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Ohne Grenzen

Unterwegs am Alpe-Adria-Trail


6 Min. Lesezeit

Von Tarvisio zur Baumgartnerhöhe: Beim Wandern im Dreiländereck lernt man die kulturelle, landschaftliche und kulinarische Vielfalt von Italien, Österreich und Slowenien kennen – manches ist anders, vieles verbindet.

Text: Tristan Berger

Der Obere Weißenfelser See (Lago di Fusine)
Foto: Florian Lierzer
Der Obere Weißenfelser See (Lago di Fusine Superiore) zählt zu den landschaftlichen Highlights des Alpe-Adria-Trails
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Sonnendurchfluteter Mischwald, ein bald 1.000 Jahre altes Kirchlein, spektakuläre Flusslandschaften, eine Straße aus der Römerzeit, smaragdgrüne Seen, in denen sich markante Berggipfel spiegeln – prallvoll mit derlei Impressionen war schon der erste Tag unserer dreitägigen Tour – und nun sitzen wir zufrieden auf dieser feinen Terrasse auf knapp 1.400 Metern, von der aus wir ehrfürchtig auf eine imposante Felswand mit weißen Schneefeldern im graublauen Gestein blicken.

Wir sind unterwegs auf einem besonderen Abschnitt des Alpe-Adria-Trails, der in 37 Tagesetappen von den Gletschern des Großglockners ans Meer ins italienische Muggia führt. Eine aus sieben Tagesstrecken bestehende Rundtour im Dreiländereck Österreich – Italien – Slowenien ist Teil des Trails und bietet die Möglichkeit, sich innerhalb einer Woche die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser jahrtausendealten Kulturlandschaft wandernd zu erschließen.

Am Weg von Kranjska Gora zum Baumgartnerhof
Foto: Florian Lierzer
Unterwegs zum Jepzasattel lässt die Nachmittagssonne das Grün der Latschen und Lärchen in den unterschiedlichsten Schattierungen leuchten. Der markante Mittagskogel (2.145 m) weist uns den Weg

„Natürlich kann man sich auch Teilabschnitte erwandern“, sagt Roland Oberdorfer, ein schlaksiger, sonnengebräunter Kärntner im Dienste der Kärnten Werbung, den wir heute Morgen in Tarvisio trafen. „Highlight-Etappen“ habe er für uns ausgesucht, eine Dreiländer-Wanderung vom italienischen Tarvisio, wegen seiner speziellen Lage ein Kreuzungspunkt für Sprache und Kulturen, über das slowenische Kranjska Gora zur auf österreichischem Gebiet hoch über dem Faaker See liegenden Baumgartnerhöhe.

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Drei Länder in drei Tagen also, los geht’s.

Erst einmal führt uns Roland hinein in den Parco Cervi, schon nach wenigen Metern empfängt uns kühle Waldluft und würziger Waldduft, die Sonne schafft es nur vereinzelt durch die dicht stehenden Bäume, die Blätter einer Platane lässt sie wie durchsichtiges Pergament strahlend grün leuchten, was für ein gelungener Auftakt!

Blick auf die Weißenfelser Seen (Laghi di Fusine)
Foto: Florian Lierzer
Alpines Breitwandkino: Oberhalb des Rifugio Zacchi liegt „Belvedere“ – ein Aussichtspunkt, der seinem Namen alle Ehre macht: Es grüßen die Alpe del Lago (Seealpe) und der Obere Weißenfelser See

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Der Alpe-Adria-Trail, erzählt Roland, hat bestehende Wanderwege miteinander verbunden – „und dabei geht es nicht um den schnellsten Weg von A nach B, sondern um die schönsten Etappen. Deshalb geht der Weg oft im Zickzack, wer will, kann kleine Schlenker einbauen“ – zu solch einem rät er uns jetzt: Nach steilem Abstieg von Coccau – schon zu Römerzeiten Raststation für Reisende – queren wir eine Eisenbrücke, unter der die Gailitz (ital.: Slizza) lockend rauscht – und weil wir diesem Ruf nicht widerstehen können, steigen wir in die 100 Meter tiefe Schlucht, hinab zu einer spektakulären Flusslandschaft, wo wir offensichtlich derart ausdauernd und glücklich kichernd durchs bergkalte Wasser staksen, dass Roland uns zum Weitermarschieren drängt. Die heutige Tour ist mit sieben Stunden veranschlagt, und, sagt Roland, „Das Beste kommt erst noch“: die Weißenfelser Seen (ital.: Laghi die Fusine) sind „das Farbenprächtigste, was die Natur im Dreiländereck zu bieten hat“.

