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Sicherheitscheck

Standplatzbau: Das „weiche Auge“

• 22. April 2020
3 Min. Lesezeit
von Peter Plattner

Ein „weiches Auge“ ist nichts anderes als eine Schlaufe aus Seil- oder Bandmaterial, in das beispielsweise Karabiner eingehängt werden können. Welche Rolle das „weiche Auge“ beim Standplatzbau spielt und wie man es knotet, erklären unsere Sicherheitsexperten Peter Plattner und Walter Würtl.

„Weiches Auge“: Schlaufe aus Seil- oder Bandmaterial
Foto: argonaut.pro
„Weiches Auge“: Schlaufe aus Seil- oder Bandmaterial – hier mit einem doppelten Bulin geknotet
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Standplatzbau

Lange Zeit wurde am Standplatz ein Verschlusskarabiner als „zentraler Punkt“ verwendet. Dort wurden dann weitere Karabiner zur Selbst- und Partnersicherung eingehängt. Einige Länder wie zum Beispiel Frankreich sahen es allerdings immer schon als kritisch an, quasi die ganze Seilschaft an nur einen einzigen Karabiner zu hängen – wusste man doch, dass dieser unter Umständen brechen könnte. Brüche ereigneten sich zwar regelmäßig an Karabinern von Expressschlingen (Zwischensicherungen), am Zentralkarabiner eines Standplatzes ist bis dato aber noch keiner bekannt.

Trotzdem ist es nicht geschmeidig, einen Karabiner in einen anderen zu hängen: Ungünstige Querbelastungen auf Karabinerschenkel und -schnapper können auftreten, der Karabiner muss immer zugeschraubt werden, es wird alles ein bisschen unübersichtlich, ... Obwohl das Prinzip des Zentralkarabiners jahrelang gut funktioniert hat – und es auch immer noch tut –  war es vermutlich Dieter Stopper, der mit steigender Beliebtheit der Reihenverankerung das sogenannte „weiche Auge“ ins Spiel brachte. Anstelle eines Karabiners wird dabei einfach ein Auge in eine „weichen“ Bandschlinge geknotet und als zentraler Punkt verwendet.

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    Damit die Sache aber nicht zu einfach wird, wurde das „weiche Auge“ mit einem doppelten Bulinknoten gemacht. Das hat zwei Gründe:

    1. Der Bulinknoten schwächt das Bandmaterial weniger und
    2. ist auch unter Belastung (zum Beispiel wenn der Sichernde mit seinem Körpergewicht drinnen hängt) etwas „offen“ – heißt: ein anderer Karabiner kann leicht eingehängt werden.

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    Es macht also durchaus Sinn sich daheim in Ruhe eine lange (120 cm) Bandschlinge als Standplatzschlinge herzurichten, indem man sie mit einem sauber geknoteten „weichen Auge“ à la doppelter Bulinknoten und zwei Verschlusskarabinern ausstattet. Es macht nichts, wenn sich der Knoten mit der Zeit immer fester zusammenzieht, man kann ihn einfach drinnen lassen, denn diese Schlinge beziehungsweise das „weiche Auge“ eignet sich auch perfekt als Abseilschlinge, für den Stand an einem Fixpunkt (Felskopf, Baum, ...), für Klemmknoten (FB-Klemmknoten), ...

    Und so geht das „weiche Auge“ mit doppeltem Bulinknoten:

    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten
    Foto: argonaut.pro
    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten: Foto 1

    Foto 1

    Sackstichschlinge knoten und zwar eng an der Vernähung der Bandschlinge, damit die Naht dann später möglichst wenig stört. Darauf achten, dass alle Stränge parallel laufen und nichts verdreht ist. Den Sackstich aber nicht zusammenziehen, sondern locker um den Zeigefinger offen lassen. Es ist übrigens völlig egal, ob die Bandschlinge aus Polyamid, Dyneema oder Mischgewebe besteht.

    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten
    Foto: argonaut.pro
    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten: Foto 2
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    Foto 2

    Schlinge zurückklappen und zwar über den ganzen Knoten – so, dass sie auf dem Zeigefinger liegt. Die Schlinge muss jetzt einmal „umgeklappt“ werden, damit nichts verdreht ist (rechts).

    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten
    Foto: argonaut.pro
    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten: Foto 3

    Foto 3

    Die zwei Stränge über dem Zeigefinger behutsam herausziehen, sodass die zurückgeklappte Schlinge zugezogen wird.

    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten
    Foto: argonaut.pro
    „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten: Foto 4

    Foto 4

    Jetzt noch alle Stränge eng zusammenziehen – fertig ist ein „weiches Auge“ mittels doppeltem Bulinknoten.

    Vorbereitete Standplatzschlinge: „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten
    Foto: argonaut.pro
    Vorbereitete Standplatzschlinge – „Weiches Auge“ mit doppeltem Bulinknoten und zwei Verschlusskarabinern: Foto 5

    Foto 5

    Noch zwei Verschlusskarabiner (Schrauber) eingehängt (und um die Schulter getragen), haben wir eine vorbereitete Standplatzschlinge für den nächsten Standplatz vom Typ Reihenverankerung.

    Auch ohne Bohrhaken – wenn wir einen Universalstand bauen – hängen wir unsere Karabiner in ein „weiches Auge“, mit dem Unterschied, dass dieses nur aus einer Sackstich- oder Achterschlinge besteht.

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  • Wem der doppelte Bulinknoten zu aufwendig ist, kann für die vorbereitete Standplatzschlinge auch problemlos eine normale Sackstichschlinge knoten. Mag sein, dass der doppelte Bulin die Bandschlinge etwas weniger schwächt als der Sackstich, aber für die geringen Belastungen, die am Standplatz maximal auftreten können, ist das dennoch absolut vertretbar – und man muss keinen neuen Knoten lernen.

    „Weiches Auge“ mit Sackstich

    Vorbereitete Standplatzschlinge: „Weiches Auge“ mit Sackstich
    Foto: argonaut.pro
    Vorbereitete Standplatzschlinge – „Weiches Auge“ mit Sackstich und zwei Verschlusskarabinern: Foto 6

    Foto 6

    Sackstichschlinge knoten – und zwar eng an der Vernähung der Bandschlinge – und alle Enden festziehen. Zwei Karabiner einhängen, um die Schulter hängen und fertig.

    Übrigens: Egal wie es gemacht wird, das „weiche Auge“ soll gerade so groß sein, dass noch zwei bis drei Karabiner eingehängt werden können. Auf den abgebildeten Fotos ist es aus illustratorischen Gründen etwas zu groß dargestellt.

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