
Notruf und Akku sparen: So nutzt du dein Handy am Berg am besten
Foto: mauritius images
von Peter Plattner
Das allmächtige Smartphone – für viele nicht mehr „nur“ ein Handy, sondern ein elektronisches Schweizer-Taschenmesser, welches das Leben 24/7 begleitet. Was ihr beim Umgang mit dem Smartphone am Berg beachten solltet, erfahrt ihr hier.
Sicherheitsfalle Handy
Wie im Alltag sind wir es auch am Berg gewohnt, unser Smartphone vielseitig einzusetzen: um Fotos und Videos aufzunehmen, unseren Anstieg in einer Karten-App zu verfolgen, die Tour als GPS-Track aufzuzeichnen oder um einfach erreichbar zu sein. Das Smartphone ist immer dabei und stets in Griffweite. Die Gefahr besteht nun darin, sich zunehmend auf die Technik des Smartphones zu verlassen. Vor allem bei sicherheitsrelevanten Aspekten, wie digitalen Karten und Tourenbeschreibungen, die GPS-Funktion zur Navigation und Standortbestimmung oder natürlich die Alarmierung der Rettungskräfte in einer Notsituation – das Smartphone wird schnell zur zentralen Lösung für (fast) alle Probleme.
Doch erstens ist die beste Technik nur so gut wie ihre Anwenderin und zweitens funktioniert sie nur unter gewissen Voraussetzungen, nämlich:
wenn genug Energie vorhanden ist, sprich der Akku ausreichend geladen ist,
wenn nichts kaputt ist - weder mechanisch noch elektronisch - und
wenn eine Netzabdeckung in der für die Anwendung entsprechenden notwendigen Qualität vorhanden ist.
Vor allem der letzte Punkt kann bei schlechter Netzqualität die Funktion vieler Apps einschränken. Ist überhaupt kein Netz vorhanden, ist das Absetzen eines Notrufes schlicht und einfach nicht möglich.


Drei häufige Probleme im Umgang mit dem Smartphone am Berg
Netzabdeckung
Wir verlassen uns gerne darauf, dass wir immer ein verfügbares Mobilfunknetz und somit zumindest die Möglichkeit zum Telefonieren haben, denn fast überall ist heutzutage eine schnelle Datenverbindung Standard. Am Berg – außerhalb von Siedlungsräumen oder Skigebieten – kann es jedoch in Österreich und anderen Alpenländern immer wieder vorkommen, dass es gar keine Netzabdeckung gibt. Und somit auch keine Möglichkeit, einen Notruf mit dem Smartphone abzusetzen! Auch wenn eine Siedlung oder ein Skigebiet in Sichtweite ist, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Netz zur Verfügung steht, um z.B. den Euro-Notruf 112 abzusetzen.
Energie
Die vielen Funktionsoptionen machen ein Smartphone schnell zum Energiefresser: Je mehr Funktionen, Apps, Push-Nachrichten und Einstellungen (WLAN, Bluetooth etc.) aktiviert sind, desto mehr arbeitet es (unbemerkt) im Hintergrund, versucht verschiedenste Verbindungen aufzubauen und mindert dabei sukzessive die Akkuleistung.
Kälte
Kälte schwächt jeden noch so starken und modernen Handyakku. Der Kälteeinfluss kann sogar dazu führen, dass sich das Gerät nicht einmal mehr einschalten lässt. Wer sein Smartphone auf Tour tiefen Temperaturen aussetzt und dabei im Hintergrund noch zahlreiche Anwendungen laufen lässt, der darf nicht überrascht sein, wenn das Akkusymbol bald rot aufleuchtet.
Was kann ich tun?
Wofür nehme ich mein Handy mit?
Vorab gilt es abzuklären, was man mit dem Smartphone auf Tour machen möchte bzw. für welche Zwecke man es mitnimmt: Als Kamera, GPS-Navigationsgerät, Mail-/WhatsApp-Messenger oder Kommunikationsmittel in einer Notsituation?
Die großformatigen Business-Smartphones sind zum Bergsteigen weniger gut geeignet als ein robustes Modell mit vernünftig großem Display, das auch noch gut in der Brusttasche verstaut werden kann.
Tipp: Es gibt zahlreiche gute und schlechte Apps, fürs Wandern und Bergsteigen – von der Wetterprognose über den Gipfelfinder bi zur digitalen Karte. Lieber weniger solcher Apps installieren, diese aber regelmäßig verwenden, sodass man sie jederzeit – auch wenn es einmal etwas stressig wird – bedienen kann!
Wie kann ich Energie sparen?
