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Schweizer Pioniere

Peter Taugwalder auf dem Matterhorn (4.478 m)

• 10. Juli 2018
4 Min. Lesezeit

Die 7er-Seilschaft der so legendären wie tragischen Matterhorn-Erstbesteigung von 1865 enthielt zwei Schweizer: Peter Taugwalder und seinen Sohn. Obwohl er nicht als erster am Gipfel stand, kam dem Zermatter Bergführer eine – undankbare – Schlüsselrolle zu. Die Geschichte einer Tragödie.

Erstbesteiger des Matterhorns: Peter Taugwalder
Foto: Wikipedia/ Unbekannt - www.srf.ch/
Einer der sieben Erstbesteiger des Matterhorns: Peter Taugwalder
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Nur drei Männer der sieben Männer, die am 14. Juli 1865 als erste Menschen den Gipfel des Matterhorns betreten haben, kamen lebend wieder ins Tal zurück: Edward Whymper, Initiator der Erstbesteigung, sowie die Zermatter Bergführer Peter Taugwalder senior und Peter Taugwalder junior.

Whymper, ein 25jähriger Brite der in London ein Holzschneideratelier betrieb, war davor bereits fünf Sommer lang am „König der Alpen“ gescheitert. Die Ehrfurcht einflößende Steinpyramide des Matterhorns, der letzte unbestiegene Viertausender der Alpen, galt als unbezwingbar – und zog freilich gerade deshalb immer wieder neue Abenteurer an.

So auch den Italiener Jean Antoine Carrel, den Whymper eigentlich als Führer für einen weiteren Versuch gewinnen wollte. Doch am 11. Juli 1865 machte er sich mit Gefährten von Breuil über den Liongrat auf zum Gipfel – angestachelt durch italienische Politiker, die in der Eroberung des Cervino, wie das Matterhorn auf Italienisch heißt, einen Prestigeerfolg für den jungen Einheitsstaat Italien sahen.

Edward Whymper als junger Mann
Foto: Wikipedia/ Unbekannt - www.srf.ch/
Edward Whymper als junger Mann

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Wettkampf um das Matterhorn

Der ehrgeizige Whymper, der von einem Gastwirt zufällig vom Aufbruch Carrels erfuhr, war vor den Kopf gestoßen. Er stellte in Zermatt in aller Eile eine eigene Seilschaft zusammen. Sie bestand aus dem abenteuerlustigen Lord Francis Douglas, der im selben Zermatter Hotel Quartier bezogen hatte, dem französische Bergführer Michel Croz aus Chamonix, den Engländern Reverend Charles Hudson und Douglas Robert Hadow sowie den heimischen Bergführern Peter Taugwalder Vater und Sohn – einfache Leute aus dem Bergbauern-Milieu.

In der Morgendämmerung des 14. Juli nahm die Multikulti-Truppe, die sich aufgrund fehlender Fremdsprachenkenntnisse untereinander nur schwer verständigen konnte, den Weg über den Hörnligrat. Dennoch kam man – im Wettlauf mit der Seilschaft rund um Jean Antoine Carrel – rasant voran. „Nicht ein einziges Mal gebot uns ein ernstliches Hindernis Halt“, schrieb Whymper später.

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Bergführer aus Chamonix: Michel Auguste Croz (1830 - 1865)
Foto: Wikipedia/ Unbekannt - www.srf.ch/
Bergführer aus Chamonix: Michel Auguste Croz (1830 - 1865)

Um 6:20 Uhr erreichten sie 3.900 m Höhe, knapp vier Stunden später 4.200 m. Bis auf diese Höhe hatten es schon einige Bergsteiger davor geschafft. Nach der „Schulter“ wich man in die Nordwand aus. „Jetzt kommt etwas ganz anderes“, soll Michel Croz die schwierige Schlüsselstelle kommentiert haben. Vorsichtig aber stetig stiegen die Männer am Seil des Alpine Clubs über Schnee und blankes Eis auf. Croz ging mit dem Pickel voran. Der unerfahrene Douglas Robert Hadow tat sich in den um die 40 Grad steilen Steigungen schwer und brauchte Unterstützung. Er hing zwischen den beiden Taugwalders und wurde den Überlieferungen nach vom jungen gezogen und vom alten geschoben.

