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Foto: Bernhard Fiedler
Klettern im Salzkammergut

Der Plombergstein

• 13. September 2021
5 Min. Lesezeit

Wandern, klettern und danach am Strand entspannen: Dieser Wohlfühl-Triathlon geht sich am Plombergstein am Wolfgangsee locker an einem Tag aus.

Florian Scheimpflug für das Bergweltenmagazin Oktober/November 2019

Ein sonniger Samstag, neun Uhr. Im Minutentakt biegen Autos von der Wolfgangsee Straße auf den Parkplatz gegenüber vom Restaurant Mühlradl ein. Türen gehen auf, ein Stimmengewirr hebt an. Läutende Handys und das Klimpern von Karabinern am Asphalt flechten sich in den Geräuschteppich.

An den Plombergstein zieht es viele, so richtig voll wird es aber selten. Der Grund ist einfach: Die Ziele sind so zahlreich wie die Arten und Weisen, sie zu erreichen. Man könnte fast sagen, dass am Plombergstein alles möglich ist. Zwei Senioren mit neonfarbenen Nordic-Walking-Stöcken wollen vom Gipfel „die Aussicht über den See genießen und auf einen Fisch ins Fürberg“.

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Ein bereits am Parkplatz behelmtes Duo mit Seil um die Schultern und kiloweise Klemmkeilen am Gurt möchte „schnell mal die Kletterroute ‚Juniperus‘ machen“. Und der junge Mann mit den breiten Schultern und dünnen Beinen, der sich mit Schmirgelpapier die Haut von den Fingern schleift, murmelt etwas von „Projekt abknipsen“.

Livia und Owen, beide Jahrgang 2006, haben ihr Können im Leistungszentrum Delta in Vöcklabruck erworben. Sie gehören zu den Jüngsten am Parkplatz, wissen aber, was sie am Plombergstein wollen: „die 5+ im Alpenvereins-Klettergarten“.

Die steile Wand im Bild ist eine der schwersten Routen am Plombergstein
Foto: Bernhard Fiedler
Der Frankenburger Dieter Brandstätter geht den „Leichten Riss“ am „Kriegerdenkmal“, wo sich einige der schwierigsten Linien des Plombergsteins finden.

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Der ertrunkene Wald

Einen Kilometer weiter gleitet Bernhard Ebner mit seinem Boot lautlos über die Wipfel des „Ertrunkenen Waldes“. Das Wasser ist durchsichtig wie Glas. Vor knapp hundert Jahren donnerte im Zuge eines gewaltigen Felssturzes am nahen Plombergstein ein ganzer Wald ins Wasser und formte das Biotop.

Wie Mikadostäbe sind die Stämme zu seinen Füßen ineinander verkeilt und schaffen ein Dickicht, in dem sich alles tummelt, was im Wolfgangsee Kiemen und Flossen hat: Seesaiblinge, Hechte, Forellen und vor allem die Reinanke, der wirtschaftlich bedeutendste Fisch des Sees.

Als Inhaber des Traditionsgasthofs Fürberg ist Bernhard Ebner dafür verantwortlich, dass täglich „fangfrischer Fisch“ nicht nur auf der Karte steht, sondern auch tatsächlich in die Küche kommt. Und an dieser Stelle, die bei den Einheimischen als „Orutsch“ bekannt ist, stehen seine Chancen am besten.

Alle Wege führen nach Rom, auf den Plombergstein höchstens zwei: der eine links, der andere rechts herum. Oder, um es mit den gebräuchlichen Flurnamen zu sagen: über Pöllach oder den Obenauweg. Livia und Owen fällt die Entscheidung leicht: „Wir gehen durch die Klüfte!“

Also über Obenau. Das ist zwar der längere Weg zum Klettergarten, dafür bekommt man es mit dem Teufel zu tun: Unweit des Waldrandes windet sich der Weg durch ein Konglomerat haushoher Felsbrocken, die „Steinklüfte“, und der „Teufelsblock“ ist einer von ihnen.

Das Gasthaus Fürberg liegt direkt am Seeufer des Wolfgangsees
Foto: Bernhard Fiedler
Das Gasthaus Fürberg liegt direkt am Wolfgangsee. Bernhard Ebner, dessen Inhaber und Fischer, fährt persönlich mit dem Boot aus, damit die Reinanken frisch auf den Teller kommen.

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Wie den „Ertrunkenen Wald“ hat auch sie der Plombergstein einst von sich geschüttelt und so ein bizarres Labyrinth geformt, in dessen engen Durchschlüpfen und Höhlen es auch an warmen Sommertagen kühl bleibt. Nicht nur geologisch, sondern auch historisch interessant: Während der Franzosenkriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts dienten die Klüfte der Bevölkerung von Sankt Gilgen als sicheres Versteck für Wertgegenstände.

Von den Steinklüften zum Wandfuß sind es ein paar Höhenmeter, doch diesen Katzensprung sollte man unbedingt  tun, um Bekanntschaft mit einer der abweisendsten Seiten des Plombergsteins zu machen. Im Sektor „Kriegerdenkmal“ türmt sich ein Bollwerk aus überhängendem Kalk bis über Baumkronen.

