Ausflug zum Lunzer Bergsee in Niederösterreich
Der einzige Bergsee Niederösterreichs in drei Etagen: wo der Rasen unter den Fußsohlen schwingt und die glatte Oberfläche sanfte Klänge übers Wasser trägt.
Wolfgang Gemünd für das Bergweltenmagazin März 2018
Der Lunzer See an einem heißen Sommertag. Wie das kurz geschnittene Gras die Sohlen kitzelt. Wie der erste Schritt ins Wasser einen angenehm erschaudern lässt: Huh! Kalt! Wie mit jedem Schritt das Wasser an den Beinen emporsteigt, und die Ganslhaut wächst und die Sinne sich schärfen. Man hört das leise Plätschern und Murmeln der Wellen, sieht das tanzende Sonnenlicht auf der Wasseroberfläche und riecht den vom warmen Sommerwind herangetragenen Duft der gemähten Wiese.
Dann aber endlich folgt der finale Köpfler ins prickelnd aufschäumende Wasser, hinunter zu den Flossenträgern, die fassungslos davonstieben. Der tief im alpinen Süden des Mostviertels liegende Lunzer See ist einer der wenigen natürlichen Bergseen Niederösterreichs. Na ja, eigentlich ist er der einzige, weil nämlich der andere – der Erlaufsee – zur Hälfte in der Steiermark liegt.
Und vielleicht, weil er sich dieser Bürde bewusst ist, müht sich der Lunzer See nach Kräften, sich in pittoresker Schönheit zu präsentieren: smaragdgrünes Wasser, rundherum tiefgrüne Hügel, etwas darüber graublaue Felsen und ein paar Gipfel, die in der Morgensonne orangerot aufleuchten. Ein feines Platzerl, um mit der Familie der Hitze der Stadt zu entfliehen und für ein Wochenende in ein Sommerfrische-Idyll einzutauchen.
1. Tag
16:00 Die Begrüßungsrunde
Bei dem Waldreichtum der Gegend fast unvorstellbar, aber man muss sich das Gebiet um den Lunzer See vor rund 150 Jahren beinahe baumlos vorstellen. 1832 ließ Andreas Töpper, der größte Privatunternehmer der Habsburgermonarchie, im
Ortsteil Kasten ein Eisenwalzwerk errichten, was gut für die lokale Wirtschaft war, aber schlecht für den Wald, denn so eine Fabrik brauchte Unmengen von Holzkohle. Heute erinnert nur die mit vergoldeten Heiligenfiguren geschmückte Töpper-Brücke, die sich über die Ybbs spannt, an die industrielle Vergangenheit des Ortes.
Der Wald selbst eroberte bald die Hügel rund um den See zurück, und das war gut so, denn Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte der Sommertourismus die malerische Gegend. Die prächtigen Villen des einst hier urlaubenden Großbürgertums schmücken noch heute das westliche Ufer des Sees. Hier ist auch der Wassercluster Lunz heimisch, der seit über hundert Jahren die Ökologie der Binnengewässer erforscht.
Weite Teile des Ufers sind aber unbebaut, wie der zweieinhalbstündige Spaziergang am Seeuferweg zeigt. Ohne Kinder geht sich der Rundweg auch in eineinhalb Stunden aus, aber ohne Schwänefüttern, Eichkatzerlschauen und immer wieder aufflammende Pockerlschlachten ist eine Seerunde mit Nachwuchs undenkbar.
19:00 Abendessen mit Aussicht
Wie idyllisch sich der Lunzer See in die Ybbstaler Alpen kuschelt, sieht man vom Hausberg aus, dem Maiszinken. Scheiblingstein, Hetzkogel und Seekopf rahmen den See ein, und im Osten grüßen der Ötscher, im Süden der Dürrenstein und im Westen das Hochkar.
Der Maiszinken ist auch ein feiner Ort, um sich zu laben. Im Almgasthaus Rehberg – gleich neben dem Skihang, wo jetzt das Vieh in grüner Kuhglockenidylle grast – kocht nämlich Johannes Dallhammer, bodenständig, aber mit feiner Klinge. Besser, man gewährt dem Nachwuchs Nachschlag und Nachtisch, weil er morgen frische Kräfte braucht.
2. Tag
9:00 Drei-Seen-Tour
Man spricht vom Lunzer See, müsste aber von den Lunzer Seen reden – der See hat nämlich drei Stockwerke, die sich auf einer Wanderung entdecken lassen. Die Drei-Seen-Tour führt vom Lunzer See zum Mittersee und anschließend zum zwischen Felsen und Almen gelegenen Obersee.
Der Obersee ist von schwimmenden Torfmoosbeständen gesäumt, die mattenartig miteinander verfilzt sind und beim Begehen schwingen – man nennt die Erscheinung deshalb auch „Schwingrasen“.
