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1 Saison - 10 Regionen

(3) Schneeberg: Ein unterschätzter König

• 27. Februar 2018
4 Min. Lesezeit

In ihrem dritten Tagebuch-Eintrag berichtet Redakteurin Ina von einer Skitour am Schneeberg, einem König seiner Art, der es sogar mit dem Großglockner und der Silvretta aufnehmen kann. Ein Streifzug durch die Wiener Alpen mit viel Geschichte, alpinem Flair und großem Abfahrtsglück.

Rax-Schneeberg-Gruppe: Schneeberg in Niederösterreich
Foto: mauritius images / imageBROKER / Christian Handl
Rax-Schneeberg-Gruppe: Blick hinüber zum winterlichen Schneeberg in Niederösterreich

Die Alpen glänzen mit berühmten Klassikern. Sie halten aber auch Geheimtipps versteckt, oft belächelte und grob unterschätzte Berge. Gäbe es einen Katalog von ihnen: Der Schneeberg würde ganz weit oben rangieren. Und das obwohl er gerade einmal eine Autostunde von Wien entfernt liegt und damit den äußersten Rand der Alpen markiert. Der Berg hat nicht nur viele Gesichter, er ist insbesondere bei Schlechtwetter und damit einhergehender erschwerter Orientierung ein ernstzunehmendes alpinistisches Unterfangen.

Da verwundert es schon weniger, wenn Skiführer Reinhard Wurm als seine zwei Lieblingsregionen zunächst die Silvretta aufzählt, ihr aber alsgleich den Schneeberg zur Seite stellt. „Am Schneeberg gibt’s lässige Steilabfahrten, die du in der Silvretta ned findst“, schwärmt der Niederösterreicher von seinem Hausberg. Seinen ersten Schneeberg-Kontakt hatte er bereits mit drei Jahren. Am Rücken seiner Eltern. Es entzündete sich bald eine feurige Liebe zu diesem besonderen Berg, der gleich drei außergewöhnliche Merkmale auf sich vereinen kann.

Nicht nur ist er mit seiner höchsten Erhebung – dem Klosterwappen auf 2.076 Metern – der höchste Berg Niederösterreichs, er ist darüber hinaus auch noch der östlichste und gleichzeitig nördlichste Zweitausender der Alpen – und, zuguterletzt: sogar ernstzunehmender Konkurrent des Großglockners. Zumindest was seine Dominanz von 50 Kilometern anbelangt. Eine Kampfansage, die nur von König Glockner übertroffen wird. Darüber hinaus eröffnet der Schneeberg eine schier grenzenlose Vielfalt in puncto Tourenmöglichkeiten. Zurecht hat sich der Schneeberg in der Literatur den Beinamen „König der norischen Alpen“ sichern können.

Skitour: Aufstieg zum Waxriegel (1.888 m) im Schneeberg-Massiv – vorbei an Kirche, Berghaus und Grat

Man findet hier Abfahrten in allen Expositionen, weiß Reinhard: „Am Schneeberg findet man zu jeder Jahreszeit irgendwas, die Höhenmeter kann man nach Belieben variieren“. Reinhard muss es wissen. Hier hat er als Kind seine ersten Skiversuche absolviert, seither ist er jedes Jahr bis zu 40 Mal am Schneeberg unterwegs. Das Skitourengehen ist sein „Steckenpferd“.

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Das wird sich auch bald am Semmering bemerkbar machen, denn der Skiführer mit den stahlblauen Augen hat dort vor zwei Jahren die Skischule Semmering übernommen. Wenn man Reinhard so zuhört, fragt man sich unweigerlich, ob seine Tage mehr als 24 Stunden zählen. Zur Entspannung schlägert er gern Bäume, Jagern geht er auch, dann natürlich so oft wie möglich ins Gelände – und so nebenbei führt er eben noch die Skischule. Und plant mit dem Alpincenter Zauberberg-Semmering eine Neuausrichtung im Angebot.

