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Einsamkeit und schlaflose Nächte auf bis zu 4.500 Metern Höhe

6 Viertausender in 3 Tagen: Hochtour im Monte-Rosa-Massiv

• 22. September 2015
3 Min. Lesezeit

Ein stabiles Hochdruckfenster in den Walliser Alpen öffnete Matthias Knaus und seinen Begleitern die Türe zu einer phantastischen dreitägigen Hochtour im Monte-Rosa-Massiv. Ein Bericht über den Reiz der Einsamkeit, schlaflose Nächte auf bis zu 4.500 Metern Höhe und atemberaubende Ausblicke über die höchsten Gipfel der Westalpen.

Garstelegletscher
Foto: Matthias Knaus
Garstelegletscher
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Es ist September und ich staune über den ausgeprägten Kontrast zwischen vergletscherten Bergen und brauner Poebene. Auf der Autobahn fahrend empfindet man den Höhenunterschied von beinahe 4.000 Metern als surreal und die Bezeichnung der Region „Piemont“ (etwa: am Fuß der Berge) erklärt sich einem hier von selbst. Alagna Valsesia, der Ausgangspunkt unserer dreitägigen Tour, wirkt beschaulich. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und die rund 400 Einwohner des kleinen Bergdorfs genießen, wie wir, den Espresso im Sonnenschein.
 
Am späten Nachmittag erreiche ich mit meinen zwei Begleitern Ralf und Janina die Capanna Gnifetti auf 3.647 m Höhe. Die Seilbahn reduzierte den Aufstieg zu Fuß auf 400 Höhenmeter. Akklimatisation empfiehlt sich, ansonsten sind die folgenden zwei Nächte sehr unangenehm. Wir gingen sehr langsam hoch (zwei Stunden) und vermieden hohen Puls.
 

Der zweite Tag beginnt nach Sonnenaufgang. Aufgrund der Länge und der Charakteristik der Etappe ist es nicht notwendig, sich im Schein der Stirnlampe nach draußen zu begeben. Der Aufstieg über den Östlichen Lysgletscher ist technisch einfach. Schritt um Schritt gelangen wir höher und auf etwa 3.900 m Höhe zweigen wir von der Hauptroute nach Osten ab um die Piramide Vincent zu besteigen. Ich stand bereits mehrmals auf diesem Gipfel – meist am Ende der Tour, beim Abstieg von der Signalkuppe. Dieses Mal ist die Pyramide Vincent unser Auftakt und im Vergleich zur Besteigung in umgekehrter Reihenfolge erscheint der Anstieg wesentlich harmonischer. Ralf und Janina geht es verhältnismäßig gut. Sie trinken ausreichend und finden Rhythmus und Durchhaltewillen in unserer Seilschaft. Der teilweise spaltenreiche Gletscher wird den Sicherheitsstandards entsprechend angeseilt begangen. Über Einzelgänger und Gruppen ohne Seil können wir uns nur wundern.
 

6 Viertausender

Insgesamt wollen wir auf sechs Viertausender. Nummer zwei ist das Balmenhorn mit Biwakschachtel und schwarzer Christusstatue. Der kurze Abstecher zum 4.167 m hohen Punkt ist lohnend und wir sind froh, dem zunehmend kühlen Wind im Biwak zwischenzeitlich zu entkommen.
 
Der Übergang zum Grenzgletscher bringt uns in der bisher schon sehr beeindruckenden Gletscherwelt nochmals besonders zum Staunen. Westlich von uns steigt ein feiner Firngrat zum Liskamm an, vor uns liegt der gewaltige Nährbereich des Grenzgletschers mit seiner Umrahmung durch Dufourspitze, Zumsteinspitze und Signalkuppe. Die beiden letztgenannten Gipfel wollen wir heute noch erreichen. Der Aufstieg zum Colle Gnifetti zieht sich. Ralf klagt über leichten Kopfschmerz, will aber den „Abstecher“ zur Zumsteinspitze machen. Am kurzen Südostgrat zum Gipfel bekommen wir Einblick in die mächtige Monte-Rosa-Ostwand, die mit bis zu 2.400 m Höhenunterschied die größte Wand der Alpen darstellt.
 

Nach sieben Stunden erreichen wir unseren Übernachtungspunkt auf der Signalkuppe – das Rifugio Regina Margherita. Die Hütte schließt in ein paar Tagen und es sind nur wenige Gäste, die den herrlichen Sonnenuntergang von Tür und Fenstern aus betrachten. Der Blick von 4.554 m Höhe zu den höchsten Alpengipfeln im Westen ist beeindruckend und gehört zum Besten, was ich an Hüttenausblicken bislang erleben durfte. Die Nacht in dieser Höhe ist alles andere als berauschend – trotz intaktem Flüssigkeitshaushalt wache ich nach zwei Stunden Schlaf mit pochenden Schläfen auf. Den Kopf hoch lagernd und stets bemüht meine Bewegungen langsam und ohne Ruck zu verrichten verbringe ich den Rest der Nacht vorwiegend wach. Meinen beiden Begleitern geht es nicht viel besser und wir sind alle drei froh, bei Sonnenaufgang das Schlaflager zu verlassen.
 

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Ankunft auf dem Rifugio Margeritha

Nach einem spartanischen Frühstück machen wir uns an den Abstieg. Bereits die frische Luft bringt Besserung und mit jedem Schritt abwärts werden die Kopfschmerzen weniger. Wir überschreiten die Parrotspitze von Ost nach West und im Anschluss daran klettern wir noch auf die kühn emporragende Ludwigshöhe. Beide Gipfel zählen als selbstständige Viertausender, womit wir nun die angestrebten sechs erreicht haben. Der abschließende Abstieg zur Mantovahütte vollzieht sich in gemütlicher Art und Weise und bereits am frühen Nachmittag entledigen wir uns von Gurt und Steigeisen an der Punta Indren.
 

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Ludwigshoehe

Meine zwei Begleiter ziehen weiter – sie wollen noch nach Zermatt. Ich bleibe in Alagna Valsesia und mache mir Gedanken über die gerade zu Ende gegangene Tour: Einerseits ist die Monte Rosa ein Ort touristischer Extreme und schreckt mich ab. Andererseits ist sie trotz leichter Zugänge exklusiv und wild und regt meine Phantasie an. Für Einsteiger und Liebhaber moderater Hochtouren bietet sie eine ideale Spielwiese, für ambitionierte Alpinisten hält sie lohnende Ziele bereit. Alagna Valsesia als Talort zu wählen war eine gute Entscheidung – viel ruhiger und authentischer als das quirlige Zermatt. Der 1-Euro-Espresso schmeckt hier einfach besser als jenseits der Grenze und die Lage und das Erscheinungsbild des Orts fügen sich gut in das Gesamtbild „Monte Rosa“ ein.

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Ankunft auf der Gnifettihütte
Für den morgendlichen Aufstieg über den Lysgletscher benötigt man Steigeisen
Übergang zum Balmenhorn.

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