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Vortragsreihe von Marlies Czerny

Zum Gipfel des Manaslu: Lawinen an Emotionen

• 23. Februar 2023
6 Min. Lesezeit
von Marlies Czerny

Wie viel Glück darf’s sein? Auf ihrer Expedition zum Manaslu, dem achthöchsten Berg dieser Erde, haben Marlies Czerny und Andreas Lattner eine Antwort gefunden – auch wenn es nicht beide auf den Gipfel geschafft haben. Im März und April 2023 erzählt das Paar aus Oberösterreich davon in ihrer Vortrags-Tour, hier gibt es schon einen kleinen Vorgeschmack. Plus: Wir verlosen 2x2 Tickets!

Auf dem Weg ins Manaslu-Basislager
Foto: www.hochzwei.media
Auf der letzten Etappe ins Basislager herrscht tierisch viel Verkehr. Die zum Wiehern schöne Aussicht war uns leider erst beim Abstieg vergönnt
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Der Tag, an dem der Manaslu im Herbst 2022 endlich sein sonnigstes Lächeln aufsetzte, war der Tag, an dem die Menschenmassen wieder ihre Zelte abbrachen. Endlich Ruhe, mag sich der „Berg der Seelen“ wohl gedacht haben, und hatte es zuvor umso monsunartiger regnen und schneien lassen. Wir konnten es dem Manaslu nicht verübeln, immerhin hatte die nepalesische Regierung in dieser Saison eine Rekordzahl an Permits ausgestellt. 404 Bergsteiger durften Richtung Gipfel aufbrechen. Zu fast jedem kamen noch ein oder sogar zwei Climbing-Sherpas dazu. So viele Menschen waren noch nie am Manaslu vor Ort.

Von einem großen Traum

Unseren ersten 8.000er-Versuch unternahmen wir 2018 am Gasherbrum II in Pakistan. Dort ging es uns zwar gut, aber es wollte einfach kein Wetterfenster für den Gipfel aufgehen. Seitdem war der Traum im Hinterkopf:  Einmal die Aussicht auf 8.000 Meter erleben dürfen, nachdem man zuvor aus eigener Kraft hochgestiegen ist. Dieser Traum sollte sich auf unserer Nepal-Reise hoffentlich endlich erfüllen. Was wir dort schließlich erlebt haben, hat uns ebenso überrascht wie schockiert, begeistert und berührt.

Mulis auf dem Weg zum Manaslu-Basislager
Foto: www.hochzwei.media
Tragende Rolle: Ohne Mulis hätten die schweren Expeditions-Taschen nicht den 100 Kilometer weiten Weg ins Basislager gefunden

Nach einer zweitägigen Jeepfahrt, der es weder an Anstrengung noch an Abenteuer mangelte, freuten wir uns in Dharapani umso mehr aufs Losgehen. Fünfzig Trekking-Kilometer führten uns über den 5.100 m hohen Larke-Pass bis ins Bergdorf Samagaun am Fuße des Manaslu. Der Weg hinauf ins Basislager wäre schön, nur strömte der Regen unaufhörlich. So als hätte der Himmel über dem Himalaya die Schleusen geöffnet, um sich alle diese Menschen, Tiere und Lasten vom Hals zu halten.

Beliebt auf Bergwelten

Stadt am Berg

Das Basislager auf 4.800 m – also auf Gipfelhöhe des Mont Blanc – glich einer Zeltstadt, wie wir das nur von Bildern vom Mount Everest kannten. Ein gewöhnungsbedürftiger Anblick in dieser Bergwelt. Jede Agentur hatte ihr eigenes „Wohnviertel“: Manche davon sogar mit luxuriösen Riesen-Kuppelzelten, weißen Sofas, Gastro-Kaffeemaschinen, Yoga-Matten und allen erdenklichen kulinarischen Köstlichkeiten. Wir waren am Stadtrand in unserem soliden „Zwei-Sterne-Hotel“ auch sehr zufrieden.

Auch beliebt

Manaslu mit Basislager im Vordergrund
Foto: www.hochzwei.media
Über den Dächern der kleinen Zeltstadt im Basislager thront der Manaslu, der achthöchste Berg der Welt

Bei einer nepalesischen Agentur haben wir den Basecamp-Service gebucht. Das heißt: Organisation und Vollpension bis inklusive Basislager. Von dort weg waren wir komplett auf uns alleine gestellt – ohne Hochträger, ohne Sauerstoffflaschen. Nur das sieben Kilometer lange Fixseil nahmen wir zumindest an den Steilstufen gerne in Anspruch. Somit schleppten wir unsere jeweils knapp 20 Kilogramm schweren Rucksäcke in zwei Akklimatisierungsrunden bis auf 6.850 Meter hinauf und schaufelten Plätze für unsere zwei Zelte frei. Bis das Zelt stand, genügend Schnee geschmolzen war und wir endlich in den Schlafsack krochen, vergingen schon mal zwei Stunden. Die meisten waren hier mit kleinem Rucksack unterwegs und bekamen im Zelt Tee und Suppe serviert.

