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Wintertouren

Der Weißensee - die größte Natureisfläche Europas

• 22. November 2021
4 Min. Lesezeit

Wo vor 30 Jahren James Bond die Welt rettete, ziehen heute Eisläufer und Langläufer ihre Runden. Willkommen am Weißensee in Kärnten, der größten präparierten Natureisfläche Europas.

Wolfgang Gemünd für das Bergwelten-Magazin Februar/März 2017

Als James Bond 1987 wieder einmal die Menschheit retten musste, war ihm ein bis dahin eher unbekannter Kärntner See besonders dankbar. Der Weißensee hatte damals die Ehre, für „Der Hauch des Todes“ als winterliche Kulisse zu dienen.

Wie 007 alias Timothy Dalton mit seinem Aston Martin auf dem zugefrorenen See die Verfolger narrte, kam besonders bei den Holländern gut an, einem Volk, das es liebt, pfeilschnell übers Eis zu gleiten. „So ein schöner See mit einer so herrlichen Eisfläche!“, wunderten sich die Organisatoren der „11-Städte-Tour“, eines Marathon-Eislaufrennens, das traditionell auf den Kanälen Frieslands stattfand.

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Schon 1989 fand schließlich die erste „Alternative 11-Städte-Tour“ auf dem Weißensee im Osten der Gailtaler Alpen statt. Zunächst mit nur 200 Teilnehmern, inzwischen sind es über 4.000 Eisschnellläufer, die hier jedes Jahr Ende Jänner ihre Runden ziehen.

Das Rennen, das 2017 zum 29. Mal stattfindet, gilt als größte Eislaufveranstaltung der Welt und der See selbst mit seinen bis zu 25 km langen Eislaufbahnen als Mekka des Eislaufsports. Vor dem Eislaufboom war der Weißensee eher als Sommerdestination bekannt.

Er ist – auf 930 Metern – der höchstgelegene der großen Kärntner Badeseen, der unberührteste und der von den Temperaturen erfrischendste. Sein Ufer ist nur zu einem Drittel bebaut, vor allem der Ostteil erinnert an einen ruhigen Fjord.

Im Gegensatz zu anderen Kärntner Seen hatte der Tourismus trotz der landschaftlichen Anmut nicht massiv zum Weißensee gefunden. Das lag einerseits an der isolierten Lage – die Zufahrten zum Weißensee sind allesamt Sackgassen; eine geplante Durchzugsstraße konnte nie durchgesetzt werden, worüber die Menschen in den 1970er-Jahren alles andere als glücklich waren.

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Der Profi zieht sich seine Schuhe an
Foto: Philip Platzer
Meister hoch zwei: Hannes Müller, Haubenkoch und Staatsmeister im Eisschnelllauf.

Andererseits pflegt man am Weißensee einen eher bedächtigen Zugang zu hippen Neuerungen. Immerhin gab es Versuche, die Region wintertouristisch zu erschließen. Am Südufer wurde ein kleines Skigebiet errichtet, und Langlaufloipen durchziehen schon seit vierzig Jahren das Tal.

Trotzdem hinterließ die Gegend bis Anfang der 1990erJahre winters einen sehr verschlafenen Eindruck. Wachgeküsst wurde sie schließlich von den Holländern. Heute gesellen sich zu den Gästen aus den Niederlanden immer mehr Einheimsche, die sich auch am Eis versuchen.

Davon profitieren die Skilifte und Loipen – der Weißensee hat sich zu einem kleinen, feinen Wintersportgebiet entwickelt. In der Region setzt man schlau auf Vielfalt: Neben Eis-, Ski- und Langlauf sind hier auch ausgiebige Winterwanderungen, Rodelpartien, Schneeschuhwanderungen, Eistauchen und Fahrten mit dem Pferdeschlitten möglich.

Viele Gäste fahren beispielsweise vormittags mit den Langlaufskiern über den See zu den Loipen am Südufer, um dann am Nachmittag an den Liften die vertikale Fortbewegung zu betreiben. Schneeschuhwanderungen um die  Naggler Alm mit abschließender Rodelfahrt ins Tal sind auch sehr beliebt.

