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Reise

Trekking in Nepal: Unser erster 5.000er im Himalaya

• 22. Juni 2020
7 Min. Lesezeit

Juliane und Anna lieben die heimischen Berge – einmal im Leben wollten sie aber auch echte Himalaya-Luft schnuppern. So schnell der Flug nach Nepal gebucht war, so abenteuerlich gestaltete sich die mehrtägige Trekking-Tour zum Gipfel des 5.072 m hohen Nangkartsang.

Bericht: Juliane Jäger und Anna Winkler

Es ist 3.30 Uhr morgens und wir sitzen mit unserem Guide Ujjwal in einem nepalesischen Taxi, das uns zum Flughafen von Ramechap bringen soll. Sobald wir von der Startbahn abheben, wird auch unser Trekking-Abenteuer so richtig beginnen. Mit einem Flug nach Lukla, das nicht nur als Ausgangspunkt vieler Himalaya-Expeditionen, sondern auch für seinen Flughafen auf beinahe 3.000 m bekannt ist.  Er gilt nämlich als einer der gefährlichsten der Welt. 

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In Ramechap ist vorerst aber schon wieder Schluss. Auf dem kleinen Flughafen drängen sich nicht nur die Passagiere von heute. Ein tragischer Flugzeugabsturz am Vortag ließ hier viele Reisende stranden – mit einem mulmigen Gefühl im Bauch warten sie nun auf die Freigabe der Landebahn in Lukla. Die schlechte Sicht verhindert das aber stundenlang. Bis zum späten Nachmittag warten und hoffen wir vergeblich – dann machen wir uns auf die Suche nach einer Schlafmöglichkeit. Heute geht es für uns definitiv nicht mehr los.

Der Rucksack ist gepackt und wiegt etwa 12 Kilogramm. Wir sind bereit!

Start mit Schwierigkeiten

Neuer Tag, neues Glück! Heute muss es klappen! Die ersten Propellermaschinen sehen wir schon von weitem in den Himmel steigen. Die nächste Ernüchterung folgt aber bald - die vollbesetzten Maschinen kehren wieder zurück. Auch heute ist die Sicht für eine Landung zu schlecht. Wir werden Lukla wieder nicht erreichen…

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Denken wir zumindest. „Passports! Passports“, schreit aber plötzlich ein Flughafen-Mitarbeiter - jetzt geht es Schlag auf Schlag. Schon werden die Rucksäcke in weitem Bogen auf die Gepäckkontrolle geworfen.

Minuten später sitzen wir mit zehn anderen Personen dicht gedrängt in einer Propellermaschine und lassen den kleinen Flughafen hinter uns. Durch dichten Nebel hindurch lenkt uns der Pilot geschickt an Felswänden vorbei. Immer wieder treffen wir auf Luftlöcher und sacken Dutzende Meter ab – die Anspannung steht uns ins Gesicht geschrieben.

Endlich haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Und endlich kann es losgehen! Geradezu beflügelt nehmen wir die erste Etappe unserer mehrtägigen Trekkingtour in Angriff – sie führt von Lukla (2.846 m) nach Phakding (2.610 m). „Hoch gehen, tief schlafen!“ – diese Bergsteigerweisheit wird uns hier auch in den kommenden Tagen begleiten. Schon jetzt zieht uns der Himalaya in seinen Bann.

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Dem Brauch entsprechend passieren wir im Uhrzeigersinn Gebetsmühlen und Gebetssteine

Das Geschenk der Stille

Am nächsten Tag entscheiden wir uns frühmorgens zu starten, um den Eingang zum Nationalparks Sagarmatha noch vor den anderen Trekkinggruppen zu passieren. Diesen Tipp können wir allen ans Herz legen! Wir sind während des ganzen Treks nur mit den Sherpas unterwegs und treffen kaum andere Touristen an. Auf diese Weise genießen wir die Stille und viele einzigartige Momente.

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Unser Weg führt uns idyllisch durch das Tal am Fluss Dudhkoshi entlang. Es geht über einige malerische Hängebrücken, darunter auch über die berühmte, fast 80 Meter hohe Hillary-Bridge.

Wir steigen an diesem Tag noch weiter auf und erreichen Namche Bazar, die Hauptstadt der Sherpas. Zum ersten Mal macht sich die Höhe so richtig bemerkbar – immerhin sind wir hier auf über 3.400 Metern. Die Rucksäcke lasten schwer auf den Schultern und es geht etwas gemächlicher voran, dennoch kommen wir schon am frühen Nachmittag am Ziel an.

Eine wackelige Angelegenheit: Die Sir Edmund Hillary Bridge spannt sich in fast 80 Metern Höhe weit über das Tal
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In unserem Doppelzimmer in einer Lodge können wir einem kurzen Powernap nicht widerstehen. Was für ein Fehler! Wie wir erst danach erfahren, muss man sich in der Höhe auf jeden Fall wachhalten, da man sonst nachts nicht schlafen kann, was wiederum das Risiko der Höhenkrankheit erhöht. Zum Glück geht es bei uns dann doch noch gut aus – in Zukunft sind wir klüger.

