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Foto: Stefan Kürzi
Hüttentipp

Die Rugghubelhütte

• 17. Oktober 2021
5 Min. Lesezeit

Wie man die Leidenschaft zu den Bergen und zum Kochen am besten miteinander verbindet? Chrigel Menon übersiedelt jeden Frühling mit Familie und drei Katzen auf die Rugghubelhütte.

Sandra Casalini für das Bergweltenmagazin Februar 2019

Die Murmeltiere waren zuerst hier. Das muss man fairerweise sagen. Vor Zora, Pfüdi und Hugo. Seitdem die drei Katzen aber das eine oder andere Mal kräftig eins auf die Nase bekommen haben, machen sie einen weiten Bogen um die pfiffigen Nager und ihre Höhlen. Und das ist gut so.

Wer auf der Rugghubelhütte hoch über Engelberg übernachtet, wird auf Schildern an den Zimmertüren darauf hingewiesen, diese bitte zu schließen – wenn man nicht mit einer Katze im Bett aufwachen möchte. Denn im Gegenteil zu den Murmeltieren meiden die tierischen Mitbewohner der Hüttenwarte Chrigel Menon und Andrea Marti die Gäste mitnichten. 

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Tigerli Zora hat es sich im Laufgitter des kleinen Sohnes der Gastgeber bequem gemacht, während der kleine schwarze Hugo auf Chrigels Schoß vor sich hin schnurrt. Hugo ist ein Mädchen. „Aber als wir das gemerkt haben, war es schon zu spät“, erzählt der Hüttenwart lachend.

Die Hüttenbetreiber sitzen auf einer Bank vor der Hütte.
Foto: Stefan Kürzi
Während der Woche gibt es für Hüttenwirt Chrigel und Hüttenhilfe Livia auch Verschnaufpausen.

Es war wie so oft der Zufall, der das Paar auf das idyllisch gelegene Hochplateau auf 2.296 Metern über Meer verschlug. Menon, gelernter Koch und begeisterter Alpinist, arbeitete zwölf Jahre lang als Zimmermann. „Ich wusste immer, dass ich das nicht ewig machen möchte“, sagt der Glarner. Und irgendwann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: „Meine beiden Leidenschaften – das Kochen und die Berge – miteinander zu verbinden, das ist doch das Naheliegendste überhaupt!“

Auch seine Freundin Andrea, gelernte Konditorin und Confiseurin, war angetan von der Idee. Sie begannen nach einer SAC-Hütte im Glarnerland zu suchen, die einen neuen Hüttenwart brauchte. Fehlanzeige. Da erfuhren die beiden, dass die Rugghubelhütte im Kanton Obwalden frei wird. Gut acht Jahre ist das her. „Ich dachte mir: Warum nicht? Einmal ins Ausland kann nicht schaden“, flachst Chrigel Menon. „Es ist ja auch nicht schlecht, dass ich nicht mit jedem die Schulbank gedrückt habe, der hier hochkommt.“

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Zwei Wanderer am Weg zur Hütte.
Foto: Stefan Kürzi
Am Weg auf den Rugghubel. Die Wanderer geniessen die abwechslungsreiche Route und die herrliche Aussicht.

Das hat die Gruppe, die auf der Terrasse um die Mittagszeit lautstark ihre Biergläser klingen lässt, definitiv nicht. Die Männer kommen aus Gersau im Kanton Schwyz. Was sie auf den Rugghubel treibt? Die Planggenalp, wenige Höhenmeter unter der Rugghubelhütte gelegen, gehörte einst der Gemeinde Gersau. 1345 wurde sie ans Kloster Engelberg verkauft.

Um daran zu erinnern, dass die Planggenalp einst Gersauer Boden war, haben sie dort eine Tafel aufgestellt. Einer hat die Tafel hochgeschleppt, einer die Stange, einer den Betonblock. Und einer den Schnaps. Prost!

„Bei uns geht’s eher gemütlich zu“, meint Hüttenwart Menon. „Bergsteiger, die um vier Uhr früh losziehen, haben wir hier selten. Das passt mir ganz gut, ich schlafe nämlich gern etwas länger.“

Die Wege, die auf den Rugghubel führen, sind ganz unterschiedlich. Ab Ristis und Brunni sind sie durchaus familienfreundlich und können auch mit Kindern begangen werden. Wer ab St. Jakob über die Engelberger Egg kommt, muss mit etwas mehr Zeit (gut 5,5 Stunden) sowie mit Schweiß und Tränen rechnen – so wie Trailrunner Julian Homberger, der nur einen kurzen Zwischenstopp in der Rugghubelhütte einlegt, und dann zurück nach Engelberg rennt.

Wer länger bleibt, braucht nicht lange, um den Alltag hinter sich zu lassen: Rucksack ausziehen, in die Sonne sitzen, den Blick über die Bergwelt schweifen lassen. Wie hieß nochmal der Chef? Und worüber hat man sich gestern so geärgert?

