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Foto: Andreas Jakwerth
La Palma

Frühling im Winter

17. Juni 2016
3 Min. Lesezeit

Alte Krater und junge Vulkane, grüne Urwälder, einsame Berge und schwarze Strände: La Palma gehört zu den landschaftlich abwechslungsreichsten Inseln der Kanaren. Ideale Voraussetzungen, um der Sonne ein paar Wochen entgegen zu wandern. 

Nur der Wind ist ein Spielverderber, er kommt aus der falschen Richtung, aus Nordwesten statt Nordosten. Die Wolken haben sich schon am frühen Morgen in der Caldera de Taburiente verfangen, dem alten Vulkankrater im Zentrum der Insel. Mächtige Felswände umschließen hier einen im Durchmesser acht Kilometer großen Kessel (span. caldera). Den Krater, der nur zu Fuß zu erreichen ist, müsse man unbedingt gesehen haben, sagen uns die Inselbewohner. 

La Palma
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Insgesamt gibt es tausend Kilometer ausgewiesene Wanderwege, nicht wenig für eine Insel, die gerade einmal 45 Kilometer lang ist und keine 30 Kilometer breit. Dazu kommen noch einmal tausend Kilometer alte Wanderwege, verrät uns Wanderführer Christian Ranalter, der seit 25 Jahren auf der Insel lebt, hier ebenso lang für die Alpinschule Innsbruck unterwegs ist und daher so ziemlich jeden Meter kennt. 

Bergwelten.com La Palma
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Auf dem nordwestlichsten Außenposten der Kanaren, der spanischen Inselgruppe vor der Küste Marokkos, gibt es einen der letzten großen Lorbeerwälder Europas im Nordosten der Insel: Nach dem Regen in der Nacht tropft es hier noch unentwegt, der Wald ist ein riesiger, subtropischer Wasserspeicher, der das ganze Jahr über Feuchtigkeit abgibt. Grüner geht nicht, mit üppigen Farnen, dichten Moosen und alten Lorbeerbäumen. Die Luft ist hier kühl und frisch. Die Farben intensiv. Fast meint man, ein Buschmesser zu brauchen, weil das Grün rundum so dicht ist. Aber das braucht es natürlich nicht: Wie fast überall auf La Palma sind die Wege bestens gepflegt.

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Foto: Andreas Jakwerth
Lorbeerwald auf La Palma

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Wir wollen aber das Thema Lorbeer noch weiter vertiefen und fahren dafür nach Argual. Es gibt jedenfalls schlechtere Ausreden, um das El Rincón de Moraga aufzusuchen, ein schönes Restaurant in einem Ensemble historischer Gutshäuser. „Lorbeerblätter von der Insel sind frisch und intensiv, das kann man mit normalem Lorbeer gar nicht vergleichen. Ich verwende ihn gern für Kaninchen- oder Lammeintöpfe“, sagt José Alberto Díaz, der zu den besten Köchen der Insel gehört. José mag die Insel, „die Leute, die Ruhe, die Natur, die Berge, alles“. Geboren wurde er auf Teneriffa, vor acht Jahren ist er hergekommen und hat sich blitzschnell verliebt. „Nach vier Tagen wusste ich: Das ist es, da bleibe ich“, sagt er.

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Wenn der Wind nicht drehen will – und das will er auch am nächsten Tag nicht –, bleibt immer noch der Weg nach oben: durch die Wolken auf den höchsten Gipfel der Caldera, den Roque de los Muchachos auf 2.426 Meter Seehöhe. Dort herrscht fast immer freie Sicht zum Himmel. Mit ein Grund, weshalb rund um den Gipfel mehr als ein Dutzend Teleskope errichtet wurden: Palma gehört mit Regionen wie Hawaii oder der chilenischen Atacama-Wüste zu den Hotspots der internationalen Astronomie. Einen Himmel wie diesen hatte ich bis dahin nicht gesehen. Die Milchstraße von hier zu beobachten ist sensationell“, erzählt uns der italienische Astrophysiker -Paolo da Vela, der hier jedes Jahr ein paar Wochen verbringt, um mit den riesigen Spiegelteleskopen ins Weltall zu schauen. 

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Schade ist, dass man am Gipfel nicht übernachten kann, um selbst nach außerirdischem Leben Ausschau zu halten. Die gute Nachricht ist aber: Der gigantische Himmel lässt sich auch von weiter unten sehr schön beobachten. Und: Tagsüber kann man hier herrliche Wanderungen entlang des Kraterrands unternehmen, je nach Windrichtung knapp über dem Wolkenmeer oder eben mit spektakulärem Ausblick auf die steil abfallenden Felswände der Caldera. Tatsächlich sind überraschend wenige Wanderer am Weg. La Palma ist nach wie vor eine angenehm untouristische, fast verschlafene Insel, erst recht im Vergleich mit manchen Nachbarinseln wie Teneriffa, das mit dem höchsten Berg Spaniens, dem -Teide (3.718 m), in Sichtweite liegt.

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Es sollte dann doch noch klappen, der Wind dreht auf Nordost, und die Wolken geben die Caldera endlich frei. Wir sind früh aufgebrochen und wandern von Los Brecitos an der Westflanke hinunter ins Herz des Kraters. Der Weg verläuft durch einen uralten Kiefernwald, die Nadeln der Bäume haben einen weichen Teppich ausgelegt, dazwischen öffnet sich immer wieder der Blick auf die zackigen Wände der Caldera, bis man schließlich den Talgrund erreicht. „Das ist das Herz der Insel“, sagt Wanderführer Christian, „weil es hier gar so schön ist.“ Man mag nicht widersprechen. Und damit es auch sicher nicht langweilig wird, geht der Weg zurück durch eine Schlucht den Almendro Amargo entlang, den Bittermandel-Fluss, abwechslungsreicher kann eine Wanderung nicht sein. 

Perfektes Finale also, dem Wind sei Dank. Auf der Rückfahrt ein allerletzter Zwischenstopp, um den kurzen, aber spektakulär in den Felsen gebauten Weg hinunter zur Playa de Nogales zu gehen, dem vielleicht schönsten Strand der Insel. Wenn man dann im schwarzen Sand sitzt und aufs Meer schaut, mit den Surfern aus Lanzarote die Qualität der Wellen bespricht, kann man sich jedenfalls gut vorstellen, dass Koch José nur vier Tage brauchte, um sich in die Insel zu verlieben und für immer zu bleiben.

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