Der Blick am Morgen aus dem Fenster unseres Zimmers ist gigantisch. Der strahlend blaue Himmel bildet einen herrlichen Kontrast zu den schneeweißen Gipfeln und den bunten Häuserdächern.

Der heutige Tag ist fürs Akklimatisieren vorgesehen. Nur einen Steinwurf von der Lodge entfernt befindet sich ein Aussichtshügel - auf einem breiten Wanderweg marschieren wir etwa 30 Minuten hinauf. Auf dem Plateau packen wir gleich Mützen und Handschuhe weg und recken unsere Gesichter in die warme Morgensonne. Sobald wir die Augen öffnen, genießen wir einen imposanten Blick auf die Berge. Aber es sind nicht irgendwelche Berge, die sich da am Horizont erheben, sondern der Nuptse, der Lothse, die Ama Dablam, der heilige Berg Khumbi Yul Lha und: Der Mount Everest. Was für ein Gefühl! Zum ersten Mal in unserem Leben erblicken wir den höchsten Berg der Welt.

Namche Bazar liegt in einer Senke auf etwa 3.440 m über dem Meeresspiegel

Unser Weg führt uns weiter nach Kumjung und Kunde. Wir steigen über einen schmalen, ziemlich steilen Pfad hoch - alleine sind wir jetzt aber leider nicht mehr. Brav trotten wir mit der Karawane mit, dann schlängeln wir uns aber doch geschickt durch und lassen einige Bergsteiger hinter uns. Auf dem wunderschönen Panoramatrail finden sich viele tolle Fotomotive. Unter uns windet sich der Fluss Dudh Koshi Nadi türkisblau durch die Landschaft während wir die 6.814 m hohe Ama Dablam stets im Blick haben.

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Die Ama Dablam ist 6.814 m hoch und wird auch als Matterhorn Nepals bezeichnet

Als wir den Flugplatz Syangboche passieren bietet sich uns ein seltsames Bild. Hier steigen japanische Touristen aus einem Helikopter aus, um ihren Urlaub im Everest View Hotel auf 3.970 Metern zu verbringen. Angeblich werden die Zimmer hier sogar extra mit Sauerstoff angereichert. Langsam nähern wir uns dem Örtchen Kumjung und spazieren schnurstracks in die Mount Everest Bakery. Laut Ujjwal gibt es hier den besten Kuchen auf der gesamten Trekkingtour. Das können wir nur bestätigen. Die letzten Meter laufen wir steil nach Namche Bazar hinunter und beenden den Tag mit einem Cappuccino.

Traum-Ausblicke und dünne Luft

Frühmorgens brechen wir, gestärkt von einem leckeren Porridge, auf. Nach einiger Zeit gehen wir wieder hangabwärts und verlieren einige zuvor hart erarbeitete Höhenmeter. Auf unserem Weg begleiten uns wieder einige Träger, sogenannte „Porter“, die in dieser Höhe tagtäglich 40 kg und mehr über weite Strecken tragen. Eine unglaubliche Leistung, die uns über alle Maße beeindruckt.

Dem Abstieg folgt ein Anstieg über fast 600 Höhenmeter hoch nach Tengboche. Ein Torbogen in knalligen Farben und reichlichen Verzierungen empfängt uns dort (siehe Titelbild).

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Kaum zu glauben - auf 3.440 m gibt es Espresso aus riesigen italienischen Siebträgermaschinen

Wir entscheiden uns weiter zu gehen, um in unserer Unterkunft in Deboche unsere schweren Rucksäcke abzustellen und am Nachmittag die Klosteranlage zu besichtigen. Angekommen als „the fastest girls ever“ - so nennt uns unser Guide liebevoll - wollen wir unsere Kleidung in der Sonne trocknen, als plötzlich feinste Schneeflocken vom Himmel fallen. Anstatt das Kloster zu besuchen bleiben wir doch lieber im Gemeinschaftsraum.

Mit weniger Schlaf als sonst – leider haben wir Magenprobleme - aber dafür mit viel Sonnenschein, geht es am nächsten Morgen los. Wir sind warm eingepackt, heute ist es das erste Mal richtig kalt. Der idyllische Weg führt an einem Fluss entlang, mit malerischen Plätzen, die uns Blicke auf das imposante Bergmassiv mit Everest und Lhotse erhaschen lassen.

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Die Gebetsfahnen lassen die Ama Dablam im Morgenlicht noch malerischer erscheinen

Auf 4.040 m bleibt unser Guide auf einer Hochebene mit riesigen Felsbrocken stehen. Er erklärt uns, dass ab hier nun auch keine Bäume mehr wachsen. Mit einem Riegel gestärkt machen wir uns an den finalen Anstieg hoch auf 4.300 m, nach Dingboche. Für uns eine fast magische Höhenzahl – die Lunge verlangt plötzlich nach mehr Luft.