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Eine wunderschöne Katze.
Foto: Stefan Kürzi
Der Liebling aller Gäste: Zora, eines der drei Haus-Büsis.

Und wenn der Magen knurrt, gibt es kaum einen besseren Ort als diesen, nahe dem kulinarischen Himmel. Dass der Hüttenwart ein gelernter Koch ist, merkt, wer mittags die knusprige Älplerrösti oder die würzige Käseschnitte probiert. Himmlisch. Fürs Dessert ist Konditorin Andrea zuständig. Ihr Apfel-Dattel-Cake hat es sogar ins Buch „Hüttenrezepte zum Nachkochen – Zentralschweiz: Gluschtigs aus den SAC-Hütten“ geschafft.

Weitere Besonderheiten auf der Hüttenkarte: Abends gibt es auch Gerichte, die man in Berghütten eher selten findet. Rippli zum Beispiel. Oder Gschwellti mit Käse. Und den Klassikern verleiht Chrigel Menon gern einen „Twist“. So findet man in den Älplermagronen Stückli von heissem Fleischkäse.

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Ein gedeckter Tisch mit einer heißen Mahlzeit.
Foto: Stefan Kürzi
Die Älplermagronen werden gerne auch einmal mit gebratenem Fleischkäse aufgepeppt.

Der Chef schläft gerne länger

Gekocht hat diese übrigens Livia, die während der Saison auf der Rugghubelhütte arbeitet. Denn für Chrigel Menon ist klar: „Wer hier arbeiten will, muss kochen können. Ich habe nämlich keine Lust, ständig in der Küche zu stehen. Sonst hätte ich doch auch ein normales Restaurant übernehmen können.“

In der Rugghubelhütte macht jeder alles, vom Abwasch übers Bettenmachen bis zum Katzenfüttern. Das Frühstück ist allerdings nicht unbedingt Chrigels Sache. „Ich bleibe lieber bis halb acht liegen und übernehme dafür am Abend die letzte Schicht: Küche aufräumen, Kasse checken – und ein Glas Rotwein mit den Gästen trinken“, meint er augenzwinkernd.


94 Betten, verteilt auf zwölf Zimmer, stehen den Übernachtungsgästen zur Verfügung, von Zwei- bis hin zu Mehrbettzimmern. Speziell: das „Träumli“, ein kuscheliges, kleines Doppelzimmer direkt unter dem Dach, mit einer grandiosen Aussicht auf die Gipfel sowie mit einem Schuss Hüttenromantik.

Wenn dann alles ruhig ist, geht Chrigel Menon auch einmal mit dem Glas in der Hand auf die Terrasse, atmet die frische, kühle Bergluft ein und bewundert den makellosen Sternenhimmel. Ob ihm dieses „Dach“ nicht manchmal auch auf den Kopf fällt, trotz der atemberaubenden Schönheit? Ob den Glarner hier oben nicht manchmal das Heimweh packt? Oder das Fernweh? „Das Glarnerland ist ja nah. 

Außerdem verbringen wir dort den Winter. Ich würde sagen, es gibt schlimmeres, als im Sommer hier zu sein“, sagt Menon in der ihm eigenen pragmatischen Art. Niemals würde er „seinen“ Rugghubel gegen ein Leben in der Stadt eintauschen.

Ei Mann ließt Zeitung und genehmigt sich ein Bier.
Foto: Stefan Kürzi
Hüttenleben: Rucksack und Wanderschuhe ablegen und sich mit Zeitung und Bier an die sonnige Hauswand zurückziehen.

Das Fernweh wird jeweils am Ende der Saison gestillt. Im November geht es für ein paar Wochen ans Meer oder an einen See. Kochschürze und Wanderschuhe werden gegen Badehose und Tauchausrüstung getauscht, bevor die Familie in der Heimat überwintert.

Aber sobald der erste Schnee schmilzt, packt Chrigel Menon wieder das Heimweh – oder ist es sogar Fernweh? – nach dem Rugghubel. Solange sein Sohn noch klein ist, ist es kein Problem, jeden Frühling mit dem gesamten Haushalt zurück ins mittlerweile geliebte Obwalden zu übersiedeln. (Im Winter ist die Rugghubelhütte übrigens auf Anfrage und ab zehn Personen geöffnet.)

Darüber, was ist, wenn der Kleine einmal in den Kindergarten kommt, macht sich Chrigel noch keine Gedanken. „Es kommt eh immer anders, als man denkt. Sonst wären wir nicht hier gelandet.“ Wo er recht hat, hat er recht. Und wenn Murmeltiere reden könnten, würden sie das sicherlich bestätigen. Welcher Nager rechnet auf 2.296 Metern schon mit drei neugierigen Katzen?

Aber so, wie sich die Glarner Chrigel und Andrea in Engelberg verliebt haben, haben sich die Obwaldner Murmeltiere an Zora, Pfüdi und Hugo – zumindest – gewöhnt.

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