Der Obere Weißenfelser See
Foto: Florian Lierzer
Im smaragdgrünen Wasser des Oberen Weißenfelser Sees spiegelt sich der Mangart (2.679 m), vierthöchster und einer der charakteristischsten Gipfel der Julischen Alpen

So muss ein Tourismus-Beauftragter reden, denken wir und sagen: „Lassen wir uns überraschen!“ – und bekennen drei Wander-Stunden später kleinlaut, aber auch gerne: „Roland, du hattest Recht!“. Eingebettet in Almwiesen, Wälder und die imposante Bergkette der Westjulischen Alpen strahlen die beiden Seen einen faszinierenden Zauber und eine ganz besondere Energie aus. An solch „magische Orte der Harmonie der vier Elemente soll zukünftig jede Etappe des Alpe-Adria-Trails führen“, berichtet Roland – und ja, dieser märchenhafte Ort, der einen mit Farben nach gerade überflutet, verdient dieses Attribut zweifellos.

Mit überbordenden Geranienkästen zwischen knallroten Fensterläden begrüßt uns die Schutzhütte Rifugio Zacchi, auf deren Terrasse wir wohlig die Füße von uns strecken und uns von den Wirtsleuten Gianni (68) und Rosa Matiz („jünger als Gianni“) Polenta und Frico servieren lassen, letzteres eine friaulinische Variante eines Kartoffelpuffers, dessen wichtigster Bestandteil kräftiger Montasio-Käse aus den karnischen Alpen ist.

Die Schutzhütte (Rifugio) Luigi Zacchi unterhalb der Großen Ponza
Foto: Florian Lierzer
Das Rifugio Zacchi (1.380 m) ist ein Treffpunkt für alle, die im Dreiländereck Italien - Slowenien - Österreich auf dem Alpe-Adria-Trail unterwegs sind

Das Rifugio mit seinen 20 Betten in drei Zimmern ist ein Treffpunkt für alle, die hier auf dem Alpe-Adria-Trail unterwegs sind. So nimmt es nicht wunder, dass das Frühstück eine Art Familienzusammenkunft ist – „Wer auf dem Trail unterwegs ist, ist Teil einer großen Familie“, hatte Gianni uns gestern begrüßt – und ja, so ist es.

Erlebnisse werden ausgetauscht, Blasenpflaster verschenkt (hoffend, die verbleibenden reichen einem selbst), Geheimtipps machen die Runde. Besonders neugierig sind wir auf die Berichte derer, die gestern von Kranjska Gora kamen, dorthin geht unser Weg heute.

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Keinesfalls, so rät man uns, sollten wir versäumen, einen Abstecher hinauf zu einem Felseinschnitt namens „La Porticina“ auf einer Höhe von 1.844 Meter zu nehmen. Zwar sendet der stufenartige Anstieg auf einem mit kleinen Kehren versehenen alten Maultierpfad unfreundliche Grüße an unsere Oberschenkel – die letzten Meter geht’s gar nur unter Zuhilfenahme der Hände –, doch der spektakuläre Blick auf das obere Isonzo-Tal, das mehr als 1.000 Meter tiefer liegt, ist aller Mühen wert.

Die Laghi di Ledine (Save Flussquellen) im Naturschutzgebiet Zelenci
Foto: Florian Lierzer
Im Zelenci-Naturreservat, einem Feuchtgebiet mit seltenen Pflanzen, entspringt die Save, Sloweniens längster Fluss. Das spektakuläre Panorama wird vom Ponza Grande (2.274 m) eingerahmt

„Der Alpe-Adria-Trail ist ein Genusswanderweg“, hatte Roland gestern erklärt – weshalb für uns die Kulinarik einer Region, die eine lange gemeinsame Geschichte verbindet, selbstverständlich dazu gehört.

Also spitzen wir die Ohren, als die Rede von einem Restaurant in Kranjska Gora geht, das regionale Küche „with a modern and funky twist“ auftischt. Das klingt spannend, denken wir, da sollten wir hin, und um es vorwegzunehmen und ohne zu übertreiben: Kaum je hat ein Küchenchef mit so viel Einfallsreichtum, überraschenden Geschmäckern und höchster handwerklicher Perfektion verblüfft wie Miha Dolinar.

Der 39-Jährige hat seinem Restaurant den Namen seiner Großmutter gegeben: „Mama Marija“ – „sie war eine grandiose Köchin“.

Ein Ort für kulinarische Entdeckungen auf höchstem Niveau, wo traditionelle Krainer Küche ins Heute weitergedacht wird: das „Mama Marija“ in Kranjska Gora

Mihas Credo ist so einfach wie einleuchtend: „Alles muss frisch sein.“ Deshalb werden die Brennesseln für die Bergkäse-Ravioli-Füllung direkt von der Wiese gepflückt, ebenso der dazu servierte sauer eingelegte wilde Hopfen. „Was der Garten hergibt“ kommt z. B. als Karottentatar mit Koriander und geröstetem Sesam auf den Tisch, den Seesaibling bringt ein befreundeter Fischer, die Rote Bete ein befreundeter Gärtner. Und aus Bruder Mattias kleiner Ziegenherde stammt das Milchzicklein für Mavželj, einem traditionellen Oberkrainer Gericht.

