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Reise

Spitzkoppe: Klettern in der Wüste Namibias

• 30. Oktober 2017
4 Min. Lesezeit
von Mark Buzinkay

Ein Kletter-Roadtrip durch den Süden Afrikas ist nicht alltäglich. Auch nicht, was man dabei erlebt. Unser Autor erzählt von dreisten Affen und Bergen, die fast unberührt scheinen.

Endlich stehen Michael und ich vor ihm. Nackter Granit in Ocker-Rot baut sich vor uns auf, noch in der Ferne, aber seine Matterhorn-artige Gestalt ist klar zu erkennen. Etwas östlich erstrecken sich weitere Zacken in den Himmel, die sogenannten Pontoks, aber das Alpha-Männchen hier ist eindeutig die Spitzkoppe (1.728 m). Vom Wind geschliffen und von feinen Rissen durchzogen erhebt sich der Berg über der Halbwüste zwischen Swakopmund und Okahandja im zentralen Namibia. Das benachbarte Flussbett ist schon lange ausgetrocknet, nur vereinzelte Bäume und Büsche lassen den Verlauf des verschwundenen Wassers erahnen. Jetzt, am Ende des Winters, ist die Luft aber angenehm kühl und die Temperaturen sind erträglich. Wir steigen wieder in unser Auto, ein kleiner Honda ohne Allrad und mit wenig Bodenfreiheit. Bald können wir es stehenlassen und uns ganz dem Fels widmen.

Spitzkoppe (links) und Pontoks (rechts)
Foto: Mark Buzinkay
Spitzkoppe (links) und Pontoks (rechts)
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Wir klettern an drei Tagen. Der Fels ist von unterschiedlicher Qualität – von bröselig bis bombenfest, je nach Alter und Schicht, die wir passieren. Mal ist es plattig, dann wieder ergibt sich eine witzige Risskletterei. In den Pontoks erwischen wir eine schöne Tour mit bestem Fels und fantastischen Tiefblicken auf die umliegende Landschaft. Die Luft trocknet unsere Kehlen aus, aber das Gefühl, über der Wüste zu klettern, lässt uns alles vergessen. Wieder einmal sind wir völlig allein: niemand am Einstieg, niemand in der Wand, niemand am Gipfel. Wir haben alle Zeit der Welt – schauen, klettern, entdecken, als sei die Uhr stehen geblieben und nichts außer uns in Bewegung. Die letzte Länge in einem breiten Riss fordert kurz unsere Phantasie, dann holen wir das Seil ein und klettern die letzten Meter frei bis zum abgerundeten Gipfel der Spitzkoppe.

Klettern an der Spitzkoppe und in den Pontoks
Spitzkoppe Namibia
Foto: Mark Buzinkay
Blick über die Halbwüste

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Freche Affen, Schwarze Mambas

Wir ruhen eine Weile, schießen Fotos und blicken auf die vielen Stationen unseres Kletter-Roadtrips zurück, der uns durch das südliche Afrika geführt hat. Hier an der Spitzkoppe und den Pontoks ist es nicht viel anders als an den meisten anderen Orten – wir teilen ganze Berge mit niemandem außer Affen und Vögeln. Von der ersten Felswand auf unserer Reise an war uns klar, dass Klettern in Afrika etwas anders bedeutet, als bei uns in den Alpen. Jeder Griff in einen Riss oder ein Loch fühlt sich nach Neuentdeckung an und ist mit der Hoffnung verbunden, dass dort noch keine Schlange sitzt.

