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Immunologe Arnulf Hartl im Interview

Glückliche Wanderer

• 16. April 2018
3 Min. Lesezeit

Wieso uns das Bergaufgehen zu glücklicheren Menschen macht und wie wichtig es ist, den Gipfel gemeinsam zu erreichen, erklärt der Forscher Arnulf Hartl. 

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Foto: Roland Vorlaufer
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Univ.-Doz Dr., Arnulf Hartl ist Leiter des Institiuts für Ökomedizin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg. Er forscht mit seiner Arbeitsgruppe am Themenkomplex Natur und Gesundheit, dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Bergsteigen als therapeutische und präventive medizinische Maßnahme. Das Interview in voller Länge erschien im Bergwelten Magazin (Februar/März 2018).

Bergwelten: Herr Hartl, wir wollten ein paar Sätze über das Wandern reden.

Arnulf Hartl: Wir sollten zuerst einmal über den Begriff reden. Ich mag das Wort „Wandern“ nämlich gar nicht so gern. Als echter Österreicher gehe ich „bergsteigen“, das war immer schon so, seit ich klein war. In meiner Familie ist man „bergsteigen“ gegangen, „wandern“ war das, was die anderen machen. Oder, um ein Vorurteil rauszuholen: Wandern war das, was die Flachländer gemacht haben.

Die dann glückliche Menschen sein müssen. Ihre Forschung hat ergeben, dass Wanderer glücklichere Menschen sind.

Weil es die natürlichste Bewegung ist, die man ausführen kann. Wir sind als Zweibeiner auf die Welt gekommen. Laufen zu lernen war der erste große Moment unseres Lebens. Solange wir laufen, so lange leben wir. Und wenn wir diese Mobilität verlieren, ist es oft ein Zeichen, dass es uns nicht mehr gut geht.

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Bleiben wir beim Wandern. Ab wann wird aus dem Herumlaufen Wandern?

Ab dem Zeitpunkt, ab dem es dreidimensional wird. In einem Park geht man spazieren, würde ich meinen.

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Es muss bergauf gehen?

Ja. Beim Bergaufgehen muss man die Füße heben, man kann nicht nur einfach dahinschlurfen. Man hebt die Fersen, beansprucht die Kniemuskulatur, natürlich auch Herz und Lunge, das ist aus medizinischer Sicht wichtig. Und das ist eben bevorzugt an einen Berg gebunden.

Da gibt es jede Menge Fitnessstudio-Betreiber, die widersprechen würden.

Also schon allein orthopädisch kann ein Laufband die Dreidimensionalität eines Wanderwegs nie ersetzen. Auf einer immer gleichen Ebene trainiert man viel weniger Muskelpartien, als wenn ich bei jedem Schritt darauf achten muss, wo ich ihn hinstelle. Und außerdem: Wir haben kürzlich Indoor- und Outdoor-Bewegung miteinander verglichen. Und der Effekt, wenn man draußen Sport betreibt, also sogenannte Green-Exercises betreibt, ist weit höher als der von Indoor-Aktivitäten.

Also wird jeder Mensch glücklicher, wenn er durch die Natur stapft?

Ja. Wir sind alle biophil, reagieren positiv auf die Natur. Die physiologische Wirkung von Grün ist bei allen Menschen ident, egal ob sie irgendwo im Oberen Pinzgau wohnen oder in einer hoch urbanisierten Region. Der Unterschied ist nur, dass Menschen, die nie Natur sehen, für viele psychische Krankheiten anfälliger sind als Menschen vom Land. Statistisch gesehen ist für einen erwachsenen Mann in der Stadt die Wahrscheinlichkeit, schizophren zu werden, um 180 Prozent höher als für einen Landbewohner im gleichen Alter.

Noch ein anderes Thema: Wie wichtig ist es eigentlich, dass wir bis zum Gipfel kommen?

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Das kommt darauf an. Wir haben einmal eine Studie zur Beziehungsqualität von Wanderern gemacht; man kann das messen. Wir haben dafür nichts anderes getan, als 50- bis 65-jährige verheiratete Paare gemeinsam wandern geschickt – und dann geschaut, wie es wirkt.

Und wie wirkt es? Mit absoluter Schweigsamkeit?

Wir haben festgestellt, dass Paare nach einem gemeinsamen Gipfelsieg 240 Tage eine nachgewiesen höhere Beziehungsqualität hatten. 240 Tage. Das ist signifikant.

Wir fragen jetzt nicht nach, wie man das nachweisen kann, sondern lieber: Woran liegt das?

Es mag vielleicht ein bisschen trivial sein, aber der Mann wollte noch einmal für seine Frau der Held sein. Er wollte einmal noch der Erste am Berg sein – und seine Frau noch einmal die Schönste. Das sind einfache psychologische Mechanismen, aber das hat gewirkt. Das Interessante ist, dass wir die gleiche Studie auch mit jüngeren, 30- bis 50-jährigen Probanden durchgeführt haben. Und da gab es genau keinen Effekt. Das Wandern, der Gipfelsieg hatten überhaupt keinen Einfluss. Da sind alle noch so fit, dass sie sich nicht darüber definieren, ob sie es am Berg bis ganz nach oben schaffen oder nicht.

Interview: Markus Huber

 

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