Der erste Schnee: Worauf man achten muss
„Viel Schnee bedeutet eine hohe Lawinengefahr, wenig Schnee eine geringe.“ Dass dieser viel zitierte Spruch nicht stimmt, sollte bekannt sein. Trotzdem ist es oft schwierig, das Lawinenrisiko bei herausschauendem Untergrund im Hinterkopf zu behalten und zu beurteilen. Wenig Schnee wie jetzt zu Saisonbeginn bedeutet für Skitourengeher aber nicht nur die Gefahr von Lawinen, auch andere Risikosituationen sind damit verbunden. Riki Daurer verrät gemeinsam mit Bergführer Peter Plattner, worauf man zum Winterbeginn sonst noch achten muss.

Der heurige Winter hat begonnen, hoffen wir, dass es mit dem Schneefall so weitergeht.
Hat irgendwann eine dicke Schneedecke die Landschaft überzogen und schneit es regelmäßig, dann ist uns Tourengehern klar, dass Lawinen abgehen können. Wer kennt nicht das Gefühl in der Magengrube beim Anspuren eines tief eingeschneiten steilen Hangs: Auch wenn Lawinenlagebericht und eigenes Wissen sagen, dass es heute „passt“, dass der Schneedeckenaufbau super ist – ohne Schwachschicht und Schneebrettgefahr –, auch dann werden alle Sinne angespannt sein. Bevor wir einen solchen Hang aufsteigen oder abfahren, werden wir das Gelände genau beurteilen, es auf Geländefallen und gute Sammelpunkte scannen und uns überlegen, ob das Ganze eine gute Idee ist oder nicht.
Derselbe Hang bei geringer Schneelage: In den Mulden befindet sich eine durchgehende Schneedecke, größere Steine schauen aber noch heraus, die Rücken sind teilweise aper und es liegt dort zu wenig Schnee, um skifahren zu können. An akute Lawinengefahr denkt man in dieser Situation nicht wirklich, eher daran, wie man mit den Fellen am besten auf durchgehender Schneedecke hinauf und dann mit den Skiern ohne Steinkontakt wieder herunter kommt
Gerade jetzt zu Winterbeginn wird in einigen Gebieten noch kein Lawinenlagebericht ausgegeben. Somit ist man für die Beurteilung der regionalen und lokalen Lawinensituation selbst verantwortlich. Gibt es keinen offiziellen Lagebericht, ist das aber nicht gleichbedeutend mit „ Es gibt keine Lawinengefahr!“.
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Folgende Punkte sollte man bei Skitouren zu Saisonbeginn bzw. bei geringer Schneemenge nach den ersten Schneefällen berücksichtigen:
Sharks
Als Sharks, also Haie, bezeichnen Freerider Steine, die wie eine Rückenflosse aus dem Schnee herausschauen oder knapp darunter versteckt sind. Beim Skitourengehen sind Lawinen – wenig überraschend – für die meisten Toten verantwortlich, Unfall- und Verletzungsursache Nummer eins ist aber der Sturz.
Bei geringer Schneelage steigt diese Sturzgefahr und auch die Konsequenzen sind ernster, weil anstelle der weichen Schneedecke der Untergrund mit Steinen und Baumstümpfen wartet.
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Dieses Fehlen von Sturzräumen betrifft in schneearmen Wintern auch die Pistengeher und -skifahrer, die dann von der (Kunst-)Schneepiste in das unverschneite Gelände rutschen bzw. stürzen
Bei schneearmen Wintern bzw. Verhältnissen ist also defensives und kontrolliertes Abfahren angesagt. Wer einen Helm hat, der möge ihn bei herausschauenden Steinen & Co. auf alle Fälle aufsetzen.
Gletscherspalten
Wer es nicht erwarten kann, wird zu Saisonbeginn seine ersten Spuren in den Gletscherskigebieten ziehen. Die Pisten sind nach den ersten Schneefällen bereits optimal fürs Skifahren vorbereitet und auch das freie Gelände lockt mit unberührtem Pulver.
Wenig überraschend gibt es abseits der markierten Pisten aber auch Gletscherspalten. Nach den ersten Neuschneefällen werden kleinere Spalten durch Windeinfluss leicht zugedeckt und man sieht viele dieser „Löcher“ nicht mehr. Im Herbst und Frühwinter sind diese Schneebrücken aber fragil und geben nach, wenn ein Skifahrer darüber fährt, d. h. dieser stürzt dann in die Gletscherspalte, oft mit bösen Folgen.