Die Vision: „Wir wollen eine Ausbildungsstätte für den Otto-Normal-Bürger im Osten Österreichs werden und diesen bei seinen ersten Schritten ins freie Gelände begleiten“. Heißt: Es soll Skitouren- und Gletscherkurse geben, Camps zum Thema Schnee- und Lawinenkunde und im Sommer ein breites Angebot für Bergsteiger, Wanderer und Biker. Man will sich mit dem Alpincenter „österreichweit ausstrecken“, aber zugleich den heimischen Bergen huldigen. Rax-Schneeberg-Gruppe, Hochschwab, Mürzsteger Alpen – Reinhard ist überzeugt davon, dass „seine“ Berge mit dem Westen mithalten können.

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Am Gipfel des Waxriegels auf 1.888 m am Schneeberg

Das mit dem Skifahren ist eine „genetische G’schicht“, sagt Reinhard, „– das hab’ ich schon von meinen Eltern vorgelebt bekommen“. Man muss sich im winterlichen Gelände nicht an Wege halten, man kann sich frei bewegen – ganz so, wie man will und „nicht in fixen Bahnen“. Wenn sich die Massen in Karawanen nordseitig auf den Gipfel schieben, wählt Reinhard – bei entsprechend sicheren Verhältnissen – den unorthodoxeren Anstieg auf der Südseite.

Die Verhältnisse stimmen, da darf der Zustieg ruhig länger ausfallen. Vom Bahnhof in Puchberg am Schneeberg warten die ersten 400 Höhenmeter bis zur Hengsthütte (1.012 m), 950 weitere sind es von dort bis zum Gipfel des Waxriegels im Schneeberg-Massiv auf 1.888 m. Tatsächlich: Wir sind die einzigen Tourengeher auf dieser Seite des Schneebergs. Entlang der Schienen der Schneebergbahn geht es nun stetig bergan. Die Schneebergbahn ist eine der drei noch existierenden Zahnradbahnen Österreichs und verkehrt bereits seit über 120 Jahren aufs Hochplateau des Schneebergs.

Die Endstation „Hochschneeberg“ liegt auf 1.795 m und ist damit nach wie vor Österreichs höchstgelegener Bahnhof. Vor Betriebsamkeit braucht man sich im Winter aber nicht zu fürchten. Der „Salamander“, wie die Schneebergbahn seit ihrer optischen Aufwertung in Salamander-Gewandung auch genannt wird, verkehrt nur von Ende April bis Ende Oktober.

Skitour auf den Waxriegel am Schneeberg: Abfahrt über die „Kuhplagge“

Mit der Endhaltestelle erreichen wir nun auch die Kaiserin-Elisabeth-Gedächtniskirche, kurz: das Elisabeth-Kircherl. Sie wurde 1901 im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I. als Andenken an seine nur drei Jahre zuvor ermordete Gemahlin Kaiserin Elisabeth („Sisi“) errichtet. Knapp hundert Höhenmeter trennen uns hier noch vom Gipfel, dann stehen wir schon oben: Am Waxriegel auf 1.888 m. Und genießen einen gewaltigen Blick ins Schneeberg-Massiv, das an alpinem Flair nichts vermissen lässt.

Das Beste kommt wie immer zum Schluss. Wir fahren über die „Kuhplagge“ („Plagge“ für „breite Rinne“) ab, einen breiten Hang – ohne Spuren. Beschwingt wedeln wir ab, dann gilt es eine letzte, dafür aber relativ lange Querung zu nehmen, ehe wir an den Gleisen zurück zur Hengsthütte abfahren. „Wir waren heute more than pretty lucky“, grinst Reinhard breit übers ganze Gesicht, als wir uns in der Hütte bei einem Käse-Kren-Brot von beachtlicher Größe stärken.

Windverfrachtungen machen am Schneeberg aufgrund seiner exponierten Lage oft Probleme, in der Kuhplagge sammelt sich oft genug reichlich Triebschnee. Heute aber hat es der Schneeberg gut mit uns gemeint. Mehr als gut. „Wir haben heuer einen extrem lässigen Schneedeckenaufbau mit wenig Schwachschichten. Und die first Line haben wir auch ziehen können.“ Reinhard hat Recht. More than pretty lucky. Und das nur eine Stunde von Wien entfernt.

Die Tour im Detail:

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