Z.B. Indem ich das Gerät warm halte, also tiefe Temperaturen vermeiden und das Smartphone bei -12° nicht einfach eingeschaltet in die Deckeltasche des Rucksacks packe. Ideal für eine lange Akkuleistung sind ca. 20°, d.h. im Winter das Handy am Körper tragen und es eventuell zusätzlich in eine Schutzhülle stecken. In Notsituationen ist es wichtig, das Telefon griffbereit zu haben (Stichwort: Brusttasche). Viele Anoraks und Softshells sind inzwischen mit eigenen (innenliegenden) Handytaschen ausgestattet.
Hinweis: Je nachdem, wo das Smartphone verstaut wird, muss auch die Trageweise des Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts (LVS) angepasst werden: Dieses sollte mindestens 30 cm vom Handy (und anderen elektronischen Geräten) entfernt aufbewahrt werden, also entweder auf der anderen Körperseite im Tragesystem oder in einer gesicherten Hosentasche.
Für das Smartphone selbst empfehlen sich folgende Einstellungen, um Akkuleistung zu sparen:
WLAN, Bluetooth, Push-Meldungen und weitere Dienste ausschalten! Das passiert inzwischen bei vielen Handys automatisch mit der Aktivierung der Funktion „Batterie-Sparmodus“ Ev. bitte zusätzlich auch gleich den Ton ausschalten, weil das Klingeln auf Tour echt nerven kann dafür kann man ja einen Vibrationsalarm aktivieren. Man kann auch einen Schritt weiter gehen und den Flugzeugmodus aktivieren, wobei man sich dann zwar aus dem Telefonnetz ausloggt, aber z.B. die GPS-Funktion bei Bedarf noch verwenden kann. Achtung: Eine aktive und passive Anwendungen funktionieren dann natürlich nicht mehr, z.B. Handyortung, passives Tracking, etc.
Das Smartphone ausschalten, wenn man keine Apps oder andere Funktionen benötigt und auf diese Weise am meisten Akku sparen, doch auch hier gilt dasseklbe „Achtung“ wie oben.
Handyaktivitäten im Freien reduzieren – hierzu gehören auch Selfies!
Premium-Apps statt kostenloser Werbeversionen verwenden: das Laden von Werbeeinblendungen z.B. bei Wetter-Apps benötigt eine Datenverbindung und damit Energie.
Ein Energiefresser ist das Display, insofern sollte die Displayhelligkeit auf Maximum eingestellt ist (bei Sonnenschein sieht man sonst ohnehin nichts) aber es dafür nur kurz verwendet werden
Die Lösung der meisten Energieprobleme ist ein externen Akkupack zum Aufladen im Gelände (damit können, wenn notwendig, auch die Stirnlampe und andere Geräte geladen werden)
Tipp: Ein kleines Headset (Kopfhörer mit Mikrofon) in der Smartphonetasche ist auf Tour eine gute Idee. Ersten kann man so bei schlechter Netzabdeckung das Handy so ausrichten, dass man sieht, wie viele Balken angezeigt werden. Zweitens kann man bei widrigen Bedingungen (z. B. bei starkem Wind) besser telefonieren und hat auch beide Hände frei, wenn man etwa auf einen Rückruf wartet oder von der Leitstelle Anweisungen zu Erste-Hilfe-Maßnahmen bekommt. Das hat auch den Vorteil, dass das Smartphone weiter in der warmen Brusttasche bleibt und dadurch Akkuverbrauch spart.

Wie gehe ich mit dem Thema Netzabdeckung um?
Eine gute Idee ist es sich im Vorfeld zu informieren, wie es auf der geplanten Tour mit der Netzabdeckung aussieht. Dazu gibt es im Internet entsprechende Netzabdeckungs-Karten der verschiedenen Anbieter, wo man sich über folgende drei Möglichkeiten informieren kann:
Das Heim- bzw. ein Roaming-Netz des SIM-Karten-Anbieters steht zur Verfügung: Perfekt, man kann mit seinem Mobiltelefon wie gewohnt jede beliebige (Notruf-)Nummer anrufen und zurückgerufen werden.
Ein Fremd-Netz steht zur Verfügung: Das Handy-Display zeigt die Info „Nur SOS/Notruf möglich“ an und es kann nur der Euronotruf 112 gewählt werden, ein Rückruf ist nicht möglich.
Kein Mobilfunk-Netz steht zur Verfügung: Das Display zeigt die Info „Kein Netz“ und somit kann nicht telefoniert werden (auch der Euronotruf 112 ist nicht erreichbar). Bei einigen aktuellen Mobiltelefonen ist dann das Absetzen einer Notfallnachricht via Satellit an eine eigene Notfallleitstelle möglich, die auch via einer Nachricht antworten kann und die nationalen Rettunsgkräfte informiert.
