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Ausweichrouten

6 Alternativen zu beliebten Bergen

• 18. März 2024
5 Min. Lesezeit
von Simon Schöpf

Großglockner, Eiger und Zugspitze stehen auf der Liste vieler Bergsteigerinnen und Bergsteiger. Aber dementsprechend viel los ist auch auf diesen Bergen. Sechs Alternativen zu populären Gipfeln.

Matterhorn
Foto: Stefan Kürzi / RBMH
Das Matterhorn ist ein toller Berg – aber es gibt auch einsamere Alternativen
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Hand aufs Herz: Wir gehen in die Berge, um Ruhe zu finden vom stressigen Alltag, suchen Abwechslung in Form von Weitblick. Und Einsamkeit statt Großstadtleben. Nur wird das mit dem Alleinsein in den Bergen immer schwieriger, denn wenn alle allein sein wollen, ist es irgendwann keiner mehr. Und Bergsport hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Boom erlebt. Wird es also immer schwieriger, beim Bergsteigen in Stille abzuschalten?

Auf den Bergen, die „einen Namen haben“, mit Sicherheit. Ein paar Zahlen: Mehr als 20.000 Menschen besteigen jedes Jahr den Mont Blanc, oft mehrere Hundert pro Tag. Sogar auf dem Mount Everest ist viel los: 2019 wurde der bisherige Spitzenwert erreicht - 878 Menschen haben in diesem Jahr den Gipfel des höchsten Berges der Welt erklommen. Wäre die Corona-Pandemie nicht gewesen, hätten sich 2020 wohl noch mehr Menschen auf dem „Sagarmatha“, wie der Everest auf Nepali heißt, getummelt. Auch am K2, der als schwierigster Berg der Welt gilt, steht man schon mal im Stau. Tendenz überall: steigend.

Überall? Nicht überall. Es gibt immer noch genügend Gipfelziele, wo man den ganzen Tag weit und breit keinen Menschen sieht. Oder zumindest nur ein paar, mit denen man dafür ein paar freundliche Worte wechseln kann, ohne genervt an Engstellen warten zu müssen. Wir stellen Gipfelziele vor, die weit weniger überlaufen sind als ihre berühmten Pendants. Aber mindestens genauso lohnenswert. Nur ohne Menschenmassen.

1. Glocknerwand statt Glockner

Glocknerwand
Foto: Simon Schöpf
Über 7 Gipfel musst du steigen - an der Glocknerwand

Der Großglockner ist ein wahnsinnig schöner Berg, das muss man einfach sagen. Er ist auch der höchste Berg Österreichs – und Superlative ziehen uns Menschen magisch an. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass viele Leute auf den Glockner wollen. Auch der Stüdlgrat, eine anregend leichte Kletterei bis zum Gipfel, ist an stabilen Sommertagen meist überlaufen. Aber schon mal von der Glocknerwandüberschreitung gehört? Die ist mindestens genauso spektakulär und liegt gleich nebenan. Die Glocknerwand ist mit 3.722 Metern nicht viel niedriger als ihr berühmter Nachbar, und wenn man alle sieben Grattürme bezwingt, hat man gleich sieben Dreitausender an einem Tag. Und wer will, kann natürlich trotzdem über den Nordwestgrat weiter auf den Großglockner steigen – wenn man dann oben ist, sind die meisten Glockner-Normalweg-Geher schon wieder unten. Alles in allem eine der anspruchsvollsten Hochtouren der Ostalpen. Eine gute Kondition und solide Klettertechnik sind hier Grundvoraussetzung.

