir sind nimmersatt.

Hüttenleben

Apropos Essen – die georgische Küche galt früher als die Haute Cuisine der sowjetischen Küche: Raffinierte Gerichte, große regionale Abwechslung und liebevolle Zubereitung nach jahrhundertealten Rezepten. Bacho und seine Küchencrew verwöhnen uns jeden Abend mit georgischen Spezialitäten. Beliebt sind seine Teigtaschen mit Hackfleischfüllung (Chinkali), feine Soßen und gebackenes Käsebrot (Chachapuri). Dazu gibt es gute Weine und Chacha, einen beliebten Tresterbrand.

An Orten wie Bakhmaro trifft man besondere Menschen. Hierher kommen diejenigen, die vor der Enge des Alltäglichen fliehen. Diejenigen, denen das Skifahren Antrieb ist, anstatt nur Ausgleich. Bakhmaro ist kein Urlaub. Bakhmaro ist eine Wallfahrt, mit allem was dazu gehört – Entbehrungen, Erkenntnissen und vielleicht auch ein wenig Erleuchtung.

Was wir nicht vergessen werden: Das Gefühl von Schwerelosigkeit beim Powdern. Rachuli tanzen mit unseren georgischen Gastgebern. Wodka trinken im selbstgebauten Iglu. Unsere Gastgeber, die unermüdlich für unser Wohl gesorgt haben. Dinge, die wichtig sind – gutes Essen, Natur und Gemeinschaft.

In diesem Sinn: Madloba, Georgien! Wir kommen sicher wieder, ins Powderparadies im Kleinen Kaukasus.

Infos und Adressen: Bakhmaro, Georgien

Georgien Karte
Foto: Wikipedia
Georgien Karte

Lage: Bakhmaro liegt auf circa 1.900 m in der Region Gurien im Kleinen Kaukasus, rund 50 km Luftlinie von der Schwarzmeerküste und gut 110 km per Auto vom Flughafen Kutaissi entfernt.

Beste Reisezeit: Dezember bis März, besonders empfehlenswert ist aufgrund der höheren Schneesicherheit und –qualität Mitte Januar bis Ende Februar.

Anreise: Mit dem Flugzeug (z.B. Wizz Air ab Dortmund oder Memmingen) nach Kutaissi in ca. 4 Stunden, dann Transfer per Kleinbus und Pistenraupe in ca. 4 Stunden. Der Pass nach Bakhmaro ist in den Wintermonaten meist nur per Pistenraupe befahrbar. Anfragen über den Veranstalter. Achtung: Der Transport von Kartuschen und Auslöseeinheiten von ABS, Ortovox, Mammut und anderen pyrotechnischen Systemen wird vom Sicherheitsdienst am Flughafen Kutaissi gelegentlich verweigert. Der Veranstalter bietet auf Anfrage Leihkartuschen für gängige Systeme.

Unterkunft: Übernachtet werden kann in einfachen Holzhäusern des Veranstalters Powderproject. Ein warmer Schlafsack wird empfohlen. Alle übrigen Unterkünfte sind im Winter in der Regel geschlossen.

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