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Sicherheitscheck

Keine Bindungsängste: So findest du die richtige Skitourenbindung

• 1. Februar 2017
4 Min. Lesezeit
von Peter Plattner

Skitourenbindungen eignen sich für Abfahrt und Anstieg. Sie sollen leicht, komfortabel, robust und sicher sein. Bezüglich einer verlässlichen Auslösung kommt es aber nicht nur auf das Bindungsmodell an, sondern auch darauf, ob der Schuh dazu passt und die Bindung richtig bedient wird. Peter Plattner klärt im heutigen Sicherheitscheck auf.

Freeriden: Wintersportler im freien Gelände
Foto: argonaut.pro
Freeriden: Powder-Spaß ohne Bindungsängste
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Jede Skibindung ist das Interface zwischen Schuh und Ski und damit zwischen Mensch und Schnee. Sie soll den Schuh für die Abfahrt möglichst wackelfrei fixieren und sicher auslösen. Die Bindung soll immerhin nur dann aufgehen, wenn es notwendig ist – etwa bei einem Sturz – und zwar möglichst reproduzierbar beim entsprechend eingestellten Z-Wert. Eben so, wie wir es seit Jahren von den Alpinbindungen gewöhnt sind.

Mit einer Skitourenbindung wollen wir allerdings zusätzlich auch aufsteigen können. Wir benötigen also einen Mechanismus, der die Ferse „freigibt“. Wir verwenden dafür keinen normalen Skischuh mit einer standardisierten glatten „Alpinsohle“, sondern einen Skitourenstiefel mit einer Profilsohle. Und hier gibt es keine Standards: Manche Sohlen sind mehr gebogen, manche Profile tiefer, ...

In den letzten Jahren hat sich viel getan, das Angebot im Fachhandel kann schnell überfordern. Wir geben euch darum einen Überblick. Vorab: Nicht jeder erhältliche Tourenskischuh passt in jede erhältliche Bindung und löst sauber aus. Doch der Reihe nach: Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Skitourenbindungen.

1. Rahmenbindungen

Skitourengeher mit Rahmenbindung
Foto: argonaut.pro
Skitourengeher mit Rahmenbindung

Beliebt auf Bergwelten

Vorder- und (Step-In)-Hinterbacken sind durch einen Steg (Rahmen) miteinander verbunden. Dieser wird mit einem Mechanismus für die Abfahrt fixiert und für den Aufstieg entriegelt, wobei sich der Steg (inklusive Hinterbacken) mit dem Schuh um ein Scharnier bewegt.

Vorteile

Auch beliebt

  • Hoher Sicherheits-(Auslöse)-Standard
  • Hoher Komfort (Einstieg)
  • Leichte Anpassbarkeit an fast alle Skischuh-Typen mit unterschiedlichen Sohlenkonstruktionen
  • Sehr gute Kraftübertragung – und damit Abfahrtsperformance

Nachteile

  • Begrenzter Aufstiegskomfort (Drehpunkt liegt sehr weit vorne und erschwert natürliche Abrollbewegung)
  • Hinterbacken ist zuweilen nicht optimal fixiert (kein optimaler Kraftschluss zwischen Bindung und Ski)

Schuhe mit reduzierter Sohlenkonstruktion an Schuhspitze (zumeist Leichtmodelle) und -ferse, also ohne ausgeprägte „Kante“/Überstand, eignen sich nicht für Rahmenbindungen. Bei manchen Tourenschuhmodellen ist die Konvexität der Profilsohle so stark ausgeprägt, dass es zu einer Verzerrung der Auslösewerte kommen kann und damit die Sicherheitsfunktion nicht mehr garantiert ist. Hier sollte individuell nachgeprüft werden.

Oft wird auch das vermeintlich hohe Gewicht der Rahmenbindungen als Nachteil genannt. Das mag für einige Freeride-orientierte Bindungen mit Aufstiegsmodus zutreffen, bei reinen Tourenbindungen beträgt die Gewichtsdifferenz zu vergleichbaren Tech-Bindungen allerdings nur 50-250 g pro Paar.

2. Tech-Bindungen

Skitourengeher mit Tech-Bindung
Foto: argonaut.pro
Skitourengeher mit Tech-Bindung
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Bei Tech-Bindungen wird ein an Spitze und -ferse mit Tech-Inserts (Aussparungen) ausgestatteter Schuh mit Pins/Zapfen am Ski fixiert. Für die Aufstiegsfunktion haben die Hersteller beim Hinterbacken unterschiedliche Lösungen gefunden. Fritschi und Marker schieben den Backen mit einem Hebel auf der Bindungsplatte einfach nach hinten und geben dadurch die Ferse frei. Andere Hersteller drehen den Hinterbacken auf die Seite weg. Nur Trab kommt hinten ohne Pins, Schiebe- oder Drehmechanismus aus. Allerdings passen in den Trab-Hinterbacken nur Schuhe mit einem Adapter, der zumeist noch nachträglich installiert werden muss.

Vorteile

Wer ernsthaft Skitouren unternimmt, kommt wegen des hohen Gehkomforts an den Tech-Bindungen nicht vorbei. Der Drehpunkt liegt je nach Schuhmodell rund 1-2 cm hinter der Schuhspitze, was eine ökonomisches, natürliches „Abrollen“ ermöglicht. Die Schrittlänge im flachen Gelände ist groß, steiles Gelände und Spitzkehren erfordern weniger Kraftaufwand. Zudem klebt an der Ferse kein Zusatzgewicht, da der Hinterbacken am Ski bleibt und nicht bei jedem Schritt mitgehoben werden muss. Die entsprechenden Wettkampfbindungen wiegen unter 200 g pro Paar – allerdings ohne Sicherheitsfunktion und Stopper.

