2.467 km über die Donau
Pascal Rösler: „Das Leben ist wie ein Fluss“
Der frühere Unternehmensberater Pascal Rösler hat einen großen Teil seines Lebens aufs Wasser verlegt und engagiert sich seither für Umweltschutz und die Sauberkeit der Flüsse. Wie er auf die Idee kam, auf einem SUP-Board 2.467 km von München bis ans Schwarzen Meer zu paddeln, weshalb Rumänische Donau-Fischer über ihn den Kopf schütteln und warum das Leben ein Fluss ist, verrät er uns im Interview.

Nein, Pascal Rösler gibt das Interview selbstverständlich nicht im Büro. Der Agentur-Chef und Naturliebhaber ist um 6 Uhr früh aufgestanden, um am Kochelsee südlich von München bei strahlender Sonne und Föhnsturm Windzusurfen. „Während alle anderen im Büro sitzen“, wie er schelmisch herausstreicht. Die Stunden am Wasser werden abends freilich eingearbeitet. Für seine Flexibilität nimmt er das gern in Kauf – das und mit der Natur verbunden zu sein, sei nämlich das Wichtigste im Leben.
Bergwelten: Pascal, warum ist es gerade Wasser, das einen solchen Stellenwert in deinem Leben einnimmt? Und warum das Stand Up Paddling-Board?
Pascal Rösler: Ich bin sozusagen nur an meinen Ursprung zurückgekehrt. Als Kind war ich am liebsten immer irgendwo am Wasser, zur Donau hatte ich es ja nicht weit. Ich kannte nichts anderes, als am Wasser zu sitzen und zu spielen. Zudem haben meine Eltern damals mit dem Windsurfen begonnen und haben mich natürlich auch aufs Brett steigen lassen. In der Schulzeit war ich dann oft selbst am Baggersee Windsurfen – da gab es das Stand Up Paddeln noch gar nicht. Irgendwann suchte ich einen Sport, der nicht so sehr auf den Wind angewiesen ist und fand ihn im SUPen, das zu der Zeit gerade aufkam. Es fühlte sich sofort richtig an – es war entspannt, stellte eine besondere Verbindung zum Wasser her und hatte etwas Meditatives. Dazu trägt mit Sicherheit die stehende Position bei – es ist wie übers Wasser Laufen.
Und daraufhin hast du beschlossen, deine Berufs-Karriere an den Nagel zu hängen und nur noch übers Wasser zu gleiten?
Der Knackpunkt war ein Buch, das ich 2009 in die Hände bekommen habe. „Lass die Mitarbeiter surfen gehen“ von Ivon Chouinard – BigWall-Kletter-Pionier und Gründer der kalifornischen Outdoor-Marke Patagonia. Damals war ich in der Finanzbranche tätig, habe wirklich super viel gearbeitet und war kaum auf dem Wasser. Ivon zeigte mir vor, dass man auch als Unternehmer viel in der Natur sein kann, dass man ihr etwas zurückgeben kann. Denn wenn wir weiter so mit der Natur wirtschaften, würde sie irgendwann den Bach runtergehen. Daraufhin habe ich meine eigene Agentur gegründet, um öfter auf dem Wasser sein zu können und mehr Freiheiten zu haben.
Du hast dann begonnen mit Paddelaktionen Spenden zu sammeln, wobei dich deine erste Tour in 12 Tagen von München nach Wien führte. Eine gewagte Idee, oder?
Ich wollte etwas für den Schutz der Flüsse tun. Beim Paddeln auf dem Starnberger See kam mir spontan die Idee von München nach Wien zu paddeln, zuerst über die Isar, dann über die Donau. Ich hatte ein Jahr zuvor noch eine Freundin in Wien und kannte die Strecke circa. Theoretisch sollte man da trockenen Fußes runterkommen, dachte ich (lacht).
Und in der Praxis? Ich kann mir vorstellen, dass es unterwegs einige Hindernisse wie Wehre oder Staumauern gibt.
Zugegeben, ich bin damals recht blauäugig losgepaddelt und hab mir gedacht: Das wird schon irgendwie gehen (lacht). Schon am ersten Tag habe ich dann einen fetten Denkzettel erhalten, denn da waren 20 kleinere Wehre. Mit 25 Kilo Gepäck und in Neoprengummi das Brett über Steine zu tagen war nicht so lustig. Ich war übrigens alleine unterwegs und hatte keine Helfer mit. Aber diese Erfahrungen muss man einfach machen, um dann auch weitere Reisen zu bestehen.

