Schafshirten und Skitouren: Winter in der polnischen Tatra
Die Hohe Tatra ist das „kleinste Hochgebirge der Welt“ – doch in Polen ganz groß angesagt. Bergwelten ist in die Region der „Góralen“ gereist, um herauszufinden, ob sie als Geheimtipp für Wintersportler taugt.
Bericht: Christina Geyer, Martin Foszczynski
Kaum hält man auf dem Wanderweg hinauf zur Ornak-Hütte kurz inne und lässt seinen Blick über den sich malerisch zwischen verschneiten Waldzungen windenden Gebirgsbach schweifen, sitzt einem das Glocken-Klingeln auch schon wieder im Rücken. Es gehört zu einem Pferdeschlitten und bedeutet einem, schleunigst an den Wegesrand zu treten, so man nicht von einem geschmückten Gaul, einem schnauzbärtigen Fiaker mit Góralen-Mütze und einer polnischen Kleinfamilie samt Selfie-Stick gestreift werden möchte.
Die polnische Tatra ist wohl der einzige Ort in Europa, wo man beim Wandern im Winter Gefahr läuft, von einem Pferdefuhrwerk überfahren zu werden. Die fortgeschrittene Variante der Familien-Schlittenfahrt nennt sich „Kulig“, wie uns Jan von der lokalen Tourismusorganisation Made in Zakopane erklärt. Dabei lassen sich Feierfreudige per Kufengefährt zu einem Lagerfeuer in den Bergen karren, wobei schon unterwegs fleißig „vorgeglüht“ wird.
Sehen und gesehen werden
Es ist viel los in Zakopane, dem Wander- und Ski-Mekka im bergigen Süden Polens. Auf den Wanderwegen treten sich die Urlauber – vorwiegend Landsleute – fast genauso auf die Füße, wie auf den „Krupówki“, der Flaniermeile im Zentrum der Kleinstadt. Dort allerdings noch zusätzlich flankiert von Ramschbuden, Grilllokalen und Verkäufern von Oscypki – den allgegenwärtigen Räucherkäse aus Schafsmilch.
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„Hier läuft alles ein bisschen nach dem Motto: Sehen und gesehen werden“, sagt Jan. Die Stadt, die vor 100 Jahren nicht mehr als ein beschauliches Dörfchen der Góralen – eines Bergvolks mit eigener Tracht und Sprache – war, ist zum angesagten Ausflugsziel geworden. Zuerst entdeckten es Künstler, die Ruhe und Inspiration suchten, später Naturliebhaber, Bergsteiger und heute ganz Polen. „Im Sommer stehen die Leute vor beliebten Berggipfeln wie dem Giewont Schlange“, schmunzelt Jan und zeigt zum Beweis ein Foto auf seinem Handy, das einer vertikalen Völkerwanderung gleicht. Den Bergsee Morskie oko steuern im Sommer täglich angeblich 10.000 Menschen an.
Erst an der Wegegabelung nahe der Ornak-Hütte, aus deren dampfendem Inneren Tee-trinkende und jausnende Menschen quellen, lichtet sich der Weg. Auf den steilen Abschnitt hinauf zum Smreczynski Staw, einem malerischen kleinen Bergsee, der von mehreren Gipfeln der Tatra umzingelt ist, dürften an diesem Tag schon weit weniger „Bergfexe“ brennen.
Hier wird einem allmählich gewahr, dass man sich in einem (auf polnischer Seite) 1954 gegründeten Nationalpark mit ausgedehnten Tannen- wie Fichtenwäldern sowie Vorkommnissen von Wölfen und Braunbären befindet. Wir blicken auf die frisch verschneiten und in der Sonne schimmernden Gipfel. Irgendwo dort muss die ganze Schönheit der Hohen Tatra – dem flächenmäßig kleinsten Hochgebirge der Welt – liegen. Zwei Dutzend Gipfel überschreiten die 2.500-m-Marke, wobei der höchste – ebenso wie zwei Drittel des Nationalparkgebiets – auf slowakischer Seite liegt. Ein Terrain, auf dem auch die polnischen Bergsteigerlegenden der 70er Jahre, wie Jerzy Kukuczka oder Wanda Rutkiewicz, dem sozialistischen Diktat entflohen und den Grundstock für weltweit anerkannte Besteigungen in den Alpen und im Himalaya legten.
