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Aus dem Leben eines Alpinisten

Simon Messner: Wie alles begann

• 27. Januar 2022
2 Min. Lesezeit
von Simon Messner

Wird man als Sohn des berühmtesten Bergsteigers der Welt automatisch zu einem Top-Alpinisten? Nur, wenn der Vater auch ein begnadeter Geschichtenerzähler ist.

Simon Messner am Ortler
Simon Messner am Ortler
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Ich habe das Bergsteigen nicht in die Wiege gelegt bekommen. Es war Thema bei uns Zuhause, das schon. Aber als Familie gingen wir eigentlich nicht in die Berge. Vielleicht mal zum Wandern im Sommer, besuchten befreundete Bauern auf einer Alm oder gingen in der Weihnachtszeit zum Rodeln.

Das Bergsteigen selbst, mit Pickel und Steigeisen, kannten ich und meine beiden Schwestern nur aus Erzählungen. Diese Erzählungen aber, meistens von unserem Vater als Gutenachtgeschichten vorgetragen, waren wegweisend. Sie handelten von einem Hermann Buhl und seiner beinahe übermenschlichen Erstbesteigung des Nanga Parbat im Alleingang. Von Paul Preuss, dem, wenn man so will, „Erfinder“ des heutigen Freikletterns. Vom von Ehrgeiz und Eitelkeit getriebenen Sir Ernest Shackleton, dem Polfahrer, der trotz eklatanter Fehlentscheidungen alle seine gestrandeten und bis an den Rand der Verzweiflung getriebene Männer retten konnte. Von Heckmair, Harrer, Kasparek und Vörg in der Eiger Nordwand und den zuvor gescheiterten Versuchen durch Hinterstoißer und Kurz.

Damals kannten wir Kinder die erschütternden Bilder nicht, welche den leblosen und zu einem Eisklumpen gefrorenen Kurz zeigen. Nur Meter von seinen Rettern entfernt, zu denen er sich nicht mehr hatte abseilen können – was für ein Schicksal! Seine erfrorenen Hände waren nicht mehr zu gebrauchen und hatten somit sein Schicksal besiegelt.

Zuhören statt erleben

Die mitreißenden, so real wirkenden Erzählungen unseres Vaters hatten eine enorme Schlagkraft. Uns Kindern schien es unmöglich, den Bildern, die sich in unserer Gedankenwelt zu skizzieren begannen, zu entkommen. Staunend hörten wir zu und unterbrachen nur selten, um für uns unumgängliche Fragen zu stellen. Wir merkten instinktiv, dass es ratsam war und wohl auch angenehmer, diesen Geschichten zuzuhören und sie nicht selber erleben zu wollen. Niemals – niemals! – wären wir auf den Gedanken gekommen eines Tages selbst in die Berge zu gehen. Zweifellos hatten die Geschichten unseres Vaters einen abschreckenden Charakter. Faszinierend, ja. Nachahmenswert: nein!

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Simon Messner
Simon Messner hat es trotz der abschreckenden Geschichten seines Vaters in die Berge verschlagen

Wie also kam ich zum Klettern? Die Antwort mag banal klingen: Indem ich es eines Tages doch probiert habe. Mit Freunden und später auch allein, naiv und ohne allzu große Erwartungen an mich selbst. Ich dachte mir: „Das kann ja nicht so schwer sein“, und wurde umgehend eines Besseren belehrt. Ich stellte eine große Unsicherheit in mir fest, um nicht zu sagen: ich hatte Angst! Zuweilen wurde sie so groß, dass ich von ihr schlicht überwältigt wurde – handlungsunfähig und kaum imstande, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Ich wollte nur weg, raus aus dieser Wand, um wieder festen Boden unter meinen Füßen zu spüren. Zurück am Wandfuß und damit in Sicherheit, tat ich mir schwer zu verstehen, woher diese Angst gekommen und wohin sie so wieder verschwunden war.

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Also wollte – ja ich musste – mehr wissen, um mich besser zu verstehen. Heute, mit 31 Jahren, weiß ich, dass das der Beginn meiner Leidenschaft für das Bergsteigen war: für die Geschichten und die Erzählungen von jenen, die vor uns waren und dem eigenen Tun in den Bergen. Genau diese Symbiose aus Geschichten und Wirklichkeit macht das Bergsteigen wohl so besonders.

Der Autor

Ab sofort lest ihr auf bergwelten.com regelmäßig Simons Kolumne. Einmal im Monat erzählt er Geschichten aus seinem Leben als Alpinist und setzt sich mit den großen Themen des Bergsports auseinander.

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Simon beehrt uns ab sofort monatlich mit einer Kolumne

Mit Simon Messner auf einen 4.000er

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