Nachteile

Der Einstiegskomfort ist geringer, das Fixieren des Schuhs am Vorderbacken erfordert Übung. Auch bei Kraftübertragung und Abfahrtsperformance müssen bei einigen Modellen Abstriche gemacht werden. Fritschi und Trab arbeiten mit einem „steifen“ Hinterbacken und optimalen Kraftschluss zwischen Bindung und Schuh. Bei allen anderen Tech-Bindungen kann der Hinterbacken bei jedem Schwungansatz etwas mitrotieren, sodass es zu Verlusten bei der Kraftübertragung auf den Ski kommt. Die Abfahrtsperformance ist daher deutlich geringer. Im Weichschnee oder bei Traumpulver spielt das keine Rolle, aber gerade dort, wo exaktes Steuern gefragt ist – also bei harten, eisigen Bedingungen oder schwierigen Abfahrten – ist das spürbar von Nachteil.

Viele Benutzer von Tech-Bindungen wissen allerdings nicht um die fehlende Sicherheitslösungen im Aufstiegsmodus: Dafür muss der Vorderbacken verriegelt werden – und bleibt es auch im Falle eines Sturzes oder Lawinenabgangs. Die erhöhte Verletzungsgefahr und die Ankerfunktion des Skis im Falle eines Schneebretts sind ein Faktum und sollten nicht schöngeredet werden. Einzig Fritschi bietet im verriegelten Aufstiegs-Modus eine Art Notauslösung für diese beiden Szenarien.

Freeriden: Wintersportler im freien Gelände
Foto: argonaut.pro
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Apropos Auslöseverhalten: Eine Zertifizierung als Sicherheitsskibindung (nach DIN ISO 13992) besitzen drei Hersteller:

  1. Dynafit Radical- und Beast-Serie,
  2. Fritschi Vipec
  3. und Marker KingPin.

Dynafit zertifizierte auch gleich die Dynafit-Tech-Inserts der Tourenschuhe mit. Das macht Sinn, zeigt aber zugleich, dass eben nicht alle Schuhe gleich zu verwenden sind. Relativiert werden muss die ganze Diskussion um Zertifizierungen allerdings aufgrund der Tatsache, dass es keine eigenen Normen für Tourenbindungen gibt. Definierte Seitauslösung am Vorderbacken – wie bei Alpinbindungen – gibt es nur bei der Frischi Vipec und der Trab TR2. Eine Diskussion über die Vorteile dieser Lösungen erübrigt sich. Alle anderen Tech-Bindungen steuern auch die Seitauslösung über den Hinterbacken. Deswegen bringt es auslösetechnisch nichts, den Vorderbacken bei der Abfahrt zu verriegeln, denn der Hinterbacken öffnet sich trotzdem und die Verletzungsgefahr steigt enorm!

Grundsätzlich gilt jedoch – mit oder ohne TÜV –, dass fachmännisch montierte und richtig eingestellte Tech-Bindungen einen hohen Sicherheitsstandard haben. Fachpersonal, das eine Tech-Bindung sauber montieren und einstellen kann, findet man ausschließlich in den besten Fachgeschäften.

Sicherheitsrelevanz

Wer Wert auf möglichst hohe (Auslöse)-Sicherheit bei seiner Tourenbindung legt, sollte Folgendes beachten: Große Abnützungserscheinungen an Schuhspitze und -ferse beeinflussen die Auslösewerte speziell bei Rahmenbindungen. Dort können auch stark abgetragene Sohlen einen ordentlichen Kraftschluss am Vorderbacken einschränken, wenn sich dieser nicht mehr weiter „herunterdrehen“ lässt. Stark abgenutzte oder beschädigte Schuhinserts oder Pins stellen ein veritables Sicherheitsrisiko dar und gehören erneuert. Auf seiner Homepage bietet Fritschi einen lesenswerten 4-Punkte-Check zur Überprüfung an und beschreibt damit einen neuen interessanten Weg.

Tourenskischuh
Foto: argonaut.pro
Tourenskischuh – ohne Bindungsängste

Bekannte Probleme

Wie bei fast jedem alpinen Ausrüstungsteil gibt es auch bei Skitourenbindungen immer wieder Probleme. Abhängig von der gewählten Unternehmung und Situation können diese „lästige“ bis „lebensbedrohliche“ Konsequenzen haben. Prinzipiell darf auf das Wärmste empfohlen werden, niemals eine Bindung in ihrem Erscheinungsjahr zu kaufen, ganz einfach weil erfahrungsgemäß immer Probleme auftauchen, die dann erst im Rahmen der nächsten Produktion gelöst werden.

Was passt zusammen?

Vorab: Ski, Schuh und Bindung sind Teile einer Einheit, die zusammenpassen müssen – ganz einfach weil sie gemeinsam funktionieren. Tatsächlich sieht man im Gelände immer wieder die kühnsten Kombinationen. Denn: Es kann eben nicht jeder Skitourenschuh mit jeder Skitourenbindung verwendet werden.

In der Praxis spielen im Tourenbereich sowohl die superleichten aufstiegsorientierten Ski-Schuh-Bindungs-Sets ebenso wie die kolossal abfahrtsorientierten Kombos eine untergeordnete Rolle – auch wenn uns Werbung und Industrie etwas anderes einreden möchten.

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