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Bei wenig Schnee am Gletscher die Pisten zu verlassen ist also nur dann eine gute Idee, wenn man das Gelände und die Situation der Spaltenüberdeckung gut kennt – was in der Regel nur die Locals vor Ort tun.
Altschneeproblem
Schaut man sich die Statistik der Lawinenunfälle der vergangenen Jahrzehnte an, dann ist das ein permanentes Auf und Ab. Die Ursachen, warum der alpenweite Mittelwert von ca. 100 Lawinentoten so stark schwankt, sind vielfältig. Wenig Schnee wird dabei oft als Grund für Saisonen mit überdurchschnittlich vielen Lawinentoten genannt.
Das hat folgenden Grund: Schneit es zu Winterbeginn nur wenig, d. h. es bleibt weiterer Neuschnee aus, dann können sich aufgrund der tiefen Lufttemperaturen v. a. schattseitig Oberflächenreif, Tiefenreif und weitere kantige Kristallformen bilden. Werden diese später eingeschneit, haben wir perfekte Schwachschichten – und damit in Kombination mit einer Hangsteilheit über 30 Grad und einer gebundenen Schneeschicht eine der drei Grundvoraussetzungen für eine Schneebrettlawine.
Diese Schwachschichten können für uns als „Altschneeproblem“ den ganzen Winter über problematisch sein, wenn sie nicht durch genügend Niederschlag so tief zugedeckt werden (mind. einen Meter), dass sie von uns Tourengehern nicht mehr gestört werden können.
Das bedeutet also: Werden in schneearmen Wintern kritische Schwachschichten nicht tief genug eingeschneit (oder auf andere Weise, z. B. durch Regen, neutralisiert), können sie für Tourengeher lange als Altschneeproblem relevant sein. Der Lawinenlagebericht erwähnt dies aber zum Glück in seiner Prognose, denn mit dem Auge erkennen kann man dieses Problem nicht.

Übergang von viel zu wenig Schnee
Bleiben wir bei den Schwachschichten: Auch wenn diese tief eingeschneit sind, wandern sie bei Übergängen von viel zu wenig Schnee näher zur Oberfläche – und sind dort von uns Tourengehern störbar. Solche Übergänge gibt es immer, wenn eine Mulde in einen Rücken übergeht oder wenn der felsige Gipfelaufbau beginnt. Auch bei viel Schnee ist an solchen Stellen besondere Achtsamkeit bzw. eine gute Routenwahl mit entsprechenden Sammelpunkten geboten.
Bei schneearmen Wintern sind solche Stellen aber viel häufiger, d. h. die Chancen, an einem solchen Übergang die Schneedecke zu stören, steigen.
Und weil es gut dazu passt: Mit zunehmender Schneemenge steigen im Allgemeinen auch die Lawinengrößen. Für uns Skitourengeher ist das aber nicht wirklich relevant, denn bereits eine kleine Lawine reicht aus, um uns mitzureißen und zu verschütten oder über einen Steilabbruch etc. mitzunehmen. Jeder von uns hat bestimmt schon einmal Fotos von Lawinenunfällen gesehen, wo ein lächerlich kleines Schneebrett ausgereicht hat, um jemanden zu verletzen oder zu verschütten.
Triebschnee
Der Kreis schließt sich jetzt, denn bei wenig Schnee fahren wir dort, wo am wenigsten Untergrund herausschaut, d. h. wo am meisten Schnee liegt. Das ist meistens in Mulden und Rinnen der Fall. Noch besser zum Skifahren eignen sich diese, wenn sie mit Triebschnee, also vom Wind verfrachteten Schnee, gefüllt sind. Bekanntermaßen und blöderweise ist Triebschnee ein sogenannter gebundener Schnee, d.h. er kann als Schneebrettlawine ausgelöst werden und abgehen.
Auch – oder vor allem – bei geringen Schneehöhen gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich von den herausschauenden Grasbüscheln nicht täuschen zu lassen. Die Lawinengefahr ist bei wenig Schnee keineswegs geringer als bei mächtigen Schneehöhen – die Verletzungsgefahr nach einem Sturz allerdings höher.