Klettern an der Spitzkoppe
Foto: Mark Buzinkay
Klettern an der Spitzkoppe

In den Drakensbergen in Südafrika bewarfen uns Affen mit Steinen als wir mitten in einer Mehrseillänge standen. Die Handball-großen Trümmer rauschten knapp an uns vorbei ohne Schaden anzurichten, doch wir brüllten sicherheitshalber hinauf. Das schien Wirkung zu zeigen, der Beschuss hörte auf. Wir erklommen den Gipfel und standen der Affenmeute gegenüber, die sich nun friedlich untereinander das Fell putzte. Am Wellington Dome wiederum, einer Granitwand nördlich von Pretoria, mussten wir uns mitten durch Baumkronen vom Gipfel abseilen – ein Terrain, an dem sich die Schwarzen Mamba, die längste Giftschlange Afrikas, besonders wohlfühlt.

Klettern im Süden Afrikas

Wir kehren zurück zu unserem Stützpunkt. Campen gehört zu Südafrika wie das Skifahren zu Österreich. Auch unter der Spitzkoppe ließ sich problemlos ein Lagerplatz finden. Dort steht mit den Spitzkoppe Campsites ein mehrere Quadratkilometer großes Gelände zum Zelten offen – allerdings bietet es nur eine Handvoll Zeltplätze mit Latrinen. Die Folge: Man hat das Gefühl, völlig allein zu sein – zum nächsten Nachbarn läuft man fünf Minuten. Uns gefällt das. Nur dem Gesang der Vögel und dem Zirpen der Insekten lauschend planen wir die nächste Tour für den kommenden Morgen. Später kommen Freunde aus Italien vorbei und kochen mehrere Gänge für uns. Das Grillgitter über der Glut des Lagerfeuers wird mit Gemüse und Fleisch bestückt, zum Nachtisch gibt es Käse. Alles unter einem leuchtenden Himmel aus Millionen Sternen. Wir wissen, dass wir in einem Paradies verweilen und genießen jede Minute davon.

Spitzkoppen-Campingplatz

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Die Nacht bleibt ruhig, anders als in vorangegangenen Stationen unseres Trips laufen im Dunkeln weder Zebras noch Gnus durchs Lager. Als wir aus den Schlafsäcken kriechen ist es noch grau und kühl, aber wir fürchten die Sonne und wollen den Klettertag möglichst früh hinter uns bringen. Nach einem schnellen Frühstück schultern wir die Rucksäcke und steigen einen langen Hang zwischen Bouldern und Platten zu einem Joch namens Happy Hippo hoch, wo wir den Einstieg für unsere geplante alpine Route finden. Das Afrika-Flair hat uns ganz in seinen Bann gezogen. Wir sind noch nicht fertig. Ein neuer Tag an der Spitzkoppe beginnt, ein neuer Tag voller Freude am Klettern.

Infos und Adressen: Spitzkoppe, Namibia

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Foto: Bergwelten
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  • Beste Kletterzeit: Juli - September
  • Visa: Österreichische, deutsche und Schweizer Staatsbürger können für 90 Tage ohne Visa nach Namibia einreisen.
  • Ankommen: Ein Kletter-Trip durch den Süden Afrikas ist nur mit einem Mietauto möglich. Die Klettergebiete liegen meist abseits touristischer Pfade. Überwiegend präsentieren sich die Straßen asphaltiert und in gutem Zustand, auf den einen oder anderen Schlagloch-Fleckenteppich wird man trotzdem treffen.
  • Anreise zur Spitzkoppe: Von Namibias Hauptstadt Windhoek am besten per Mietauto über die geteerte Straße bis Usakos, dann über eine gepflegte Schotterstraße bis zum Eingang des Camping-Geländes.
  • Unterkünfte: in Windhoek zahlreich und in allen Kategorien. An der Spitzkoppe: Spitzkoppe Campingsites; ab 2017 wird auch eine Lodge zur Verfügung stehen. Am Campinggelände gibt es ein Restaurant; für das Campieren unbedingt eigenes Wasser und Feuerholz mitbringen sowie sämtliche Verpflegung.
  • Kommunikation: Englisch wird fast überall gesprochen. Das Mobilfunknetz ist gut ausgebaut, manche Spots um die Spitzkoppe sind jedoch ohne Empfang. WLAN ist selten verfügbar, und wenn, dann langsam.

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