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Foto: Win Schumacher/Weltwege.de
Reise

Wüsten-Trekking in Israel

• 7. April 2023
5 Min. Lesezeit

Israel abseits seiner heiligen Stätten: Auf einer Wanderung durch die Wüste Negev im Süden des Landes bis zum Toten Meer entdeckt man die Welt der Bibel ganz neu. Win Schumacher war auf den Spuren der Genesis unterwegs.

Bericht: Win Schumacher

„Die Wüste ist viel stärker und mächtiger als du“, sagt der Trekking-Guide. „Das ist, was du zuallererst lernen musst. Dann lerne zu überleben.“ Der junge Israeli sitzt mit staubigen Wanderschuhen vor den Gräbern von Paula und David Ben Gurion. Zwei schlichte, in helle Steinblöcke gefasste Grabplatten erinnern an den israelischen Staatsgründer und seine Frau. Von der Plattform mit der Begräbnisstätte blickt man weit über die wilde Felslandschaft des Zin-Tals. Tief unten lässt ein schmaler Streifen mit staubigem Grün erahnen, dass es hin und wieder Wasser geben muss in dieser kargen Einöde.

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Die Grabstätte ist der Ausgangspunkt für unsere dreitägige Wanderreise durch den Süden Israels. „Um in der Wüste zu überleben, braucht der Mensch zwei Dinge: erstens eine Vision und zweitens Chuzpe.“ Der Guide zeigt den Jugendlichen zwei Schwarz-Weiß-Aufnahmen von David Ben Gurion: Ein Porträt, dass ihn mit Philosophenblick und weiß loderndem Haarkranz zeigt und den berühmten Schnappschuss vom Strand in Herzliya: der Staatsmann in Badehose als Yoga-Akrobat beim Kopfstand mit angezogenen Beinen.

Israels Süden ist von rauhen Wüstenlandschaften geprägt

„Ben Gurion war einer der Menschen mit einer Vision und jeder Menge Chuzpe. Stellt euch vor, hier in der Gegend war einfach nichts, aber er hatte die Vision, die Wüste zum Blühen zu bringen.“
Wenige Kilometer von der Grabstätte oberhalb des Zin-Tals verbrachte Ben Gurion die letzten zehn Jahre seines Lebens im Kibbuz Sde Boker, nachdem er sich ganz aus der Politik zurückgezogen hatte. Ben Gurion liebte die Wüste. Er wollte sein ganzes Leben hier zu Hause sein.

Wir nehmen uns eine Wüstenwanderung in der Umgebung des Makhtesh Ramon vor, dem größten der fünf Erosionskrater im Negev. Der Guide führt uns zu versteckten Zisternen – von Gestrüpp umgebene Wasserstellen inmitten des Nichts, sanftgrüne Tupfer im flirrenden Gelbgrau des Gesteins. Hier fanden die Israeliten schon zu biblischen Zeiten Wasser für ihre Herden. Der Tradition nach war hier, nur wenige Kilometer von der ägyptischen Grenze, der Ort, an dem die Söhne Jakobs ihren Bruder Josef, den Träumer, in einer ausgetrockneten Zisterne festhielten. Darauf verkauften sie ihn als Sklave an eine Karawane nach Ägypten.

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Wüstenwandern Israel
Foto: Win Schumacher/Weltwege.de
Der Makhtesh Ramon gehört zu Israels aufregendsten Wanderregionen

Plötzlich stellte ich fest, dass alle Strommasten, alle Verkehrsschilder und Asphaltstreifen aus der Landschaft verschwunden sind. Kein Verkehr und kein Fluglärm ist mehr zu hören. Soweit das Auge reicht, soweit das Ohr im Fernen tastet, nichts als Wüste. Wir sind in der Welt der Genesis. In der Zeit von Abraham, Isaak und Jakob. Ihre Augen haben genau dieses Land gesehen.

Gegen Sonnenuntergang färben sich die Wüstenberge ockerrot, die Wanderer werfen endlose Schatten über das Geröll. Ein angenehm kühler Wind berührt die verschwitzten, sonnenverbrannten Gesichter. Selbst im Hochsommer kann es hier bei Nacht, nahe des Bergs Ramon, in etwa tausend Meter über dem Meeresspiegel recht kühl werden. Die Wanderer sammeln sich nach dem Abend-Imbiss am Lagerfeuer.

In der Wüste ist der Geist der Bibel spürbar

„Wie ist euer erster Eindruck von der Wüste?“, will der Guide wissen. Die Teilnehmer – vorwiegend junge Israelis – sind überwältigt. Der Wanderführer erzählt die Geschichte eines polnischen Rabbis aus dem 19. Jahrhundert. Danach Wüstenstille. Nur das Knacken der glühenden Scheite im Feuer. Die erste Nacht verbringen wir auf Matratzen unter freiem Himmel. Über das Lager spannt sich das wohl klarste Sternenzelt, das viele der Wanderer jemals in ihrem Leben gesehen haben. Ein Bursche hält sein I-Phone in die Höhe. Das Display weiß die Namen aller Sternbilder: Hier der Kleine und Große Wagen, da drüben Skorpion und Jungfrau. Der silberne Schleier der Milchstraße hängt so tief, dass man danach greifen möchte. Es ist jener Nachthimmel, an dem einst Gott Abraham seine Nachkommen zählen ließ.

