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Messner-Kolumne, Teil 2

Unser Deal

• 19. Februar 2024
3 Min. Lesezeit
von Simon Messner

Simon Messner ist Bergsteiger und Bergbauer – wie sich das zu einem Leben fügt, erzählt er in dieser Kolumne. Zweite Folge: Arbeit kann auch Training sein, erst recht, wenn die nächste Expedition bevorsteht.

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Foto: Simon Messner Archiv
Seit Simon Messner einen Berg-Bauernhof führt, bleibt ihm wenig Zeit fürs Training
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Meine Lebensgefährtin Anna und ich haben einen Deal, dass ich mich alle zwei Jahre auf Expedition begeben darf. Es ist ein Kompromiss, der es mir erlaubt, meinen Alpinismus zu leben, ohne dass meine Arbeitskraft am Hof allzu oft fehlt. Anna steht übrigens dasselbe zu: Auch sie kann alle zwei Jahre eine längere Reise machen. Dann bleibe ich am Hof und kümmere mich um die Tiere und die Feriengäste.

Den Bauernhof „Oberortl“ zu führen und klassischer Alpinist zu sein bedarf einer gehörigen Portion Improvisation. Anna und ich sind ja erst vor kurzem in die Berglandwirtschaft eingestiegen, und seit ich auf diesem idyllischen Hügel unweit von Schloss Juval im Vinschgau lebe, ist das Klettern schleichend, aber sicher in den Hintergrund gerückt. Es gibt so viel zu tun, zu lernen und auf Vordermann zu bringen, da hat Freizeit – vorerst jedenfalls – keinen Platz.

Heuer allerdings darf ich auf Expedition gehen. Mein Freund und Kletterpartner Martin Sieberer und ich haben Anfang Mai das Visum für Pakistan bekommen, und damit steht auch fest, dass wir hinfahren. Nur, woher soll ich die Zeit nehmen, dafür zu trainieren?

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Foto: Illustration: Romina Rosa

Es ist nämlich nicht so, dass ich die Arbeiten am Hof nicht gerne mache. Ich liebe es, nach unseren Schafen auf der Weide zu sehen. Ich flicke gerne Zäune und schneide Wege frei. Es hat etwas Erhabenes, im Wald zu arbeiten – umringt von Linden und Birken, höher oben zwischen Lärchen – und über Tage praktisch keinem Menschen zu begegnen. Es könnte kitschig sein, wäre da nicht die viele Arbeit. Zuweilen fühle ich mich der Welt entrückt. Ein Tag im Freien, und sei er auch noch so anstrengend, vergeht wie im Handumdrehen. Immer öfter schalte ich mein Handy aus oder nehme es gar nicht erst mit – es ist eine Form von Freiheit, wie ich sie für mich wiederentdeckt habe. Die Welt dreht sich auf Juval noch ein klein wenig langsamer.

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Trotzdem bin ich noch immer mit Leib und Seele Alpinist. Jeden Tag denke ich an die Berge und was es da draußen alles zu machen gäbe. Und ja, manchmal vermisse ich den Kontakt zum Fels, die Vorfreude auf eine Tour, die fließende Bewegung beim Klettern, den Nervenkitzel und die wohlige Zufriedenheit danach. Dass man als Bauer stets an einen Ort gebunden ist, macht mich hin und wieder ein klein wenig traurig.

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Ein möglicher Kompromiss

Das Training versuche ich in meinen Alltag zu integrieren. Zur Wiese fahre ich etwa nicht mehr mit dem Auto, sondern gehe zu Fuß. Es muss ein seltsames Bild abgeben, wie ich beim Auf- und Zudrehen der Beregnungsanlagen auf Zehenspitzen die Wiesenhänge hinauf und hinablaufe. Mit der Sense mähen, Heu und Laub zusammenrechen, Holz ziehen, die Wiesen von Steinen befreien oder den Stall ausmisten – alles ist Training für die Expedition!

Am Abend schnüre ich meine Schuhe und laufe los – entweder hinunter ins Tal oder einfach bergauf. So lange, bis ich keine Lust mehr habe. Danach geht es wieder zurück. Laufen ist großartig, um die nähere Umgebung zu erkunden, und herrlich unkompliziert.

Abgesehen davon, dass ich im Frühjahr wieder mit regelmäßigem Lauftraining begonnen habe, ist mir einmal mehr klar geworden, dass vieles Organisation ist. Die Sommer-Expedition nach Pakistan haben wir so gelegt, dass ich beim ersten Heuschnitt noch am Hof sein werde. Der zweite Schnitt, das sogenannte „Gruamet“, fällt erst nach meiner Rückkehr im August an. Dazu sind unsere Schafe, Pferde und Esel den Sommer über auf der Alm – das tut den Tieren gut und in diesem Fall dem kletternden Bauern ebenso.

Irgendwann wird es einfacher werden am Hof. Daran glaube ich fest. Dass es allerdings leicht sein würde, gleichzeitig Bergbauer und Alpinist zu sein, hat ja auch nie jemand gesagt!

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Simon Messner

Simon Messner machte mit 15 Jahren erste Felstouren in den Dolomiten. Ihm gelangen Erstbegehungen in den Alpen, Pakistan und im Oman. Der studierte Molekularbiologe bewirtschaftet einen Bauernhof bei Juval.

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