Marlies Czerny im Aufstieg auf den Manaslu
Foto: www.hochzwei.media
Schritt für Schritt in eisigere Höhen: Beim Aufstieg ins erste Hochlager kommt Marlies unter der sengenden Himalaja-Sonne ins Schwitzen

Skurrile Parallelwelt

Steigeisen anlegen? Das gehört längst zum Service der hilfsbereiten Sherpas. Eine deutsche Bergsteigerin erzählte uns, sogar die Schuhbänder würden ihr gebunden. Warum aber überhaupt ein Achttausender? Vorgestern Fallschirmspringen, gestern Kilimandscharo, hier am Manaslu erstmals Steigeisen an den Schuhen und morgen der Mount Everest. Der stehe eben auf seiner „Bucket-List“, erzählte uns Willie aus Kanada.

Andreas Lattner und Marlies Czerny im Manaslu-Basislager
Foto: www.hochzwei.media
Andi und Marlies im Manaslu-Basislager

Pure Bergleidenschaft? Die war nicht überall zu spüren. Einige waren überfordert, mussten sich das Abseilgerät vom Climbing-Sherpa einhängen lassen und brauchten pro Abseilmeter schnell mal eine Minute. Und das mitten im Eisbruch, wo man viele Leute hinter sich zum Warten zwang. Das brachte nicht nur ihre Sherpas in Gefahr, sondern auch jene Bergsteiger, die sich gewissenhaft vorbereitet haben..

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Gute und schlechte Nachrichten

Gerade als uns ein Wetter-Update an den Gipfelversuch denken ließ, kam die schwärzeste aller Nachrichten: Eine Riesenlawine war zwischen Lager 4 und Lager 3 abgegangen. Dass unser Zelt vielleicht weg sein könnte und unsere Daunenanzüge, die wir darin deponiert hatten, beschäftigte uns vorerst wenig. Mindestens ein Sherpa war tot und mehrere schwer verletzt.

Am nächsten Morgen war die Lawinenlage nach wie vor angespannt, aber das Zeitfenster neigte sich für die meisten Expeditionen dem Ende zu. Manche Gruppen brachen ab, manche brachen auf. Wir warteten noch zwei weitere Tage, bis wir unsere einzige und letzte Chance nutzen wollten. Vom Basislager stiegen wir 1.500 Höhenmeter direkt hinauf ins Lager 2 und am nächsten Tag weiter in unser Lager 3.

Schlange an Bergsteigern am Manaslu
Foto: www.hochzwei.media
Schlangen-Gefahr: So viele Permits wie noch nie wurden im Herbst 2022 für den Manaslu ausgegeben. Einmal standen Marlies und Andi im Stau – meist verteilten sich die Massen aber gut.

Als wir auf 6.850 m ankamen, bestätigte sich unsere Befürchtung: Von unserem Zelt fehlte jede Spur! Wir suchten, sondierten und buddelten. Im Wissen, dass es ohne Daunenanzug bald zu kalt werden würde, stiegen wir zweihundert Höhenmeter dort hinunter, wo die meisten ihr Lager 3 errichteten. Freundlicherweise durften wir hier für die Nacht ein freies Zelt beziehen. Am nächsten Morgen boten zwei Sherpas an, uns nochmal bei der Suche zu helfen. Ihre unglaubliche Hilfsbereitschaft hat uns begeistert. Sie war aber leider vergebens. Kein Zelt, kein Daunenanzug, keine Heizsocken, keine dicken Handschuhe, kein Essen war zu finden. Aus der Traum?

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  • Unsere finale Chance

    Ein letzter Funken Hoffnung keimte auf: Ob uns jemand, der bereits im Abstieg war, den Daunenanzug leihen würde? Das Wunder geschah. Andi wurde bei Sangay Sherpa fündig und ich bei einer Mexikanerin, die im weiteren Abstieg auf ihren Daunenanzug verzichten konnte. Eine überraschende Bergkameradschaft in all dem Trubel. Wir bekamen also eine Chance!

    Die Aufregungen des Tages, die keine Sekunde Schlaf zugelassen hatten, waren nicht die beste Vorbereitung für den langen Gipfelgang. Wir wollten es aber versuchen. Sternenklar und stockdunkel war es, als wir gegen halb neun Uhr abends auf 6.600 Metern aufbrachen. Die ganze Nacht kämpfte ich mit der Kälte. Mühsam bis zermürbend, mit nicht richtig passender Ausrüstung unterwegs zu sein. Die Handschuhe waren mir um soviel zu groß, dass ich nicht einmal Reißverschlüsse hätte öffnen können – von Karabinern ganz zu schweigen. In der Steilflanke, jenseits von 7.000 Metern, schossen uns die Schneekristalle wie Pistolenkügelchen entgegen. Nach einigen Stunden sah ich auf einem Auge schlechter. Das war wohl zu viel der windigen Attacken. Oder hing das mit der Höhe zusammen? Dazu diese unendliche Müdigkeit. Ich begann mir Sorgen zu machen.