Die nächste Reise war dann tatsächlich um einiges weiter, nämlich von München bis zur Mündung der Donau ins Schwarze Meer, unglaubliche 2.467 km. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, dass so etwas möglich ist?
Als ich damals in Wien angekommen bin, saß ich bei der Kaisermühlenbrücke und sah dort ein Schild, auf dem „1.932 Kilometer bis zum Schwarzen Meer“ stand. Da dachte ich mir: So, 500 Kilometer gingen irgendwie, jetzt könnte ich eigentlich auch bis zum Schwarzen Meer paddeln. Im Oktober 2016 bin ich nochmal auf dem Starnberger See gewesen – die Idee war soweit gereift, aber es fehlte irgendwie noch der endgültige Segen durch eine Art höhere Macht. Ich bin ins Abendrot hineingepaddelt und habe den lieben Gott befragt, ob ich das wirklich machen soll. Als ich mich umdrehte, breitete sich vor mir ein Regenbogen aus – und zwar ein Doppelter! Für mich war die Frage damit beantwortet (lacht).
63 Tage, bis zu 10 Stunden täglich auf dem Wasser – das klingt nicht nach einem Honiglecken. Was waren die größten Hindernisse?
Je größer der Fluss wird, desto größer werden auch die Wehre. Man muss die Karten genau studieren und schauen, wo man umlegen bzw. -tragen kann. Die Schwierigkeiten beginnen aber schon viel früher. Große Wehre haben 10 bis 15 Kilometer Rückstau, in diesem Bereich verringert sich die Strömung gegen Null und es heißt kräftig paddeln. In Rumänien gab es ein Wehr mit zwei Kilometer Breite, da musste ich dann 1,5 Kilometer über eine Schnellstraße laufen, mit einem 4,5 Meter langen Brett unterm Arm, während die Laster an mir vorbeigebraust sind. Es gab schon einige Situationen, die nicht so ohne waren.
Wo hast du übernachtet?
Soweit es ging in Pensionen. Doch in Rumänien, ab circa 500 Kilometer vor dem Ziel, gab es kaum Übernachtungsmöglichkeiten direkt am Fluss. Dort habe ich mir ein Zelt gekauft und auch noch mitgeführt. Für mich war das recht abenteuerlich, denn ich bin es nicht gewohnt draußen zu schlafen.
2467km | Trailer from Pure Water on Vimeo.
Was hat dich während deiner 2.500 km langen Reise angetrieben? Wie hast du dich in schwierigen Momenten motivieren können?
Die Herausforderung war tatsächlich mehr mental als körperlich. Körperlich muss man einigermaßen fit sein, aber gezielt kannst du dich auf eine zweimonatige Paddeltour kaum vorbereiten. Ich hatte immer ein Ziel vor Augen: den Leuchtturm von Sulina in Rumänien, wo die Donau ins Schwarze Meer fließt. Den habe ich mir schon vor der Reise auf DIN A0 ausgedruckt und in mein Büro gehängt. Ein halbes Jahr lang sagte ich mir jeden Morgen ein Mantra vor: Ich komme am Schwarzen Meer an und habe Spaß dabei. Drei Mal. Diesen Spruch habe ich dann auch ausgepackt, wenn es auf der Reise mal hart wurde. Irgendwann habe ich auch akzeptiert, dass man eine solche Paddelreise nicht restlos durchplanen kann. Es hängt einfach viel vom Wind und Wetter ab. Immer wenn mich jemand gefragt hat, wann ich am Schwarzen Meer ankomme, habe ich geantwortet: Ich komme dann an, wenn ich ankomme. Ob in zwei, oder in drei Monaten.
Hat dir die Einsamkeit niemals zugesetzt?
Klar, du paddelst zwischen 6 und 10 Stunden am Tag, bist alleine, du hast niemanden der dir hilft, kein Handy, keine Kontakte. In dieser Situation kommen dir auch mal die Tränen, etwa wenn dir deine Ex-Freundin oder andere Dinge in deinem Leben durch den Kopf gehen. Doch diese Reduktion ist andererseits auch das Schönste gewesen. Nur du, das Wasser und das Ufer links und rechts. Wenn ich paddle, setze ich mich mit der Natur auseinander. Spreche mit Vögeln, beobachte Strömungen und Fische. Es ist eine Reise zurück zur Natur, zurück zum Ursprung. Und zu dir selbst. Du musst einfach mit dir ins Reine kommen. Letztendlich ist die Paddel-Reise über die Donau sowas wie der Jakobsweg, nur eben auf dem Wasser.

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