
Podcastfolge #89 Wie wichtig ist Mode am Berg?
Foto: Irina Gavrich
Dresscodes, Fashiontrends und modische Selbstinszenierung: In dieser Folge des Bergwelten-Podcasts gehen wir der Frage nach, ob es auch jenseits der Baumgrenze eine Kleiderordnung gibt, warum Funktionskleidung unter dem Trendbegriff „Gorpcore" immer häufiger den Weg in den städtischen Alltag findet – und weshalb Bergmode für Frauen lange Zeit vernachlässigt wurde.
Funktionalität vor Fashion
Am Berg zählt vor allem eines: Sicherheit. Das sieht auch die Südtiroler Soziologin und Modetheoretikerin Monica Titton so: „Als jemand, die am Berg aufgewachsen ist, gibt es für mich keinen Dresscode – außer den Dresscode der funktional richtigen Kleidung“, erzählt sie im Podcast. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Mode am Berg keine Rolle spielen darf?
Für mich gibt es am Berg keinen Dresscode – außer den der funktional richtigen Kleidung.
Nein, sagt die kanadische Content-Creatorin Sabrina Bloedorn. Sie teilt in den sozialen Netzwerken seit mehreren Jahren ihre coolsten Wanderoutfits – und ist deshalb auch als „Queen of Gorpcore" bekannt. „Ist der Wanderweg ein Laufsteg? Ich sage immer: Warum nicht? Ich ziehe mich auch im Alltag gerne schick an. Warum sollte ich das nicht auch beim Wandern machen?“, sagt Sabrina im Podcast-Interview. Aber auch für sie gibt es eine wichtige Einschränkung: Funktionalität ist immer wichtiger als Fashion, räumt sie ein.
Gorpcore: Outdoor-Mode als Streetstyle
Funktionsmode sieht man längst nicht mehr nur am Berg – sie erobert in den letzten Jahren zunehmend unseren Alltag und die High-Fashion-Welt: Fleecewesten von Patagonia werden zum Einkaufen getragen, Trailrunningschuhe von Salomon beim Kaffeetrinken mit Freundinnen und Freunden. Der globale Trend, der diese Vermischung von Funktionskleidung und Streetstyle beschreibt, trägt den Namen Gorpcore. Groß wurde der Trend in den 2020er-Jahren – unter anderem durch die sozialen Medien und das wirtschaftliche Kalkül großer Modekonzerne, erklärt Monica Titton: „Wenn man über Mode spricht, spricht man über eine globalisierte Industrie mit einer unheimlichen ökonomischen Wichtigkeit. Es sind immer ökonomische Interessen, die da im Spiel sind.“

Nachhaltigkeit: Die Schattenseite des Trends
Der Hype um Outdoor-Mode hat auch eine Schattenseite: Viele Hightech-Materialien sind nicht recycelbar und basieren auf Erdöl; sie sind in keinster Weise biologisch abbaubar. Für Monica Titton ist klar: Mode bedeutet oft Überproduktion und Überkonsum – auch im Outdoor-Sektor. Sabrina Bloedorn setzt deshalb auf langlebige Stücke, Second-Hand-Funde und selbstgenähte Kleidung. Ihr Credo: Lieber einmal in Qualität investieren, als jedes Jahr neu kaufen.

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Gender in der Outdoor-Mode
Mode am Berg ist auch ein feministisches Thema. Die Outdoor-Industrie hat Frauen nämlich lange Zeit als „geschrumpfte Männer“ behandelt – „shrink it and pink it“ war das Motto. Im Produktdesign wurden weder weibliche Körperformen noch diverse Größen berücksichtigt. Hier sieht die Modetheoretikerin Monica Titton noch immer großen Aufholbedarf: „Männer bekommen supercoole, hyperfunktionale Sachen. Die Frauensachen werden dann so am Ende abgespeist.“ Immerhin bringen Trends wie Gorpcore mehr Vielfalt und Inklusivität in die Kollektionen – ein Fortschritt, von dem alle profitieren.
Fazit
Gibt es also einen Dresscode am Berg? Ja – und er ist einfach: Trage Kleidung, die funktional ist und dich sicher ans Ziel bringt. Alles andere ist Geschmackssache.
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