2. Hochvogel statt Zugspitze

Der Hochvogel in den Allgäuer Alpen
Foto: Adobe Stock / Christian
Der Hochvogel in den Allgäuer Alpen

Beim Hochvogel könnte man sagen: Schnell rauf, bevor er zusammenbricht! Ist natürlich übertrieben, aber es gibt durchaus geomorphologische Tendenzen, die man ernst nehmen sollte. Seit mehr als 100 Jahren durchzieht ein langer Riss, der stetig größer wird, das Felsplateau. Der Gipfel wird akribisch vermessen. Wissenschaftler prognostizieren einen bis zu 260.000 Kubikmeter großen Felssturz. Der Bäumenheimer Weg, eine von mehreren Aufstiegsmöglichkeiten auf den Gipfel in den Allgäuer Alpen, ist deshalb bereits seit 2014 gesperrt. Es gibt aber noch genügend andere Optionen, die beliebteste ist der Normalweg über das Prinz-Luitpold-Haus mit seinem idyllischen Bergsee.

Seine Zerbrechlichkeit ist ein Teil seines Reizes, ein anderer ist schlicht seine Schönheit: Der Hochvogel an der Grenze zwischen Bayern und Tirol ist ein markanter Berg und erreicht eine Höhe von 2.592 Metern. So markant, dass er sich den liebevollen Spitznamen „Klein-Matterhorn der Allgäuer Alpen“ verdient hat. Trotz seiner imposanten Erscheinung und der anspruchsvollen Besteigung wird der Hochvogel oft von jenen übersehen, die es auf bekanntere Gipfel wie die Zugspitze zieht. Die kann man natürlich auch bequem mit der Seilbahn erreichen, weshalb man für ein Selfie vor dem goldenen Gipfelkreuz oft Schlange stehen muss. Nicht so auf dem Hochvogel. Für Einheimische ist es die schönste Bergtour im Allgäu, fernab vom Trubel der Touristenhochburgen.

Die Tour auf den Hochvogel:

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3. Wildstrubel statt Eiger

Wildstrubel
Foto: Zacharie Grossen, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Auf dem Wildstrubel steigt man sich garantiert nicht gegenseitig auf die Zehen

Wenn es einen Prototyp einer Wand gibt, dann ist es natürlich die Nordwand des Eiger. Ästhetisch und geschichtsträchtig in jeder Hinsicht, das geben wir gerne zu. Aber auch durch und durch kommerzialisiert, und wer will nicht einmal ganz nah dran sein am Eiger, den Nimbus spüren, oben am Jungfraujoch? Eben. Viele. Entsprechend groß sind der Andrang (und die Preise) in der Region um Grindelwald.

Aber neben den 48 Viertausendern in der Schweiz gibt es noch fast 400 Dreitausender, zum Beispiel schon mal vom 3.244 Meter hohen Wildstrubel gehört? Eben! Der Wildstrubel, eine vergletscherte Gebirgsgruppe zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis, ist ein weniger bekanntes Juwel der Schweizer Alpen. Der Gipfel bietet eine Vielzahl von Touren, von einfachen Wanderungen bis hin zu Gletscherüberquerungen, die für Bergsteigerinnen und Bergsteiger aller Erfahrungsstufen geeignet sind. Der Wildstrubel ist deutlich leichter zu besteigen als der Eiger. Aber auch die Landschaft rund um den Wildstrubel ist atemberaubend: weite Alpweiden, kristallklare Bergseen und beeindruckende Gletscher wie der Plaine Morte. Ein idealer Ort für alle, die die Ruhe der Natur abseits der überlaufenen Touristenpfade suchen.

Die Tour auf den Wildstrubel:

4. Grigna Settentrionale statt Dolomiten

Porta di Prada Grigna Settentrionale
Foto: Adobe Stock / Nikokvfrmoto
Die Porta di Prada in der Grigna Settentrionale

Wenn man an overtourism und Berge denkt, dann kommen schnell die schroffen Gipfel der Dolomiten in den Sinn. Vielleicht einfach, weil sie so unglaublich instagram-able sind, das Essen in der Region so wahnsinnig gut, die Hotels schick. Kurzum, die Dolomiten sind von vorne bis hinten eine Traumlandschaft, mit ebendem Nachteil, dass viele Plätze im Sommer vor Menschenmassen wimmeln. Dabei hat Norditalien noch ganz viele andere Schätze zu bieten.