„Schau, da klebt ja Kletterkreide“, deutet Livia, die schon einige Stockerlplätze in Oberösterreich erklettert hat, erstaunt auf weiße Flecken in der Wandmitte. Auf den ersten Blick mag es unmöglich scheinen, doch auch hier gibt es Routen.

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Vorausgesetzt, man kann sich an Griffen festhalten, die so breit wie eine Euromünze sind. Fast dreißig Linien vom achten bis zum zehnten Grad warten am Kriegerdenkmal auf eisenfingrige Aspiranten. Die schwierigsten kratzen am elften Grad und gehen auf das Konto des Salzburger Ausnahmeathleten Klem Loskot: Mit seinen High-End-Routen beeinflusste er das Sportklettern um die Jahrtausendwende maßgeblich. 

Auch international war Klem eine große Nummer: 2001 kürte ihn das US-Magazin „Rock & Ice“ zum „Sportsclimber of the Year“, eine Art Oscar des Kletterns. Im weiter oben gelegenen Sektor „Balkon“ gelang Klem 2012 im Alter von 38 Jahren eine seiner schwierigsten Touren. 

Die bislang nur vom Mondseer Markus Eder wiederholte „Rehabilitation“ bewegt sich im oberen elften Grad. Man könnte noch länger über Unmöglichkeiten wie diese staunen, doch Livia und Owen sind schon etwas ungeduldig: „Gehen wir weiter? Wir wollen endlich selber klettern!“

Livia klettert konzentriert ihre Route
Foto: Bernhard Fiedler
Im Klettergarten gibt es genug Linien für Einsteiger, aber auch Anspruchsvolleres für junge Wettkampf-Kletterer wie Owen und Livia (im Bild).

Junge Meister

Dafür braucht man bloß entlang des Rundweges am Wandfuß in südlicher Richtung spazieren, und schon ist man im Klettergarten. Ebenes Gelände zum Sichern, kurze Routen bis zum dritten Grad, hervorragende Absicherung – so sieht das perfekte Setup für Kletteranfänger und felsmotivierte Familien aus.

Deshalb herrscht hier an Wochenenden öfter mal Hochbetrieb. Der Routenraster ist aber großzügig angelegt, deshalb findet hier jeder seinen Platz zum Klettern. Der Klettergarten am Plombergstein ist nicht nur ein Paradies für Neulinge: Für Owen, Österreichischer Meister im Bouldern der U12-Kategorie im Jahr 2017 und zuletzt auch in den Kategorien Speed und Vorstieg ein Medaillenkandidat, sind die bis zu 30 Meter langen Routen ideal zum Trainieren: Der Fels ist mit Henkelgriffen und Sanduhren übersät.

Freunde von Mehrseillängen-Routen finden in dem südostwärts ausgerichteten Wandbereich Touren, von denen einige am oberen Ende des sechsten Grades angesiedelt sind. Davon sollte man sich aber nicht einschüchtern lassen. Wer zumindest den Grad 4+ klettern kann, schafft es dank guter Absicherung in allen Routen bis zum Ausstieg.

Doch in welche der zehn Routen soll man jetzt einsteigen? Trotz „Flipperl“ (5/5+), „Äskulap“ (4+) oder „Roberto“ (4+/5–) gibt es nur eine Antwort: „Juniperus“ (5–). Der 230 Meter lange Klassiker bietet interessante Kletterstellen, bombenfesten Fels und perfekte Absicherung.

Möchte man hohe Schwierigkeiten mit Luft unter den Sohlen kombinieren? Dann ist die Ostwand des Plombergsteins die richtige Antwort. An dem kompakt aus dem Wald ragenden Plattenpanzer befinden sich mit „Zipfer Urtyp“ und „Oscar“ zwei der schwierigsten Mehrseillängen-Routen im gesamten Salzkammergut (jeweils 7c+). Trifft man in anderen Routen immer wieder auf Pflanzen, so ist es in der stark überhängenden Wand selbst den Grashalmen zu steil.

Der junge Kletterer Owen klettert konzentriert an einer steilen Felswand empor
Foto: Bernhard Fiedler
Owen klettert konzentriert den Fels hoch.

Erweitertes Hoheitsgebiet

Der Plombergstein ist ein echter Allrounder. Felswände findet man hier in allen Expositionen, Neigungen und Schwierigkeitsgraden.  Und selbst wenn einmal die Witterung zum Schlechten umschlägt, muss man den Tag nicht ad acta legen. Am Plombergstein geht immer irgendwas, da der Wechsel von einem Sektor in den nächsten nur wenige Minuten beansprucht.

Unter den Überhängen an der Westseite kann einem selbst der berüchtigte Salzburger Schnürlregen nichts anhaben. Eine stabile Hochdruckwetterlage abzuwarten ist für einen Tag am Plombergstein dennoch sehr zu empfehlen – vor allem weil man bei gutem Wetter die Möglichkeit hat, auch dessen erweitertes Hoheitsgebiet kennenzulernen. Schließlich befinden sich beim nahen Wolfgangsee die wahren Genusssektoren des Plombergsteins: das Waldbad „Fürberg“ und vor allem auch das dazugehörige Gasthaus.

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