„Mein Lokal soll ein Ort für Entdeckungen sein und unser kulinarisches Erbe präsentieren“, sagt Miha, als er zum Nachtisch in Sirup eingelegten Wald-Geißbart (natürlich selbst gepflückt) kredenzt. „Außerdem will ich den Menschen, die zu mir kommen, Frohsinn und Lebensmut schenken“ – Miha, das ist dir gelungen! (Nicht nur, aber auch mithilfe exquisiter slowenischer Weine, die akkurat auf das jeweilige Gericht abgestimmt sind).

Im Gegensatz zu Mihas Verwöhn-Dinner muss uns auf unserem dritten, längsten und als „schwer“ eingestuften Streckenabschnitt unsere Rucksack-Jause genügen, denn heute gibt es unterwegs keine Versorgungsmöglichkeiten. Dafür liefert uns die Natur erneut Spektakuläres, ein erstes Mal nach einer guten Wanderstunde, wo wir vom idyllisch auf 1.000 Meter gelegenen Srednji Vrh einen grandiosen Ausblick auf den 2.472 Meter hohen Špik genießen, der jeden Postkartenfotografen zum Jubeln bringen würde. Später dann, wenn wir auf einem alten Karawanken-Grenzweg zum Schwarzkogel (1.842 m) marschieren, dem höchsten Punkt unserer heutigen Wanderung. Linker Hand breitet sich unter uns graziös das Klagenfurter Becken mit Villach und den umgebenden Seen aus, von denen der Faaker See am verführerischsten heraufblinzelt.

Unterwegs am Alpe-Adria-Trail zwischen Kranjska Gora und dem Baumgartnerhof

In den Weg entlang des Grates sind in regelmäßigen Abständen Grenzsteine eingelassen, und wir wissen nie, ob wir uns gerade auf slowenischem oder österreichischem Terrain bewegen, gut möglich, dass wir einen Fuß hüben, den anderen drüben aufsetzen. Dass wir ein anderes fremdes Territorium betreten, darauf machen uns die markdurchdringenden Warnpfiffe der Murmeltiere aufmerksam. Sie lassen uns nachdenklich werden, denn die Gegend unserer drei Wandertage war vor noch nicht allzu langer Zeit Schauplatz erbitterter Feindschaften und Kämpfe.

„Du gehst heute über Grenzen, wo einst geschossen wurde und merkst es nicht einmal“, sagt Hubert Baumgartner, 52 und Wirt des 400 Jahre alten Baumgartner Hofes, wo wir nach dem Abstieg vom Jepza-Sattel die Rucksäcke ablegen. „Kranjska Gora war Feindgebiet für uns – und wir für die. Der Trail hat die einst blutige Grenze vergessen lassen und mitgeholfen, die geschichtlichen Gräben einzuebnen. Es ist ein Riesenspaß, da dabei zu sein – das taugt mir!“

Grenzwanderung am Alpe-Adria-Trail
Foto: Florian Lierzer
Unterwegs am Schwarzkogel (1.842 m), einem Aussichtsberg in den Karawanken. Im Hintergrund der Mittagskogel (2.145 m)

Uns taugt das auch. Und es taugt uns, dass Huberts Jagdleidenschaft ihren Weg auf den Speisezettel findet. – Wie wär’s mit einem Rehrücken? – Einem Hirschgulasch mit Semmelknödel? – Oder lieber eine bergluftgetrocknete Hirschsalami mit Kärntner Schwarzbrot? – Fast kommt’s uns beim Studium der Menükarte vor, als stünden wir ganz am Ende vor der schwierigsten Herausforderung unserer gesamten Wanderung.

Anreise und Übernachtung

Ankommen

Abhängig von Start- und Zielpunkt empfehlen sich Auto oder Bahn. Das Alpe-Adria-Trail Buchungscenter organisiert auf Anfrage einen Shuttle-Service vom Ankunftsort bis zur gebuchten Start-Unterkunft der Wanderreise.

Einkehren

Rifugio Luigi Zacchi
Hier gibt es kräftige friaulinische Spezialitäten wie Frico und Polenta, der Blick von der Terrasse auf die Mangart-Nordwand ist pures Breitwandkino. Einfache Übernachtungsmöglichkeit, am Wochenende finnische Sauna.
Località Conca delle Ponze, 33018 Tarvisio UD, Italien, Tel.: +39 0428 786064.

Mama Marija
Auf allerhöchstem Niveau und mit spitzbübischem Erfindungsreichtum werden hier kulinarische Genüsse aus Österreich, Italien und Slowenien auf den Teller gezaubert, die ihresgleichen suchen. Feine und großzügige Zimmer.
Koroshka ulica 14c, Kranjska Gora, 4280 Slowenien, Tel.: +386 70 169 566, Facebook

Baumgartnerhof
Neben traditioneller, bodenständiger Kärntner Küche bereichert Karawanken-Wild aus der eigenen Jagd die Menuekarte. Durch die Lage am Berg einzigartiger Panoramablick über den Faaker See. Günstige Übernachtungspreise.
Altfinkenstein 6, Finkenstein am Faaker See, 9582 Kärnten, Österreich, Tel.: +43 4254 506 99 90, Website

Der Alpe-Adria-Trail im Detail

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