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Salewa Basecamp Obergurgl

Zirben & Gletscher: Hochtouren im Ötztal

• 9. August 2017
4 Min. Lesezeit
von Simon Schöpf

Hochwilde, Ramolkogel, Langtaler Ferner: Im hintersten Ötztal sind die Ortsnamen Programm. Eine Reportage über lange Gletschertouren, junge Hüttenwirte und Zirbenschnaps auf wilden Gipfeln.

Salewa Basecamp Obergurgl Hochwilde Ramolhaus 2017 Ötztal
Foto: Simon Schöpf
Die Ötztaler Gletscherwelt: Blick vom Nördlichen Ramolkogel Richtung Hochwilde

Am Gipfelkreuz reicht Kameramann Harry gemäß alter Tiroler Tradition den Zirbenschnaps in die illustre Runde. Selbst angesetzt, das ist Pflicht. Als erstes erhält Frederico aus Italien die Ehre, immerhin hat er heute seinen 25. Geburtstag. Danach wandert der Flachmann zu Dan und Kate aus Wales, immerhin ist heute der erste Tag ihrer Hochzeitsreise. Als nächster ist Xavi aus Spanien dran, immerhin ist er heute zum ersten Mal auf über 3.000 Metern. Prost, G’sundheit!

Was sich anhört wie eine ausgelassene Erasmus-Studentenfeier zu Semesterschluss spielt sich in Wahrheit am Nördlichen Ramolkogel auf 3.428 Meter ab, ganz hinten drinnen in den Ötztaler Alpen. Es ist der erste Tag des Salewa BaseCamps 2017, 10 Teilnehmer aus ganz Europa sind für 4 Tage nach Obergurgl geladen worden, um ihre Steigeisen-Skills und Gletscher-Techniken zu trainieren. Und, fast nebenbei, noch zwei der schönsten Ötztaler Gipfel zu erklimmen: Eben den Nördlichen Ramolkogel, 3.428 Meter, da stehen wir gerade. Und die Hochwilde, 3.480 Meter, die kommt dann morgen dran. Aber erstmal Abstieg zu unserem Base-Camp beim Ramolhaus.

Auf- und Abstieg zum Nördlicher Ramolkogel, 3.427 m

Wer das Ramolhaus auf 3.006 Metern betritt und dabei 185 cm oder mehr misst, der muss in der Holzstube den Kopf immer leicht schräg halten, um nicht die Decke zu tangieren. „Unsere Eingangstür ist immer noch die originale von 1883“, klärt uns Florian Mader auf, der Hüttenwirt hier oben. „Und im 2. Stock findest sogar eine kleine Kapelle, das kenn’ ich sonst von keiner Hütte!“ Eine Schutzhaus, urig bis zum Kern. Wer sich jetzt den Florian als alteingesessenen Wirten mit weißem Rauschebart und Lederhosen vorstellt, weit gefehlt. Auf seinem T-Shirt steht „Tiroler Bua“, Hipster-Käppchen dazu, ein beachtlich ruhiger Blick für Anfang dreißig. Seine Freundin hat er ebenso auf der Hütte kennengelernt, sie hilft auch auf der Hütte mit. Auf ihrem Shirt steht: „Wilde Henne.

Für unser Gespräch stellt er zwei – ziemlich randvoll gefüllte, glasklare – Schnapsgläser auf den Tisch: „Golden Delicious, mit meinem Vater selbstgebrannt“. Ach, die Tiroler. Hütte, jedenfalls, kenne er keine zweite, die so beeindruckend am Berg steht wie das Ramolhaus. „Und mit unserem jungen Team macht auch die harte Arbeit immer Spaß.“ Am besten aber, weiß Florian, sind die Sonnenaufgänge auf der Terrasse, „weil das Licht so flach reinscheint. Unbedingt aufstehen dafür, bissl vor sechs morgen.“

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Adlerhorst: Das Ramolhaus auf 3.006 Metern

Hoch & Wild: Auf den Gipfel der Hochwilde

Machen wir doch gern: Der Sonnenaufgang hier ist tatsächlich ein Traum. Das Aufstehen zwar weniger, aber wenn man so hinüberblickt, Richtung Hochwilde, wie sie gerade genüsslich ihre ersten Sonnenstrahlen absorbiert, dann kann man schon erahnen: Heute wird ein langer Tag. Erstmals schenkt man wieder 500 Höhenmeter her, Abstieg zur Piccard-Brücke im Talboden. Mit 142 Metern spannt sich die Hängebrücke spektakulär über die Schlucht, eingeweiht wurde sie erst 2016. „Die alte Brücke unten in der Schlucht hat oft die Lawine gepackt“, sagt unser Bergführer Mario Gufler.