Zum Beispiel die Grigna Settentrionale. Die nördliche Grigna, wie sie auch genannt wird, bildet zusammen mit der südlichen, niedrigeren Grigna meridionale (oder liebevoll Grignetta) eine Gebirgsgruppe in den lombardischen Voralpen nahe dem Comer See. Auch hier gibt es Dolomitgestein, allerdings in sanfterer Form. Die isolierte Lage des Massivs erlaubt an klaren Tagen einen Blick bis zum Mailänder Dom. Die steile Ostwand des Grignone wurde von Kletterikonen wie Walter Bonatti und Riccardo Cassin erschlossen. Trotz ihrer spektakulären Aussichten und anspruchsvollen Kletterrouten wird sie von Touristen, die sich eher für die bekannteren Dolomitengipfel interessieren, oft übersehen.

Eine schöne Tour in der Grigna Settentrionale:

5. Gjeravica statt Triglav

Gjeravica
Foto: Adobe Stock / hot_pixel
Die Gjeravica ist der höchste Berg Kosovos

Auf in den Osten. Generell sind die Berge des Balkans nicht gerade die erste Wahl, wenn man an Bergsteigen denkt. Von daher könnte man auch eine generelle Empfehlung für alle verlassenen Gebirgsgruppen von Slowenien bis Griechenland aussprechen und es dabei bewenden lassen.

Aber wir werden konkreter: Der Triglav, mit 2.864 Metern der höchste Berg Sloweniens, ist ein Koloss. Es gibt eine Volksweisheit, die besagt: Jeder Slowene, jede Slowenin sollte einmal im Leben auf dem Gipfel gestanden haben. Das hält sich hartnäckig, und deshalb gibt es auch genügend Menschen, die genau das versuchen. Deshalb schlagen wir hier einfach mal vor, stattdessen auf den höchsten Berg zu klettern, der vollständig auf dem Territorium des Kosovo liegt: auf den 2.656 Meter hohen Gjeravica. Ein vergleichbarer Mythos hat sich dort nämlich noch nicht landesintern durchgesetzt, weshalb man hier im Prokletije-Gebirge ziemlich sicher alleine auf dem Weg ist. Lohnt sich!

6. Kangchendzönga statt Everest

Der 8.586 Meter hohe Kangchendzönga
Foto: Aaron Ostrovsky, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Der 8.586 Meter hohe Kangchendzönga

Nun ist es vielleicht verwunderlich, dass wir in einem Artikel über Ausweichziele zu überlaufenen Gipfeln überhaupt einen Achttausender auflisten. Aber irgendwie muss das trotzdem sein, denn der Expeditionstourismus auf die höchsten Berge der Welt hat schier unvorstellbare Ausmaße angenommen. Schlange stehen am Flaschenhals am K2? Passiert. Sogenannte Bergsteiger, die im Basislager des Everest zum ersten Mal in ihrem Leben Steigeisen anlegen? Gesehen.

Bergwelten-Kolumnist Simon Messner geht in der Podcast-Folge „Über Alpinismus und Expeditionstourismus“ auf dieses Dilemma ein. „Ich suche eher Touren, die selten wiederholt werden, gerade da habe ich sehr tiefe und starke Erfahrungen sammeln können“, sagt er. Und gerade beim Expeditionsbergsteigen sollte es um Eigenverantwortung gehen. Die aber auf der Strecke bleibt, wenn man anderen nur am Fixseil hinterherläuft. Außerdem: „Wenn viele Leute unterwegs sind, fühle ich mich nicht wohl. Weil sich dann auch das Gefahrenpotenzial summiert“, sagt Simon Messner. Deshalb meint der Bergsteiger: wenn schon ein Achttausender, dann der Kangchendzönga (8.586 m). Ein Berg, der den meisten Menschen gar nichts sagt, und auch für viele Bergsteigerinnen und Bergsteiger wegen des langen Zustiegs nicht in Frage kommt.  „Und es gibt dort noch Potenzial für neue Touren“, sagt Simon Messner. Na dann, auf geht's!

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