Das große Angebot an Sportarten hatte auch Einfluss auf die Einheimischen. „Für nur 800 Einwohner haben wir ungewöhnlich viel Sportvereine“, sagt Hannes Zeichen. Der 41-Jährige zählt landesweit zu den besten Langläufern auf der Langdistanz, seine Spezialität sind Volksläufe wie Wasalauf und Dolomitenlauf.

Auch beliebt

Sein Vater war es, der Mitte der 1970erJahre mit einem selbst gebastelten Spurgerät die ersten Loipen am Weißensee anlegte. „Das war damals recht couragiert“, erzählt Hannes. „Man war als Sportler ein Außenseiter. Es galt der Spruch:

Wer Sport macht, hat keine Arbeit.“ Heute lernt jedes Kind am Weißensee eislaufen, Ski fahren, langlaufen und dank der Pferdezucht-Tradition auch voltigieren. Die Gegend gilt geradezu als Talentepool. Ein neben Hannes Zeichen weiterer erfolgreicher Sportler vom Weißensee ist Hannes Müller.

Schneeschuhwandern am Weißensee
Foto: Philip Platzer
Schöner kann Winter kaum sein. In der Nacht hat es geschneit, auf dem Weg zur „Alm hinterm Brunn“ öffnen sich prächtige Aussichten zum Weißensee.
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Im direkt am Seeufer gelegenen Hotel der Eltern aufgewachsen, erlebte der Techendorfer in den 1990erJahren den Eislaufboom hautnah mit, lernte von den Gästen aus dem Norden, trainierte mit ihnen und wurde schließlich  zweimal österreichischer Staatsmeister im Eisschnelllauf über die Marathondistanz. Seit zehn Jahren kümmert er sich aber vermehrt um das Hotel, das er von seinen Eltern übernommen hat.

Forelle mit zwei Hauben

Auch in diesem Metier ist er sehr erfolgreich: Die „Forelle“ gilt als Vorzeigebetrieb, und zwar nicht nur, weil die von Hannes Müller geführte Küche seit Jahren von Gault & Millau mit zwei Hauben dekoriert wird, sondern vor allem deshalb, weil der Betrieb wie kaum ein anderer von den Prinzipien der Nachhaltigkeit und Regionalität geprägt wird.

„Alles jederzeit zu bekommen hat viel kaputt gemacht“, meint Hannes Müller und versucht deshalb, in der Küche mit jenen Produkten auszukommen, die Region und Saison hergeben. Was aber kein Problem ist, da mit dem See und den vielen Biobetrieben kein Mangel an hochwertigen Lebensmitteln herrscht.

Geheizt wird mit Hackschnitzeln aus dem eigenen Wald; der Strom für die Küche und für das Elektroauto kommen von der eigenen Photovoltaikanlage; und wenn die Sonne weg ist, wird in der Küche am Holzherd gekocht. Mit seinem behutsamen Umgang mit Ressourcen befindet sich Hannes Müller in guter Gesellschaft.

Langlaufen am Weißensee
Foto: Philip Platzer
Auf der Überholspur: Hannes Zeichen gehört zu den besten Volksläufern Österreichs.

Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist die Gemeinschaftsalm der Naggler Bauern. Die Alm wird von Wirtin Almut Knaller als Biobetrieb geführt und ist auch im Slow-Food-Guide gelistet. Almut kennt alle Biobauern der Umgebung persönlich – nicht nur, weil sie die Lebensmittel für den Almbetrieb von ihnen bezieht, sondern auch weil sie als  Tourismusobfrau den nachhaltigen Zugang weiter fördern möchte.

Schon vor langem wurde eine Kanalisation errichtet, die den See vor Abwässern schützt; der gesamte See und seine Umgebung wurden zum Naturpark erklärt; und Bauland wurde in Grünland rückgewidmet.

„Aber der Grundstein zu allem war die abgeschiedene Lage des Sees und dass Anfang der 1970er-Jahre die geplante Durchzugsstraße nicht gebaut wurde“, erzählt Almut. Ein feines Beispiel dafür, dass manchmal Dinge, die in der Vergangenheit als größtes Unglück angesehen wurden, heute das größte Glück bedeuten können.

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