Mario ist seit 15 Jahren Bergführer im Tal, gebürtiger Obergurgler, wo er auch das Alpincenter leitet und im Winter über 150 Skilehrer koordiniert. „Das Schönste an der Gegend hier ist die Lage im Talschluss: ruhiger geht’s kaum“. Außer man geht dorthin, wo es längst keine Straßen mehr gibt: Auf die großen Ötztaler Gletscher. Über das Hochwildehaus – leider seit 2 Jahren geschlossen, „wegen des auftauenden Permafrostbodens, a Schand’!“ – steigen wir auf den Gurgler Ferner, ab hier hat man jahrtausendealtes Eis unter den Sohlen. Ruhig und spaltenlos gibt sich der Gletscher im unteren Teil, hier kann man noch ohne Steigeisen gehen. Aber, sobald man den vorgelagerten Annakogel (3.333 m) links liegengelassen hat, baut sich die Hochwilde in ihrer ganzen Pracht auf: „Die Königin des Tales“, ruft Mario auch nach 15 Jahren noch voller Begeisterung, „schon mal so einen schönen Gipfel gesehen?“

Aufstieg zum Gipfel der Hochwilde (3.458 m)

Jetzt erschließt sich auch der Name des Berges: Hoch, eh, mit 3.480 m einer der höchsten Berge Österreichs. Und wild? Ja, auch! Der Gipfel war ursprünglich nur mit Kletterei im 5. Schwierigkeitsgrad zu erreichen, seit ein paar Jahren hilft einem aber ein versicherter Klettersteig durch die steilen Wandpassagen. Am Gipfel steht man mit einem Fuß in Nordtirol, mit dem anderen in Südtirol: Die Landesgrenze verläuft genau durch das Gipfelkreuz. Ui, und da kommt schon wieder der Harry mit dem Flachmann und einem breiten Grinsen im Gesicht.

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Lang, länger, Längental

Wer rauf geht, der muss auch wieder runter: Mario beschließt, den Rückweg über den Langtaler Ferner anzutreten, quasi die Rundtour zu vollenden. Dieser präsentiert sich nicht ganz so harmlos wie sein Bruder, der Gurgler Ferner: Steile Passagen werden mit Eisschrauben gesichert und ein Sicherungsseil gespannt, die Spalten hier sind von der Sorte „woa, tief.“ Angeseilt und mit jahrelanger Gletschererfahrung findet sich aber auch durch dieses Spaltenlabyrinth ein sicherer Weg. Marios Gesicht zeichnet dennoch ein paar Sorgenfalten: „An so wenig Schnee wie in diesem Jahr kann ich mich nicht erinnern, irgendwas verändert sich.“ Der Klimawandel macht auch vor den Ötztaler Gletscherriesen nicht halt.

Am flachen Endstück des Gletschers dämmert uns dann auch langsam, warum das Längental Längental heißt: Es ist einfach verdammt lang. Eines muss man den Obergurglern also lassen: Sie wählen wirklich passende Namen für ihre Topografie. 

Irgendwann trudeln wir alle bei der Langtalereckhütte ein: Francesco aus Italien, unser walisisches Hochzeitspärchen Dan und Kate und Xavi, der Spanier. Wobei Xavi schon ein wenig raunzt: Strand! Siesta! Oh wie schön das doch jetzt wäre! Zur Belohnung gibt’s aber eine Runde Zirbenschnaps auf der Hütte, der macht alles wieder gut. Selbstgebrannt, natürlich.

Eiszeit: Der Abstieg über den Langtaler Ferner

INFOS: Salewa getvertical

Die Salewa getvertical experiences finden jeden Sommer und Winter in verschiedenen, aufregenden Locations der Alpen statt. Teilnehmen beim Gewinnspiel kann jeder, die Gewinner erhalten ein Salewa-Outfit sowie ein mehrtätiges Bergabenteuer. Weitere Informationen findest du hier.

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