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Heute entdeckt eine neue Szene junger Outdoor-Liebhaber die Hohe Tatra. Das Skitourengehen – anderswo in Europa ganz normale Fortbewegungsart in den Bergen – ist in Polen noch eine relativ exotische Sportart, doch Enthusiasten wie Mateusz Mróz, der mit Skitourowe Zakopane eine eigene Schule und Webseite betreibt, tragen mit Kursen und Touren zur Verbreitung bei. Und das in einer ganz und gar nicht provinziellen Manier – eben erst kommt er – mit etlichen Social-Media-tauglichen GoPro-Clips im Gepäck – von einem Trip aus den Norwegischen Lofoten zurück. Während sich die Massen an den Skiliften stauen und größtenteils auf kurzen Anfänger-Pisten in und rund um Zakopane hinunterdrängeln, bevorzugt er es, aus eigener Kraft an menschenleere Plätze der Hohen Tatra vorzudringen und feine Powder-Abfahrten zu genießen.
30 Skipistenkilometer stehen laut Mateusz rund 200 Kilometern mit Tourenski befahrbaren Hängen gegenüber. Skitourengehen sei schlicht die beste Sportart, die man in diesem Teil Polens betreiben kann. „Es ist wie eine Miniaturausgabe der Alpen – jeder Gipfel ist an einem Tag erreichbar.“ Und es gibt noch viel Terrain zu entdecken: „Der Großteil aller Skitourengeher in Polen steigt auf den Kasprowy Wierch an der polnisch-slowakischen Grenze. Wir wollen sukzessive weitere Touren erschließen.“ Auffallend am Skitourengehen in Polen: Auf eine vollständige Lawinenausrüstung und gewissenhafte Tourenplanung wird größten Wert gelegt. Die „jungen Wilden“ gehen in Punkto Sicherheit keine Kompromisse ein.
- Hier könnt ihr ein längeres Interview mit Mateusz Mróz von Skitourowe Zakopane lesen.
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Wir fahren in Richtung Witów, wo uns ein besonderer Programmpunkt erwartet. Hier, wenige Kilometer westlich von Zakopane, ist weit mehr von der reizvollen Ursprünglichkeit der Bergregion zu spüren. Statt auf Górale-Klamauk treffen wir entlang der Straße auf alte Holz-Bauernhäuser im „Zakopane-Stil“ mit ihren typischen dicken Holzbalken, Schnitzornamenten und Veranden. Keine Kulissen für Touristen, sondern tatsächlich von der Landschaft geformt. „Holz, das in der Gegend gefällt wurde, weist eine gewundene Struktur auf, was von den starken Föhnwinden rührt, die hier regelmäßig von der Slowakei über die Gipfel hinüberwehen und den Baumbestand ganzer Berghänge knicken“, erklärt Jan. Etwas, dass wir auf unserer Wanderung tatsächlich beobachtet haben.
Wenige Autominuten westlich des Nationalpark-Eingangs in Kiry wartet Malgorzata Dudek auf uns – umgeben vom vorfreudigen Gekläff einer Armada von Hunden. Es sind Sibirische Huskys, die sie zusammen mit ihrem Vater für Hundeschlittentouren einsetzt. Jan Dudek sieht auch tatsächlich ein wenig aus wie die russische Märchenfigur „Väterchen Frost“ – als langjähriger Hundezüchter und zweifacher polnischer Meister versteht er sein Handwerk als Musher aber zweifellos.
Und so saust man nach kurzer Instruktion – zuerst im Passagiersitz, dann selbst den Schlitten lenkend – durch das wunderhübsche Chocholowska-Tal, während über bzw. vor einem ein weißer Rauschebart im Fahrtwind weht. Eine von Menschenmassen weitgehend verschonte und dank ausgiebigen Neuschnees am Vortag zur Winterwunderwelt verzauberte Oase.