    Spätestens als ich den Sonnenaufgang auf rund 7.500 Metern so gar nicht genießen konnte, musste ich einsehen: Ich kann nicht mehr. Zwar sollte der Weg ab Lager 4 flacher werden, aber von dort würden es nochmal etwa acht Stunden bis zum Gipfel sein. Darüber hinaus spürte ich, dass Andi es wirklich schaffen konnte. Ich schlug ihm vor, es allein zu probieren. Es brach mir fast das Herz, denn im selben Moment wusste ich, dass unser gemeinsamer Traum hier sein Ende fand.

    Marlies Czerny und Andreas Latt
    Foto: www.hochzwei.media
    Ein gemeinsames Foto noch auf 7.500 Metern, dann war ihr gemeinsamer Traum vorbei: Marlies drehte schweren Herzens um und Andi ging alleine weiter.

    Andis Gipfelsturm am Manaslu

    Ein Kuss, ein „Ich liebe dich!“ und ein „Ich steige heute noch zu dir zurück ins Basislager ab“, schickte mir Andi mit auf den Weg. Für ihn führte der Weg weiter hinauf, wo eine gute Spur mit Markierungsfähnchen über mehrere Etagen den Weg zum Gipfel wies. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel und mit jedem Höhenmeter wurde Andi langsamer. Mehr als sieben Stunden brauchte er bis zum Fixseil, das über die letzten Schneewechten führte. Im Nebel und gänzlich ohne Aussicht stand er schließlich am Gipfel.

    Andreas Lattner am Gipfel des Manaslu
    Foto: www.hochzwei.media
    Gipfel ohne Aussicht: Andi erreichte im Alleingang den Hauptgipfel des Manaslu auf 8.163m. Und ahnte nicht, was ihn noch alles erwarten würde…

    Beim Abstieg setzte starker Schneefall ein und Wind kam auf. Gemeinsam mit anderen Bergsteigern spurte Andi im oberschenkeltiefen Schnee hinunter. Bei einer kurzen Aufhellung konnte er in der Ferne die Umrisse von Zelten ausmachen. Ihn beschlich jedoch das ungute Gefühl, dass er den Weg nicht finden würde. Mit dem Pickel grub er ein Schneeloch, in dem er kauerte, bis sich zumindest der Nebel gelichtet hatte.

    Inzwischen wurde es dunkel. Nach einigen Stunden lichtete sich zumindest der Nebel und er fand die Zelte. Das erste war von den zwei Iranern belegt, also nahm er das zweite. Das war zwar kaputt und halb mit Schnee gefüllt, doch er kam zitternd durch die Nacht. Als er um 6 Uhr einen Blick nach draußen wagte, hatte sich das Wetter tatsächlich beruhigt. Er grub die Fixseile aus und es ging nach unten!

    Stop or go

    Nach zig Abseilfahrten und stundenlangem Wühlen in hüfttiefem Schnee erreichte Andi den Gletscherbruch vor Lager 3. Einmal mehr musste er überlegen, wo genau der Weg verlief. Rund um ihn waren mehrfach Wumm-Geräusche von Schneebrettern zu hören und plötzlich sah Andi rund um sich nur noch Schneebrocken in Bewegung. Nach drei Spülgängen spuckte ihn die Lawine wieder unverletzt aus. Der Weg zurück und die letzten Meter zum Lager 3 kosteten ihn die letzten Kraftreserven.

    -

    Nach einer Rast stieg Andi weiter ins Basislager ab. Dort hatte sich meine anfängliche Enttäuschung längst in große Sorge verwandelt. Schließlich hatten wir uns am Vortag zum Sonnenaufgang auf knapp 7.500 Meter das letzte Mal gesehen – und seither keinen Kontakt mehr gehabt. Ein ganzer Steinbruch fiel mir vom Herzen, als Andi dann um 19 Uhr – im Dunkeln – endlich vor mir stand, gezeichnet von den letzten Stunden, aber gesund.

    Vortrags-Tour & Gewinnspiel

    Im März und April gehen Marlies und Andi auf Tour und erzählen in ihrem packenden Vortrag von ihren Abenteuern und Erlebnissen am Manaslu. Alle Infos zur Tour.

    Wir verlosen 2x2 Tickets für einen Tour-Stop eurer Wahl!

    Teilnahmeschluss ist der 12. März 2023, viel Glück!

    Termine:

    • 2. März 2023 Waizenkirchen (OÖ)

    • 9. März 2023 Liezen (Stmk) & Peter Habeler

    • 15. März 2023 Stans (Schweiz)

    • 24. März 2023 Kirchdorf/Krems (OÖ)

    • 25. März 2023 Radenthein (K)

    • 29. März 2023 Wolfsberg (K)

    • 30. März 2023 Hartberg (Stmk)

    • 11. April 2023 Leipzig (D)

    • 13. April 2023 Mondsee (OÖ)

    • 14. April 2023 Steinbach/Steyr (OÖ)

    • 20. April 2023 Linz (OÖ)

    • 21. April 2023 Königswiesen (OÖ)

    • 24. April 2023 Wien

    • 27. April 2023 Hainfeld (NÖ)

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