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Interview mit Stefan Keck

Zelte für den Neustart ins Leben

• 5. Mai 2015
4 Min. Lesezeit
von Martin Foszczynski

Stefan Keck ist eigentlich Expeditionsleiter, doch sein Reisebüro hat er vorerst auf Eis gelegt. Stattdessen nutzt der Tiroler sein Netzwerk aus Sponsoren und Transport-Partnern, um Hilfsgüter ins von Erdbeben verwüstete Nepal zu befördern – viele Menschen und Vereine helfen mit.

Stephan Keck
Foto: Stephan Keck (alpinist.at)
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Interview: Martin Foszczynski
 
Herr Keck, dass Sie derzeit nur im Auto für ein Interview erreichbar sind, ist bezeichnend. Sie stehen auf einem Ladeplatz – worin genau besteht Ihr Hilfsprojekt?
 
Die Aktion baut auf der STEP 0.1-Organisation auf, die ich schon vor mehreren Jahren gestartet habe, um weltweit armen Regionen unter die Arme zu greifen. Nach der Erdbebenkatastrophe in Nepal war für uns klar, dass wir schnell helfen müssen. Derzeit sind 20 Helfer im Einsatz, mein eigentliches Reisebüro steht im Moment still – sämtliche Mitarbeiter sind in die Hilfsaktion eingespannt. Es kommen ganze LKWs voller Hilfsgüter an. Wir haben einen 500 Quadratmeter großen Lagerplatz in Schwaz zur Verfügung gestellt bekommen, nachdem unser eigenes Lager zu klein geworden ist. Die Hilfsbereitschaft von Privatpersonen ist enorm – doch nicht alles Gutgemeinte, wie etwa Altkleider, ist auch sinnvoll. Jedes Kilogramm Cargo kostet Geld – unsere Aufgabe ist es, das richtige auszusortieren und zu verpacken. Meine jahrelange Expeditionserfahrung kommt mir da zugute.
 
Bekommen Sie hauptsächlich Güter von Privatpersonen?
 
Wir haben nach dem ersten Aufruf überwältigend viele Güter von Privatpersonen bekommen. Doch es helfen auch viele meiner langjährigen Sponsorenpartner mit Sachspenden oder Geldspenden für den Cargo-Transport. Die Firma STUBAI hat beispielsweise 200 nagelneue Zelte gespendet, die zu Marketingzwecken produziert wurden. Es helfen auch Bergrettung, Feuerwehr und andere Vereine.
 
Was geschieht mit den Hilfsgütern, nachdem sie bei Ihnen eingetroffen sind?
 
Wir sortieren und verpacken sie, dann werden sie nach Innsbruck zu unseren Logistikpartnern gebracht. Es handelt sich ausschließlich um erfahrene Cargo-Agenturen, mit denen ich auch bei meinen Expeditionen zusammenarbeite. Sie bieten mir einen sehr fairen Transport-Preis von rund 1,50 Euro pro Kilogramm. Heute ist die erste Ladung mit 300 Zelten Richtung Kathmandu geflogen – das entspricht circa 3,5 Tonnen Frachtgut.

Wie ist die derzeitige Lage vor Ort? Haben Sie einen Einblick?
 
Ich habe heute mit Josef Einwaller (Tiroler Geschäftsmann und Bergsteiger) telefoniert, der das Erdbebenunglück miterlebt hat und derzeit vor Ort hilft.  Vor allem im Langtang-Tal sieht es fürchterlich aus – der Großteil der Häuser ist einfach dahin. In wenigen Wochen beginnt die Monsun-Zeit, das bedeutet es wird über mehrere Monate anhaltende Regenfälle geben.
 
Was sind sinnvolle Spenden, was wird besonders gebraucht?
 
Zelte, Isomatten – leider auch Leichensäcke, die wurden gerade aus Nepal angefragt. Wir stellen spezielle Erste-Hilfe-Pakete zusammen, die aus jeweils einem 4-Personenzelt, 4 Schlafsäcken und 4 Isomatten sowie einer Grundausstattung an Bekleidung bestehen. Wir nennen diese Pakete „Family-Drums“, in Anlehnung an die Expeditionstonnen. Sie sollen einer Familie den Neustart ermöglichen, bis sie wieder ein festes Dach über dem Kopf bekommen. Wir schätzen, dass wir mit unserer Aktion zwischen 400 bis 500 Familien helfen können.