Wohnen wie 1902
Abends dann das gewohnte Bild auf den Krupówki. Gedränge, Lärm, Warteschlangen in den Restaurants, wo bevorzugt deftige Fleischgerichte und Pierogi aufgetischt werden. Wie gut, wenn man da einen Rückzugsort hat, der nur einen Katzensprung von der Lokalmeile entfernt liegt, und einen doch um ein Jahrhundert in der Zeitrechnung versetzt. Im Museumshaus Ornak ist alles noch so, wie es sich Architekt Stanisław Witkiewicz, der Begründer des Zakopane-Stils, anno 1902 erdacht hat. Im Foyer hängen steinalte Steigeisen und Kletterseile an der Wand, gegenüber ein Portrait des ersten Besitzers Stanisław Sokołowski, eines Förstners, dessen Söhne viele Wege in der Tatra erschlossen haben.
Das denkmalgeschützte Haus mit vier Gästezimmern wird heute von seinem Enkel weitergeführt – und der weiß einiges zu erzählen. Ein ungemein ursprünglicher Ort. Und der perfekte Stützpunkt für alle, die sich auf die Suche nach der ursprünglichen Tatra jenseits des Trubels begeben wollen.
Die Reise nach Zakopane wurde teilweise vom Polnischen Fremdenverkehrsamt finanziert.
Infos und Adressen: Zakopane, Hohe Tatra, Polen

Hinkommen: Zakopane liegt rund 90 km südlich von Krakau, der Hauptstadt der Region Małopolska. Von Wien aus am schnellsten mit den Nachtbussen von Jordan bis Nowy Targ (circa 6 Stunden) und von dort mit dem Taxi rund 20 km nach Zakopane. Wer mit dem Auto über die Slowakei anreist muss vorher eine Autobahnvignette kaufen.
Unterkünfte: Es gibt unzählige Hotels in allen Preisklassen – noch aus sozialistischer Zeit stammende Jugendherbergen bis hin zu modernen Boutique-Absteigen, wobei sich vermehrt auch globale Hotelketten in Zakopane ansiedeln. So ist für 2018 etwa die Eröffnung eines Radisson Blu geplant. Alternativ kann man sich in und rund um Zakopane auch ganze (mehr oder weniger authentisch wirkende) Holzhäuschen im Górale-Stil mieten. In jedem Fall rechtzeitig, denn Polens Bergurlaubsziel Nr. 1 ist in Sommer und Winter fast restlos ausverkauft.
- Tipp: Wer mitten in Zakopane, nur wenige Schritte von der berstenden Lokal-Meile Krupówki, und dabei doch günstig und in angenehmer Ruhe wohnen will, sollte im Museumshaus Ornak absteigen. Die Holz-Villa wurde einst im authentischen Zakopane-Stil erbaut und ist – ebenso wie die Einrichtung – über 100 Jahre alt. Vermietet werden vier Zimmer, die Bäder liegen aus Denkmalschutzgründen ein Stockwerk tiefer. Auf Wunsch serviert der Eigentümer – ein Nachfahre der ersten Besitzerfamilie – ein reichhaltiges Frühstück.
Górale-Kultur: Die Folklore der polnischen „Bergler“ wird in Zakopane bis zum Äußersten ausgeschlachtet – an jeder Ecke findet sich jeder erdenkliche Souvenir-Ramsch (zum Teil aus chinesischer Produktion). Ein authentisches und wirklich köstliches Mitbringsel ist „Oscypek“ – ein Räucherkäse aus Schafs- oder (im Winter) Kuhmilch. Gut als Snack oder auch zum Grillen.
Für eine witzige Vereinigung von Volkskulturen sorgte die aus der Gegend stammende Folkloregruppe Trebunie-Tutki, die vor einigen Jahren die jamaikanische Roots-Reggae-Band Twinkle Brothers nach Zakopane lud. Dabei ist Folgendes entstanden:
Touren
- Winterwandern: Zum Bergsee Smreczynski Staw, Zugang in Kiry (westlich von Zakopane). Einkehrmöglichkeit in der Ornak-Hütte (Hala Ornak). Dauer: Rund 3 h.
- Skitouren-Schule und Guides: Skitourowe Zakopane, SkitourSchool.pl
- Husky-Touren: Malgorzata Dudek bietet in Witów, 15 Autominuten westlich von Zakopane, Touren zwischen 15 min und 2 Stunden an.
Video (My Passion. Made in Zakopane)
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