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Eiger Extreme

Mentale Vorbereitung für fordernde Bergtouren

• 5. März 2018
4 Min. Lesezeit
von Madeleine Eppensteiner

Im Sommer ist es soweit: Wir gehen mit den drei Gewinnern der Eiger Extreme-Ausschreibung auf den Eiger! Sportpsychologin Madeleine Eppensteiner versorgt uns schon jetzt mit hilfreichen Tipps rund um die mentale Vorbereitung auf anspruchsvolle Bergtouren.

Eiger in den Berner Alpen
Foto: mauritius images / Masterfile RM / Bryan Reinhart
Schweizer König: Der Eiger (3.967 m) in den Berner Alpen
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Die Besteigung des Eigers über den Mittellegigrat ist bekannt als eine der schönsten und eindrucksvollsten Hochtouren der Alpen. Gleichzeitig ist sie aber auch gefürchtet als eine der anspruchsvollsten Touren – nicht zuletzt aufgrund der Ausgesetztheit und Schmalheit des exponierten Grats. Für manche ist der Blick in die Tiefe schlichtweg – und wortwörtlich – atemberaubend. Wie kann man sich auf solche Herausforderungen mental bestmöglich vorbereiten? Wie kann man vermeiden, dass einem angesichts von steil abfallenden Wänden und schmaler Grate tatsächlich die Luft wegbleibt?

Physische Vorbereitung

Logisch: Wer sich eine Hochtour wie die Besteigung des Eigers über den Mittellegigrat vornimmt, muss entsprechend vorbereitet sein. Je besser man plant und je mehr konkrete Zwischenziele man sich setzt, desto besser. Ganz nach dem Motto: Gute Planung ist die halbe Miete. Sich mental vorzubereiten heißt auch, das eigene Verhalten, die eigenen Vorsätze und Pläne zu reflektieren sowie die Vorbereitung zu optimieren:

  • Welche (realistischen) Zwischenziele kann ich mir setzen?
  • Wie kann ich mich langsam steigern?
  • Was motiviert mich?
  • Welche hindernden Faktoren gibt es im Ablauf?
  • Wie kann ich Letztere optimieren oder gar beseitigen?
  • In welchem Umfeld bewege ich mich?
  • Kann ich alles unter einen Hut bringen?
  • Wo habe ich noch Ressourcen?
  • Wie kann ich meine Zeit optimal nutzen?

Es lohnt sich, diese Fragen intensiv zu umschwärmen und sich dazu Notizen zu machen.

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    Mentale Vorbereitung

    Darf man sich Projekte wie den Eiger auch vornehmen, wenn man Angst hat vor ausgesetzten Graten und luftigen Höhen? Ja, denn man kann auf alle Fälle lernen mit dieser Angst umzugehen. Der erste Schritt führt zu einer Auseinandersetzung mit dem Ursprung der Angst. Woher kommt sie? Hat man bereits schlechte Erfahrungen gemacht?

    Es gibt prinzipiell unterschiedliche Formen von Angst. Zum Beispiel: vor Unbekanntem, mangelnder Orientierung, Realängste, Sozialängste, Erwartungsängste, als Reaktion auf etwas oder Angstkonflikt. Wie man darauf reagiert ist ganz unterschiedlich.

    Motorische und körperlich-organische Merkmale umfassen unter anderem:

    • Verkrampfte Bewegungen,
    • Störungen im Bewegungsfluss,
    • flacher Atem,
    • erhöhter Puls,
    • Magen-Darm-Probleme,
    • Appetitmangel.

    Zuletzt können sich Symptome der Angst auch auf Verhaltensebene zeigen – beispielsweise in Form von Rückzug, Arroganz, Aggressivität oder Selbstanklage.

    Wie kann man nun damit umgehen?