Gespeist werden die drei Seen vom – wie könnte er anders heißen? – Seebach, der mehrmals unter dem Fels verschwindet, um hin und wieder als rauschendes Bächlein, Wasserfall (sehr romantisch: der Ludwigsfall am Mittersee) oder eben als See wieder an der Oberfläche aufzutauchen. Manchmal lässt sich der Seebach auch nur akustisch verfolgen, etwa beim „Brüllenden Stier“, einer kleinen Höhle, in der man das Rauschen eines unterirdischen Wasserfalls hören kann.
15:00 Über und auf dem See
Das Restaurant Seeterrasse ist der touristische Hotspot in Lunz. Wie man hier auf Holzdielen über dem See sitzen und aufs Wasser schauen kann, wo sich viele bunte Booterln tummeln, das hat schon viel vom Sommerfrische-Flair vergangener Tage.
„Früher hat bei uns fast jedes Haus Zimmer vermietet“, erzählt Tourismusobmann Hans Mayr, „und die Gäste blieben drei, vier Wochen in Lunz!“ Kurzurlauber gab es aber auch schon damals. Peter Alexander kam in den 1960ern regelmäßig für ein paar Tage vorbei, um Saiblinge zu fischen. Hans Mayr, damals noch ein junger Bub, durfte ihn auf den See rudern.
Bei der anschließenden Peter-Alexander-Gedächtnisrunde auf dem See darf sich der Nachwuchs in die Riemen legen. Saiblinge fischen geht leider nicht, weil es erstens an Angeln und zweitens an Saiblingen mangelt. Infolge des wärmeren Klimas hat sich die Durchschnittstemperatur des Sees nach oben verschoben, was den Hechten behagt, die sich in den letzten Jahren rasant vermehrt haben. Und wo viele Hechte, da keine Saiblinge mehr. Und auch keine Forellen, die ebenfalls zu den Leibspeisen der Hechte zählen.
19:30 Genießen in der Schlosstaverne
Saiblinge und Forellen sind dafür in der Schlosstaverne zu finden. Das am Ostufer liegende Wirtshaus hat vor zwei Jahren mit Jasmin Epting nicht nur eine neue Pächterin, sondern auch neuen Schwung erhalten. Wie die alten Gasträume renoviert und licht und luftig eingerichtet wurden, beweist viel Geschmack. Genauso wie die Küche, die mit möglichst vielen Zutaten aus der Region arbeitet.
3. Tag
8:30 Über Stock und Stein
Der nächste Morgen gehört dem stehenden Sport. Auf dem Bauernhof der Familie Enöckl lässt sich Trial erlernen, ab zehn Jahren (und 1,40 Meter Größe) in der motorisierten Form, darunter mit Fahrrädern. Helm, Stiefel, Protektoren und die Fahrzeuge können ausgeliehen werden, und schon geht’s unter der Leitung von Peter Enöckl zum Schnupperkurs, der damit beginnt, dass man mit 2 km/h über Sandbuckel fährt. Die Vertrautheit mit dem Gerät und damit die Geschwindigkeit nehmen aber rasch zu, und bald darf man auf dem Rundkurs im Wald, auf dem sogar Staatsmeisterschaftsläufe stattfinden, schwieriges Gelände erobern.
11:00 Bei den Hammerherren zu Gast
Ein Kulturprogramm, das sogar den Kindern Spaß macht: Bei der Führung im Hammerherrenmuseum im Amonhaus – einem unfassbar schönen Renaissancebau – darf man die Ausstellungsstücke nämlich auch anfassen. Das Leben und die
Arbeit jener Leute, die einst in den vielen Schmieden der Gegend werkten, wird unmittelbar erfahrbar, und nach der Führung weiß man auch, wie Redewendungen à la „den Löffel abgeben“ und „auf den Hund gekommen“ entstanden sind.
13:00 Baden mit Open End
Jetzt aber endlich: baden! Noch schnell im Genuss Platz’l, der Greißlerei am Kirchenplatz, eine Bio-Jause holen und ab ins Seebad. Die Liegewiese (groß und gepflegt), die Bäume (ehrwürdig), die Umkleidekabinen (nach Holz duftend), das Wasser (ziemlich erfrischend) und das Buffet (fein bestückt): die Essenz hochsommerlichen Badeglücks. Die Heimfahrt bis nach Sonnenuntergang zu verschieben ist übrigens eine gute Idee. Denn abends, wenn der Wind einschläft, wird der spiegelglatte See hellhörig wie eine Wiener Hausmeisterin.
Die Wasseroberfläche trägt jeden Laut von einem Ufer zum anderen. Die besondere Akustik des Ortes ist auch ein Grund dafür, dass das kleine Musikfestival wellenklænge so erfolgreich ist. Gespielt wird im Juli mitten im Seebad, und zwar auf der Seebühne, die tagsüber als Sonnendeck dient. Abends ertönen Klänge zwischen Jazz, Weltmusik, Klassik und Avantgarde. Hauptsache: leise Töne, die diesem wunderbaren, feinhörigen Ort entsprechen.
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