In Schwaz werden die Hilfsgüter sortiert und verpackt

Man hört von massiven Infrastruktur-Problemen in Nepal – werden die Hilfsgüter auch wirklich bei den Bedürftigen ankommen?
 
Wir haben drei lokale Partner vor Ort in Kathmandu, die sicherstellen sollen, dass die Güter fair verteilt werden. Auch Josef Einwaller und sein Team werden uns bei der Logistik vor Ort unterstützen. Wir haben mittlerweile ein ausreichend solides Netzwerk aufgebaut, um zu garantieren, dass die Güter dort hingelangen wo sie hin sollen.
 
Werden Sie auch selbst nach Nepal reisen?
 
Ich plane im Sommer oder Herbst mit der ganzen Familie auf Eigenkosten hinzufahren um mir einen Eindruck zu verschaffen wie man am besten helfen kann.
 
Woher kommt dieses starke Engagement? Was verbindet Sie mit Nepal?
 
Ich bin in den letzten zehn Jahren rund 20 Mal nach Nepal gereist, habe 2008 eine Everest-Besteigung ohne Träger unternommen. Ich kenne circa 70 Leute in Nepal, viele davon sind wirklich gute Freunde. Von der Hälfte dieser Menschen weiß ich derzeit nicht einmal, ob sie noch leben. Ich bin der Meinung, wenn ich die Möglichkeit habe zu helfen, muss ich helfen. Es ist die Zeit gekommen, diesem Land, das mich immer herzlich aufgenommen hat, etwas zurückzugeben.

Nepal, Ama Dablam
Foto: Stephan Keck (alpinist.at)
Wunderschönes Nepal (Ama Dablam)

Wie lange wird der Wiederaufbau dauern? Ist der Tourismus Nepals nachhaltig zerstört?
 
Meine Einschätzung ist da positiver als die vorherrschende Meinung. Bergvölker, sei es in Pakistan, Südamerika oder Nepal, haben die Eigenschaft, schnell wieder aufzustehen. Nepal braucht den Tourismus, es ist die Haupteinnahmequelle. Viele Denkmäler sind zerstört, der Aufbau wird sehr mühsam werden. Aber das Land wird sich relativ schnell wieder erholen, es gibt keine vergleichbaren kriegerischen Einflüsse wie in Pakistan. Ich denke in spätestens einem Jahr wird der Aufbau gut vorangeschritten sein. Gut möglich, dass im Herbst wieder erste Expeditionen kommen.
 
Der Tourismus in Nepal hat mehrere Gesichter, nicht alle werden positiv gesehen. Wie stehen Sie zum derzeitigen Everest-Massentourismus? Zum Zeitpunkt des Lawinenunglücks waren rund 1000 Menschen auf dem Everest unterwegs, viele Bergsteiger mussten mit dem Helikopter gerettet werden. 
 
Das sehe ich sehr kritisch. Die Lage in den Basislagern, wo hunderte Leute campieren, ist grenzwertig – allein schon die Fäkalien verseuchen die Gegend. Was aber viel schlimmer ist: Viele Bergsteiger, die auf der Südroute im Lager 1 eingeschlossen waren, sind gleich nach der Katastrophe mit Helikoptern ausgeflogen worden. Die westlichen Expeditionsteilnehmer sind gut versichert – Helikopter fliegen zuerst jene, die mehr zahlen. Die Sherpas gehören in den allermeisten Fällen nicht dazu. Dadurch werden Helikopterflüge blockiert, die man anders einsetzen könnte – das behindert die Rettung im Land.
 
 
Spendenmöglichkeiten für Nepal:
 
www.stepzeropointone.org (Stephan Keck)
IBAN: AT08 2051 0000 0001 6261
 
www.weltweitwandern.at
IBAN AT37 6000 0000 7361 5501

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