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Meine Wurzeln

Menschen

3 Min.

14.02.2024

Foto: Simon Messner Archiv

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Simon Messner ist Bergsteiger und Bergbauer – wie sich das zu einem Leben fügt, erzählt er in unserer neuen Kolumne. Erste Folge: Um zu verstehen, wer man ist, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

Meiner Mutter zufolge stand ich im Alter von kaum drei Jahren in der Küche von Juval, einen Schnuller im Mund, und fragte: „Mama, wer bin ich eigentlich?“

Seit ich diese Gedanken ausgesprochen habe, sind ziemlich genau dreißig Jahre vergangen. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, eines Tages selbst zu klettern oder auf Berge zu steigen. Wozu auch? Ich vermisste nichts und fühlte mich in der Ebene am wohlsten.

Als ich später ein Pferd geschenkt bekam, sah ich mich eher durch Argentiniens Pampa galoppieren als in den Dolomiten in einer Wand hängen. Die Sommermonate verbrachte ich damals auf den umliegenden Höfen, spielte mit den Bauernkindern, half beim Heumachen und den Stallarbeiten.

Und Anton Pichler, genannt Toni, mit seiner blauen Schürze und ledrigen, abgearbeiteten Händen, an denen mehrere Fingerglieder fehlten, erzählte uns von einer Zeit, als es noch keine Straße gab. Um ins Tal zu kommen, musste er zwei Kühe vor den Karren spannen.

Noch mit 97 Jahren hat Toni, der dieses Frühjahr verstorben ist, jeden Tag am Hof mitgeholfen. Zeit zum Verschnaufen gab es praktisch ein Leben lang nicht: Bevor die Sonne aufging, war er auf den Beinen und arbeitete. Ein Leben, das den Zyklen der Natur folgt und dabei die eigenen Bedürfnisse ganz hintanstellt, ist der Kern unserer Kultur in den Alpen. Als Kind hat mich das enorm fasziniert.

Für meine Eltern schien bald klar zu sein: Der Simon wird Bauer. Also schickten sie mich auf eine Schule mit landwirtschaftlichem Schwerpunkt. Auf der anderen Seite haben mich die Geschichten meines Vaters Reinhold geprägt. Wenn er uns mit seinen Worten in die Wände und auf die hohen Berge mitnahm, war schnell klar: Die wahre Welt liegt da draußen!

Als ich selbst mit dem Klettern begann, wusste ich, dass ich etwas sehr Wertvolles entdeckt hatte. Das wollte ich machen, und daran konnte ich persönlich wachsen. Je mehr ich mich für den Alpinismus interessierte, desto mehr Platz nahm diese Tätigkeit in meinem Leben ein, und bald verbrachte ich jede freie Minute in den Bergen.

Vor einem knappen Jahr bin ich zurückgekehrt an den Ort meiner Kindheit. Unterhalb von Schloss Juval habe ich mit meiner Partnerin Anna den Bauernhof „Oberortl“ übernommen. Es ist ein schöner, anmutiger Hof, um nicht zu sagen: ein kleiner Weiler, bestehend aus sieben Gebäuden, steilen Wiesen und Weiden, Wäldern und einer Alm. Schafe, Esel, Pferde, Schweine und zeitweise Ziegen leben bei uns am Hof.

Anna und ich kümmern uns um die Waldarbeiten im Winter, wir wassern und mähen die Wiesen im Sommer. Da der Hof in die Jahre gekommen ist, müssen wir die Schindeldächer erneuern, Zäune flicken und die Bewässerungen überarbeiten. Zeit zum Klettern bleibt vorerst kaum – es gibt so viel zu tun und noch mehr zu lernen. Hatte ich mir mein Leben so vorgestellt?

Dann fällt mir wieder Toni, der alte Schlossbauer, ein, der mit seiner Gelassenheit, seiner Anspruchslosigkeit und der spürbaren Zufriedenheit etwas in mir bewegt hat. Vielleicht ist dieser Lebensentwurf gar nicht veraltet, sondern vielmehr höchst aktuell?
Auf jeden Fall fühlt es sich befreiend an, auf die Frage „Wer bin ich?“ keine eindeutige Antwort zu haben. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Sie ist bunt, vielfältig und unbeschreiblich schön. Voller Zauber, geheimnisvoll und auch fundamental ungerecht.

Einiges im Leben ist planbar, das meiste aber passiert einfach. Man könnte auch sagen: Das Leben bleibt ein Rätsel. Trotzdem lohnt es sich, weiterzusuchen und neugierig zu bleiben, um irgendwann der Frage, wer wir sind, ein kleines Stückchen näher zu kommen. Was dabei passiert, muss wohl das Leben sein.

Simon Messner machte mit 15 Jahren erste Felstouren in den Dolomiten. Ihm gelangen Erstbegehungen in den Alpen, Pakistan und im Oman. Der studierte Molekularbiologe bewirtschaftet einen Bauernhof bei Juval.


Mit Simon Messner auf einen 4.000er

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