Ohne Netzabdeckung verschärft sich jede Notsituation und man hat folgende Möglichkeiten, um die Rettungskräfte zu alarmieren:
Einen Ort mit Netzabdeckung suchen und von dort einen Notruf absenden. Das bedeutet in den meisten Fällen, zu einem höher gelegenen Ort bzw. einem Punkt mit „freier Sicht“ zu gehen (diese Positionen kennt man aus der Netzabdeckungs-Karte bzw. vom Hüttenwirt oder Locals).
Bei einigen aktuellen Mobiltelefonen ist dann das Absetzen einer Notfallnachricht via Satellit an eine eigene Notfallleitstelle möglich, die auch via einer Nachricht antworten kann und die nationalen Rettunsgkräfte informiert.
Ist das keine Option, wird jemand von der Gruppe ins Tal oder zur nächsten Hütte abfahren/aufsteigen müssen, um Hilfe zu holen – idealerweise nicht allein!
Apps und Einstellungen, die bei einem Notruf unterstützend wirken
Notruf-App:
Die verschiedenen Notruf-Apps kennen die beste Notruf-Nummer, ermitteln den Standort und übermitteln diesen bei einem Anruf bzw. einer SMS an die Leitstelle gleich mit oder man kann seine Position ablesen bzw. als SMS mitschicken. Die meisten dieser Apps funktionieren aber nur im Heim-/Roaming-Netz.Notruf via SMS
Bei schlechter Heim-/Roaming-Netzabdeckung ist manchmal kein Sprachanruf möglich, aber eine SMS kann unter Umständen übermittelt werden. Hier helfen einige der Notruf-Apps bzw. kann man in manchen Ländern solche Notfall-SMS an bestimmte Notrufnummern schicken (in Österreich z.B. an den Gehörlosen-Notruf / 0800133133), wo sie bearbeitet werden.Einmalige oder permanente Standortfreigabe über Google Maps, WhatsApp, Facebook, Wo ist? und andere Dienste bzw. Apps, die es ermöglichen, den aktuellen Standort mit anderen zu teilen. Im Notfall können dann Freunde oder Familienmitglieder schauen, wo sich das Smartphone aktuell befindet bzw. wo es bis zum Abbruch der Netzverbindung war.
Kommunikation ohne Mobiltelefon-Netz: via Satellit
Ist man regelmäßig in Gebieten ohne Netzabdeckung unterwegs, bieten moderne Notfallsender (sog. SAT-Messenger, z.B. Garmin InReach, Spot …) die Möglichkeit, SMS- und Mail-Nachrichten via Satellit zu senden und (teilweise) auch zu empfangen. Mit dem Smartphone gekoppelt oder auch nur mit dem Messenger können Notrufe inkl. GPS-ermittelter-Koordinaten an internationale Leitstellen oder Freunde abgesetzt und beantwortet werden. Damit ist eine wechselseitige Kommunikation zu deutlich günstigeren Konditionen als mit einem vollwertigen Satellitentelefon möglich – allerdings ohne Sprache, sondern nur via Textnachrichten. Aber auch ohne Notsituation kann damit schnell und von überall eine Nachricht an jeden beliebigen Empfänger geschickt werden, z.B. um mitzuteilen, dass es etwas später wird oder man ein Taxi benötigt. Für etwas höhere Kosten kann über einen Link die Position des Messengers live mitverfolgt werden.
Wie bereits erwähnt bieten auch immer mehr Mobiltelefone die Möglichkeit bei keinem Netz direkt via Satellit eine Notfallnachricht abzusetzen. Das funktioniert mit verschiedenen Satelliten-Systemen (iPhone z.B. mit Globalstar), geht an eine internationale bzw. europäische Leitstelle und hat sich in der Praxis auch beim Bergsteigen bewährt. Mit den Details muss sich jeder Besitzer eines solchen Smartphones beschäftigen, denn auch hier gibt es einige Details und Tipps zu berücksichtigen.
Welche Möglichkeiten habe ich zusätzlich?
Karte auch analog/ausgedruckt mitnehmen.
Einen Ausdruck der Tourenbeschreibung mitzuführen.
Geladenen Akkupack mit passendem Ladekabel mitführen.
Bei häufiger Nutzung lieber eigene Digitalkamera bzw. eigene GPS-Uhr/GPS verwenden als alles mit dem Smartphone zu machen, um Akkuleistung zu sparen und ein Backup zu haben.
Bei abgelegenen und exponierten Touren ein alternatives Kommunikationsmittel (SAT-Messenger/Telefon, Funk) einpacken.
Notfallszenarien ohne Netzabdeckung vorab mit allen thematisieren.
Familie/Freunde vorab über die Tour und den Zeitplan informieren.
- Alpinwissen
Sicher unterwegs am Berg
- Berg & Freizeit
Orientierung im Gelände
- Alpinwissen
8 Tipps für mehr Sicherheit beim Wandern
- Berg & Freizeit
9 sonnige Outdoor-Reiseziele von nah bis fern