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Aus dem Leben eines Alpinisten

Simon Messner: Über die Angst am Berg

• 26. August 2022
3 Min. Lesezeit

In der Bergwelten-Kolumne erzählt Simon Messner, Sohn der Bergsteigerlegende Reinhold Messner, von seinem Leben als Alpinist. Diesmal: Angst – was sie ist, was sie mit uns macht und was davon bleibt.

Simon Messner
Foto: Archiv Simon Messner
Simon Messner in der Marmolada Südwand in den Ausstiegsseillängen der „Moderne Zeiten“: Gerade beim Klettern spielt Angst eine wichtige Rolle
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Angst. Jeder von uns kennt sie: zumeist ein stiller, manchmal aber auch ein lauter Begleiter, der uns von der Natur als ultimatives Warnsignal, als Notwehrmechanismus, schlicht als geniale Überlebenshilfe mit auf den Weg gegeben wurde. Somit müssten wir die Angst eigentlich huldigen um nicht zu sagen als eine Art Freund begreifen. Doch in unseren Breiten scheint es, als sei derzeit noch das Gegenteil der Fall. Denn Ängste gelten in unserer gewinnorientierten Erfolgsgesellschaft als hinderlich und als Zeichen von Schwäche. Wieso eigentlich, frage ich mich? Ist es nicht viel eher so, dass es gerade unsere Ängste sind, die uns zuweilen in die Schranken weisen, uns vorsichtiger, ja überlegter, handeln lassen um dadurch unser Überleben zu sichern? Und wäre eine große alpine Tour überhaupt interessant, würden wir vollkommen angstfrei bleiben? Ich denke nicht. Daher will ich erzählen, was meine Ängste mit mir persönlich gemacht haben und wie ich  an ihnen wachsen konnte.

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  • Ohne Angst kein Mut

    Ich möchte festhalten, dass ich ein ängstlicher Mensch bin – damit meine ich, dass ich genau weiß wie sich Angst anfühlt und ich trotz vieler Tage, die ich in den letzten 15 Jahren im Gebirge verbracht habe, vorsichtig geblieben bin um nicht zu sagen vorsichtiger wurde.

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    Wäre ich ganz ohne Ängste in die ersten alpinen Routen eingestiegen, dann gäbe es mich heute nicht mehr und hätten meine Ängste nicht den Willen in mir geweckt, mehr über mich und meine innere Unsicherheit zu erfahren, hätte ich erst gar nicht mit dem Klettern angefangen. Die Tatsache, dass ich meine Komfortzone verlassen musste, um das erleben zu können, was ich erleben wollte, macht das Klettern und Bergsteigern für mich erst so unglaublich wertvoll.

    Mein guter Freund Hanspeter Eisendle (Alpinist und Bergführer seit über 40 Jahren) erinnert sich bestimmt noch gut daran, als er mich zu meinen ersten alpinen Touren ermutigt hatte. Wir stiegen damals mehrmals in Routen ein, mussten aber stets abbrechen, weil mich eine panikähnliche Angst zu lähmen begann; sogar im Nachstieg. Es war eine Art von Angst wie ich sie aus unserer abgesicherten und mit Regeln überhäuften Welt nicht kannte. Es war also keine Angst, wie sie mir vor Prüfungen oder vor Publikumsauftritten bekannt war, vielmehr war es eine essenzielle, eine direkt bedrohende Furcht! Also seilten wir uns ab und gingen nach Hause, um ein paar Tage später wiederzukommen. Dieses Spiel wiederholte sich einige Male, bis ich lernte mit dieser (in diesem Fall unbegründeten) Angst umzugehen. Ich fing an, mich ab nun in entsprechenden Situationen stets zu fragen: Simon, ist deine Angst begründet?

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    Simon Messner
    Foto: Archiv Simon Messner
    Tiefblick in der Königsspitze Nordwand während einer von Simons frühen Solobegehungen

    Zumeist war sie es nicht, denn ich war ja gesichert und stürzen würde ich so schnell nicht. Alleine diese Erkenntnis half mir, mich zu beruhigen. In den wenigen Momenten aber, wo es gut war und ist, dass der Körper in einen durch Stress verursachten „Wachsamkeits-Zustand“ versetzt wird,  ist meine Angst ein erwünschter Begleiter geblieben. Denn die Angst macht uns nicht nur unsicher und zurückhaltend, sie hilft uns vor allem in Stressmomenten – wie sie im Gebirge und in alpinen Routen öfter mal vorkommen –  zu „funktionieren“ und das Beste aus uns herauszuholen. Wer in heiklen alpinen Routen unterwegs ist, weiß wovon ich spreche, denn unsere Ängste helfen uns dabei möglichst präzise zu sein um Fehler zu vermeiden.

    Unsere Ängste machen uns also wachsamer und bedeuten nicht automatisch etwas Schlechtes. Denn am Ende sind sie es, mit denen wir uns arrangieren müssen um an uns selbst wachsen zu können.

    Alpinist und Kolumnist: Simon Messner
    Alpinist und Kolumnist: Simon Messner

    Mit Simon Messner auf einen 4.000er

    Du willst den Alpinisten persönlich kennenlernen und dabei gleich zwei Viertausender – das Breithorn (4.164 m) und den Alphubel (4.206 m) – erklimmen? Dann sei von 18. bis 21. August 2024 beim Bergwelten-Event in der Region Zermatt dabei!

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    Mehr von Simon Messner

    Seit Anfang des Jahres lest ihr auf bergwelten.com regelmäßig Simons Kolumne. Einmal im Monat erzählt er Geschichten aus seinem Leben als Alpinist und setzt sich mit den großen Themen des Bergsports auseinander. Seine bisherigen Beiträge könnt ihr hier nachlesen:

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