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Auf den Spuren Abrahams

Am dritten Tag ist die Gruppe erschöpft von den Eindrücken der Wanderung. In der Ferne flimmern schroffe Berge. Einzelne Dattelpalmen streuen blassgrüne Flecken in die Felslandschaft. Hin und wieder tauchen einzelne Blechbaracken zwischen dürrem Gestrüpp und ausgetrockneten, mit Zivilisationsmüll übersäten, Bachläufen auf. Es sind die armseligen Behausungen von Beduinen. Die einstigen Nomaden des Negev. Abrahams Erben der Wüste, hausen in illegalen Siedlungen. Ihre Hütten erinnern an die Verschläge brasilianischer Slums. Etwa 190.000 Beduinen leben in Israel, davon 130.000 im Negev, von denen heute etwa die Hälfte in städtischen Siedlungen wohnt.

Die letzte Nacht verbringen wir im Beduinen-Camp Kfar Hanokdim, einer von stattlichen Dattelpalmen überragten Oase im kahlen Kanaim-Tal der Judäischen Wüste.  Hier machen viele Wandergruppen Station, um über die Kultur der Beduinen zu erfahren, auch wenn das Touristencamp mit ihrer Alltagskultur nicht mehr als das üppige Dekor der großräumigen Zelte mit ihren buntgewebten Polstern und Teppichen gemein hat.

Wüstenwandern Israel
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In Kfar Hanokdim können Touristen im Beduinenzelt übernachten
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Ibrahim Abu Kaf empfängt die Jugendlichen mit  sprichwörtlicher Gastfreundschaft und serviert zuckersüßen Tee und herb-würzigen Kaffee im Nomadenzelt. Schwarz wie die Nacht, stark wie ein Kamel und bitter wie das Leben in der Wüste muss ein guter Kaffee sein, sagen die Beduinen. Abu Kaf trägt das traditionelle weiße Gewand mit Kafiya. Er spricht über den Respekt seines Volkes vor Fremden, die geheimen Botschaften des Kaffee-Rituals und die wundersame Heilkraft von Kamelmilch.

„Die Wüste ist nicht nur gelblich und trocken. Man kann sie lesen wie ein Buch. Und irgendwann wird man lernen hier zu überleben.“ Doch der Gastgeber möchte auch über das moderne Leben und die Probleme der Beduinen in Israel sprechen, über Armut und Kriminalität, genauso aber auch über Beduinen, die jetzt als Lehrer, Ärzte und Anwälte arbeiten – und als Spurensucher in speziellen Einheiten der israelischen Armee. „Wir haben heute Geländewagen statt Esel und nur noch fünf Prozent hüten Schafe und Ziegen“, sagt er stolz, „eine Revolution in der Gesellschaft der Beduinen.“

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Kamele gehören seit Jahrtausenden zum Alltag der Beduinen

In der letzten Nacht in der Wüste tun wir im Beduinenzelt kein Auge zu. Um 4 Uhr in der Früh sollen wir bereits fit sein für den Abschluss der Wüsten-Tour. Ein Reisebus bringt uns durch die Nacht zum Berg Masada. Vom Busparkplatz führt ein schmaler Pfad den steilen Abhang hinauf, wo in der Morgendämmerung die Ruinen einer Festung erkennbar sind.

Im Jüdischen Krieg nahm eine Gruppe Widerständler die von Römern besetzte Festung auf einem Felsplateau über dem Toten Meer ein. Vor allem nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. wurde Masada zum Zufluchtsort für jüdische Freiheitskämpfer.
Weil die Rebellen in der Festung nicht daran dachten, vor der Besatzungsmacht zu kapitulieren, ließen die Römer mühsam eine Belagerungsrampe aufschütten, die noch heute zu sehen ist. Über diese Rampe schafften sie Rammböcke bis an die Festung heran, um die Mauer zum Einsturz zu bringen.

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Masada gehört heute zu Israels beliebtesten Sehenswürdigkeiten

Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang erreichen wir das Gipfelplateau. Müde von der schlaflosen Nacht sinken die Jugendlichen auf den Mauerresten der Festung nieder. Hinter den Bergen Jordaniens jenseits des Toten Meers steigt die Sonne auf.

Die Farbnuancen der umliegenden Hügel wechseln von Mondfarben-Creme zu Erdbraun und Rotgold. Erst jetzt wird das ganze Panorama der Felslandschaften sichtbar, die tiefen Schluchten, schroffen Steilhänge und Schattenspiele rings um die silbern glänzende Oberfläche des Toten Meers. Die Wüste, das können wir am Ende unserer Reise bezeugen, ist nicht nur harsch und lebensfeindlich, sie ist auch voller Schönheit und Magie.

Die archäologische Stätte Masada liegt hoch über dem Toten Meer

Infos und Adressen: Wüstenwandern in der Negev-Wüste, Israel

Anreise: Einen Direktflug von Wien nach Tel Aviv gibt es bei der Austrian.

Unterkünfte:

  • Das Beresheet Hotel am Kraterrand des Makhtesh Ramon gehört zu den feinsten Adressen im Süden Israels.

  • Direkt neben der Seilbahnstation am Fuß des berühmten Festungsbergs liegt das Masada Hostel. Empfehlenswert für alle, die in der großartigen Felslandschaft wandern wollen.

  • Zwischen Arad und Masada: Im Beduinencamp Kfar Hanokdim nächtigen und schlemmen wie zu Abrahams Zeiten. 

Offizielle Tourismus-Website: www.goisrael.de

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