Den Nachmittag verbringen wir in Dingboche. Hier gibt es kleine Läden, in denen man sich mit allmöglichen Dingen, wie Keksen, Taschentüchern, Wasser usw. eindecken kann - ebenso einige Lokale. Wir entscheiden uns für einen gemütlichen Nachmittag in einem der Cafés, das für seine Besucher täglich den Film „Everest“ zeigt. Die Kulisse im Film und parallel auch live zu sehen ist einmalig. Nebenbei trinken wir viel, damit wir auf unsere täglichen 4 Liter kommen.

Zum ersten Mal auf einem 5.000er

Nach 6 Trekkingtagen ist es soweit. Heute steigen wir auf den Gipfel unseres ersten 5.000ers! Der Nangkartsang ist exakt 5.080 m hoch – uns trennen am Morgen 740 hm bis wir die dort oben wehenden, bunten Gebetsfahnen mit unserem Zeigefinger berühren können.

Neben uns steht Ujjwal und filmt die ersten Schritte in eisiger Kälte. Es hat nur wenige Grad über Null. Der Nangkartsang gilt als technisch einfach zu bewältigen. Lediglich der kurze felsige Gipfelanstieg erfordert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Doch was ihn anspruchsvoll macht ist die Höhe. Auf 5.000 Meter gibt es nur noch halb so viel Sauerstoff wie auf Meereshöhe. Der Sauerstoffmangel raubt einem wortwörtlich den Schlaf, wie wir zwei Nächte später heftig feststellen mussten.

Wir stapfen los, Schritt für Schritt. Über einen schmalen, steinigen Pfad verlassen wir Dingboche und befinden uns kurze Zeit später auf einer Anhöhe. Hier halten wir an, atmen kurz durch und blicken zum Dorf zurück.

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Ein majestätischer Gipfel ragt neben dem anderen auf

Wir verfallen in einen monotonen Rhythmus. Unsere Körper beschränken sich auf eine Bewegung: immer schön einen Fuß vor den anderen setzen, Stufen steigen, nur noch gehen und gleichmäßig atmen. Immer wieder pfeift der Wind an uns vorbei und hinterlässt ein unangenehmes Gefühl im Gesicht. Wir konzentrieren uns einfach auf unsere Schritte und blenden alle Gedanken so gut es geht aus. Man verliert das Gefühl für die Zeit.

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Je höher es geht, desto langsamer sollte man aufsteigen

„Nicht der Berg ist es, den man bezwingt, sondern das eigene Ich“, soll Edmund Hilary mal gesagt haben. Seine Worte begleiten uns, als der sandige Pfad in Felsen übergeht. Jetzt heißt es, die Schritte wohl überlegt zu setzen. Zu hohe Stufen rauben uns für kurze Zeit den Atem und der rasende Puls erzwingt eine Gehpause. Immer wieder spürt man ein leises Pochen an den Schläfen. Die Luft wird dünner und dünner. Rund 100 Höhenmeter sind noch zu überwinden.

Schließlich stehen wir oben: Erschöpfung und ein unfassbares Glücksgefühl machen sich breit. Am liebsten würden wir alles auf einmal machen: uns umarmen, die Gipfelfahnen berühren, fotografieren, filmen... Zwar nimmt uns der dichte Nebel die Aussicht, aber das spielt nun keine Rolle. Zu groß sind die Freude und der Stolz, es hierher geschafft zu haben.

Trekking Himalaya Nepal
Foto: instagram.com/its.mountain.time
Die Anstrengung hat sich gelohnt - unser erster 5.000er! Ein Gefühl, das wir niemals vergessen werden!

Infos und Adressen: Trekking im Himalaya, Nepal

Flüge: Auf der Strecke nach Nepal muss man mit einem oder mehreren Umstiegen rechnen. Wir sind von München über Doha nach Kathmandu geflogen.

Beste Reisezeit: Die beste Reisezeit ist zwischen Mitte Februar und Mitte Mai sowie zwischen Ende September und Anfang Dezember. Gerade wenn man den Touristenströmen aus dem Weg gehen möchte, sollte man sehr früh aufstehen und vor den anderen loswandern.

Unterkunft: Die „Panorama Lodge“ in Namche Bazar können wir euch sehr empfehlen!

Planung: Wir haben uns für eine geführte Trekkingtour bei Ujjwal entschieden und waren begeistert. Wir können ihn euch nur empfehlen. Er kümmert sich um die Streckenplanung, die Übernachtungen, den „Papierkram“, den Transfer vom Hostel zum Flughafen und sämtliche Sonderwünsche. Unser Gepäck haben wir selbst getragen. Der Guide kann euch auf Wunsch aber auch einen Porter organisieren.

Zu den Autorinnen

Juliane (32) ist in Rosenheim aufgewachsen und von Kindheit an in den Bergen unterwegs. Anna (30) ist wegen des Berufs nach Rosenheim gekommen und ist hier zum „Mountainlover“ geworden. Auf einer Feier im November 2018 haben sich die beiden jungen Frauen kennengelernt und noch am selben Abend beschlossen, gemeinsam nach Nepal zu fliegen. Auf Instagram (its.mountain.time) kann man den bergverliebten Freundinnen auf ihren Outdoor-Abenteuern folgen.

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