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    1. Abspeichern von positiven Erfahrungen

    Nach der Ursachenklärung geht es in einem weiteren Schritt darum, positive Erfahrungen zu sammeln und abzuspeichern. Konkret heißt das: Es gilt sich klar zu machen, dass es „ok“ ist einen Grat entlangzugehen. Auch wenn es links und rechts steil bergab geht. Wichtig hierbei ist, sich nicht gleich auf einen vergleichbaren Berg zu träumen, sondern sich langsam anzunähern. Man sollte sich folgende Fragen stellen: Wie oft hat man bereits schwierige Touren unternommen? Welche positiven Erfahrungen hat man dabei gemacht? Kurzum gilt: Je mehr positive Erfahrungen man abspeichert, desto selbstbewusster wird man – auch im Hinblick auf herausfordernde Situationen.

    2. Entspannungsübungen

    Stressige und angstvolle Situationen führen oft zu einer reflexartigen Anspannung der Muskulatur. Hier helfen Entspannungsübungen. Die Progressive Muskelentspannung (PME) nach Jacobson ist eine der bekanntesten Entspannungsverfahren. Abwechselndes Anspannen und Entspannen von Körper und Geist induziert Entspannung.

    Entspannungsverfahren können sowohl kurzfristig – zum Beispiel für die Senkung der Herzfrequenz – als auch bei öfteren Anwendungen langfristig wirken – zum Beispiel für die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, die Sensibilisierung für körperliche und psychische Vorgänge sowie die Verbesserung der eigenen Gelassenheit.

    Berner Dreigestirn: Eiger, Mönch und Jungfrau in den Schweizer Alpen
    Foto: mauritius images / United Archives
    Berner Dreigestirn: Eiger (3.967 m), Mönch (4.107 m) und Jungfrau (4.158 m) in den Schweizer Alpen

    3. Visualisieren

    Es ist nachgewiesen, dass sich das positive Imaginieren von Bewegungen und Situationen positiv auf unsere Leistung, Motivation und Konzentration auswirkt. Spitzen-Sportkletterer Adam Ondra, Doppel-Olympiasieger Michael Mayer und Skirennläuferin Michaela Shiffrin sind nur einige bekannte Namen, die sich dieser Technik bedienen.

    Im Hinblick auf die Besteigung des Eigers sollte man die Hochtour im Vorfeld im Kopf durchgehen und sich vorstellen, wie man diese erfolgreich bewältigt. Je konkreter und detaillierter, desto besser. Warum? Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen physischer oder mentaler Ausführung einer Tätigkeit. Das ist der Grund dafür, warum man sich allein mental sehr gut auf bestimmte Situationen vorbereiten und diese verinnerlichen kann.

    Wer Schwierigkeiten damit hat, sich in konkrete Situationen hineinzuversetzen, wird an Virtual Reality (VR) eine große Freude haben. Mit VR-Brillen kann man ganz einfach in die Welt steil abfallender Grate eintauchen.

    4. Fokus nach vorn: Selbstgespräche

    Eine gut erprobte kognitive/mentale Strategie für herausfordernde Situationen ist: das positive Selbstgespräch. Ziel dieser Strategie ist es mittels positiver Gedanken und Selbstgespräche den Fokus auf das Vorankommen und die Zielerreichung zu richten.

    Hier ein Beispiel: Nachdem man etwa 35 Kniebeugen gemacht hat, gilt es sich zu fragen: Wie ist es mir dabei ergangen? Nach einer kurzen Pause wiederholt man die Übung. Mit dem Unterschied, dass man sich im Vorfeld einen persönlichen Zweck für die Übung zurechtlegt. Warum will ich die Übung erneut machen? Gibt es ein Ziel? Welcher motivierende Leitsatz könnte zu diesem Ziel passen und mich motivieren? Zum Beispiel: „Geht schon! Das schaffst du! Das kannst du! Eine Kniebeuge noch!“ Nun wird die Übung nochmals durchgeführt – mit einem Ziel und motivierenden Leitsatz im Kopf. Und nun fragt man sich erneut: Wie ist es mir ergangen? Was hat sich im Vergleich zur ersten Durchführung geändert? Ist mir der zweite Durchgang leichter gefallen?

    In diesem Sinne: Viel Spaß bei der mentalen Vorbereitung!

    Weitere Informationen rund um Sportpsychologie und mentale Vorbereitung: Madeleine Eppensteiner

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