Schließlich rückte der Gipfel ins Blickfeld. Knapp unter dem höchsten Punkt löste sich Whymper aus dem Seil und stürmte los. Michel Croz tat das Gleiche und eilte ihm nach. Whymper erreichte als erster den Gipfel. „Um Viertel vor zwei Uhr lag die Welt zu unseren Füßen, und das Matterhorn war besiegt“, notierte er. Und die Kontrahenten? Keine Spur. Die erfolgreichen Erstbesteiger jubelten. Dann erblickten sie die Italiener tief unten auf dem Grat. Whymper rief ihnen verhöhnende Wort zu, doch blieb unbemerkt. Daraufhin soll er – etwas unsportlich – Steine den Berg herabgeworfen haben. Als Carrel und Co. die zuvorgekommenen Gipfelstürmer sahen, machten sie kehrt.

Die Erstbesteigung des Matterhorns, Darstellung von Gustave Doré, 1865

Ein Seil aus Hanf

Nach etwa einer Stunde machte sich die Gruppe an den Abstieg. Whymper bestimmte die Reihenfolge. Croz und der schwächelnde Hadow gingen voran, dann folgten Hudson, Douglas und Taugwalder senior. Taugwalder junior folgte etwas später mit Whymper.

Zunächst ging alles gut voran. Kurz vor Erreichen der vereisten Nordplatte vereinten sich die sieben Mann zu einer einzigen Seilschaft. Die Verbindung zwischen Taugwalder Vater und Douglas bildete ein Hanfseil, das im Unterschied zu den beiden anderen verwendeten Seilen des Alpine Clubs dünner und älter war. Der Abstieg war gefährlich, die Gruppe erschöpft. An der steilsten Stelle musste Croz mit seinen Händen jeden Fuß von Hadow an die richtige Stelle setzen, bis dieser einigermaßen sicher stand. Zusätzlich an einem Felsen sicherte sich die Gruppe nicht.

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Und dann glitt der abgekämpfte Hadow ab. Er traf den voranschreitenden Croz hart im Kreuz und riss ihn kopfüber mit, die Platte hinunter. Der Ruck des Seils riss wenig später auch Hudson und Lord Douglas mit. Taugwalder senior, der auf einer schneefreien Stelle den sichersten Stand hatte, warf das Seil um einen Felsen und stoppte vorerst das Abgleiten der Kameraden. Einen Augenblick lang bestand Hoffnung – doch dann riss das dünne Hanfseil zwischen Taugwalder und Lord Douglas. Chancenlos Halt zu finden, rutschten die vier Männer über die Platte, wurden über die letzte Kante geschleudert und zerschmetterten tauend Meter tiefer auf dem Gletscher des Matterhorns. Die Leichen konnten später in Teilen geborgen werden – nur Lord Douglas wurde nie gefunden.

Der Absturz am Matterhorn, Darstellung von Gustave Doré
Foto: Wikipedia/ Gustave Doré
Der Absturz am Matterhorn, Darstellung von Gustave Doré

Böse Gerüchte

Erst am nächtsten Morgen, nach einer Nacht auf 4.100 m, trafen Whymper und die beiden Taugwalders in Zermatt ein. Die Tragödie überschattete den Gipfelsieg – noch nie hatte eine alpine Katastrophe so starkes mediales Interesse erweckt – und sie zog einen Schweif von Anschuldigungen und Gerüchten hinter sich her. Whymper schrieb, die Taugwalders hätten geweint wie Kinder. Die Taugwalders wiederum berichteten, Whymper sei verängstigt und nur mit Mühe vom Berg hinunterzubekommen gewesen. Besonders debattiert wurde über das dünne Hanfseil, das heute im Museum von Zermatt liegt. Warum hatten die Taugwalders ein solches überhaupt verwendet? Und wurde es gar absichtlich durchgeschnitten, um wenigstens drei Menschen zu retten? Denkbar ist aber auch, dass es erst zum Einsatz kommen musste, weil sich Whymper kurz vor dem Gipfel aus dem dickeren Seil geschnitten hatte.

Das gerissene Hanfseil der Matterhorn-Tragödie im Museum von Zermatt
Foto: Emanuel Ammon
Das gerissene Hanfseil der Matterhorn-Tragödie im Museum von Zermatt

Was auch immer an jenem 14. Juli 1865 geschah – Peter Taugwalder senior war danach fürs Leben gestraft. In einem sechs Jahre später erschienen Buch legte Whymper seine Schuld an der Katastrophe nahe. Taugwalder wanderte nach Amerika aus, kehrte nach acht Jahren wieder zurück und starb 1888 am Schwarzsee bei Zermatt.

Peter Taugwalder

  • Geboren: 4. April 1820 in Zermatt
  • Leben: Schweizer Bergführer und Bergsteiger, tragische Figur der Matterhorn-Erstbesteigung
  • Gestorben: 11 Juli 1888 am Schwarzsee bei Zermatt

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