Die Edelrauthütte in den Zillertaler Alpen
Ein imposanter Bau in der imposanten Gipfelwelt der Zillertaler Alpen: Durchs Panoramafenster eröffnen sich grandiose Ausblicke, dazu werden dampfende Suppen mit riesigen Speckknödeln serviert.
Wolfgang Wieser für das Bergweltenmagazin Oktober/November 2018
Gott spielt mit dem Lichtschalter. Dreht auf. Dreht ab. Dreht auf. Für Sekundenbruchteile taucht Er die Gipfel von Weißzint, Hochfeiler und Großem Möseler in gleißendes Licht. Unter donnerndem Applaus, natürlich. Ach Gott, denke ich und liefere mir strampelnd einen kurzen Kampf mit dem Hüttenschlafsack. Ich schiebe den Vorhang zur Seite. Regentropfen prasseln gegen die Fensterscheiben. Es ist stockfinster – bis wieder ein Blitz ins Dunkel knallt. Und die nassen Felsen der Terrasse funkeln lässt.
Ich erinnere mich an das Gespräch mit Wirt Much Weissteiner, 51, nach dem Abendessen: „Hier“, hat er gesagt, „wo jetzt die Terrasse ist, war die alte Hütte.“ Neue Terrasse also gleich alter Grundriss. Seit der Eröffnung 1908 war das Schutzhaus am Eisbruggjoch (2.545 m) zwischen dem Pfunderer und dem Lappacher Tal fast unverändert geblieben: als Holzblockbau, mit Schindeln verkleidet, kaum unterkellert. Frühen Bergfreunden galt es als handwerkliches Kleinod – errichtet auf knappen zehn mal sieben Metern.
Seinen Namen verdankt das Schutzhaus der nach der gelben Gebirgsblume benannten Erbauergesellschaft Edelraute, allesamt honorige Herren, Mitglieder des Österreichischen Alpenklubs, die den Bau Anfang des 20. Jahrhunderts finanziert hatten – weshalb die Hütte im Volksmund auch „Hearnhütte“ genannt wurde. Doch irgendwann waren die Balken morsch, die Zeit hatte der einstigen Schönheit arg zugesetzt. „Die alte Hütte ist gestorben gewesen“, hat der Much gesagt, aber er hat auch gesagt: „Ihre Seele war noch da.“ Und ist es noch. Ein Weiterleben nach dem Tod? Ja, gibt es.
Für die Edelrauthütte jedenfalls. Der Schutzpatron der Hütte ist der renommierte Brixner Architekt Matteo Scagnol. Und ihr Entwurf die Geschichte einer besonderen Beziehung, „eine Liebesgeschichte“, sagte Signor Scagnol, als die Hütte vor zwei Jahren zu Mariä Geburt, also am 8. September 2016, offiziell übergeben wurde. „Wir wollten nicht bauen, als ob hier nie etwas gestanden hätte“, sagt Scagnol. „Deshalb entstand der Neubau sozusagen rund um die alte Hütte.
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Er bildet eine Art Fortsetzung mit symbolischen Spuren.“ Nicht nur die Terrasse erinnert an die alte Hütte. Was von ihren Balken noch brauchbar war, wurde ins Tal gebracht und zu Brettern geschnitten. Mit ihnen wurden die Betonwände des Neubaus verkleidet. Sie verleihen ihm eine ganz besondere Anmutung, schaffen eine Verbindung vom Einst zum Jetzt, von der alten zur neuen Hütte. „Es gibt Bretter, von denen ich weiß, dass sie in dem Raum waren, wo ich früher geschlafen hab“, sagt der Wirt, „weil ich mit dem Messer eine Kerbe eingeschnitzt hab, die ich heute noch seh. Irgendwie romantisch – oder?“
Elf Monate wurde an der neuen Edelrauthütte gearbeitet. Spengler und Zimmerer schliefen sogar noch in der alten Hütte. Selbst als Mitte Oktober das Dach entfernt wurde, saßen die Arbeiter in der Stube. In der Nacht sahen sie die Sterne. Irgendwann waren aber auch die letzten Mauern weg. „Nur der Herd ist geblieben, den haben wir zum Kochen gebraucht. Und wenn du die Tür zum Klo aufgemacht hast, bist du im Freien gestanden.“

Fenster mit Ausblick
Die neue Edelrauthütte präsentiert sich als L-förmiger, kompakter Baukörper, der einen windgeschützten Außenbereich in Richtung Süden definiert – genau dort, wo die alte Hütte stand. Entsprechend geschlossen zeigt sich der Neubau an den windausgesetzten Seiten. Das große, abgeschrägte Dach ist einerseits „ein starkes architektonisches Signal“, erklärt der Architekt, „andererseits aber sehr funktionell, weil es sich auch zur Verkleidung mit Photovoltaikplatten anbietet.“
Wer die Hütte betritt, wird zuerst in den Trockenraum für die Wanderschuhe geführt. Muchs ganzer Stolz. Erst dann dürfen die Gäste in die Stube. Hier drinnen ist der Ausblick grandios. Vier Meter sind die Panoramafenster hoch, der Raum misst an seinem höchsten Punkt „sicher sieben Meter“, sagt Much. Von der Galerie im ersten Stock kann man die Gäste beim Genuss der riesigen Knödel in der dampfenden Suppe beobachten.
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Hochfeilerhütte
Die Hochfeilerhütte wurde 1986 gebaut und steht im Südtiroler Eisacktal, etwa 2:30 h Gehzeit vom Hochfeiler entfernt, dem höchsten Berg in den Zillertaler Alpen. Weitere Dreitausender in der Nähe sind der Hochferner und der Hohe Weißzint, die auch von weniger erfahrenen Bergsteigern bezwungen werden können.Die Hochfeilerhütte ist umgeben von Gletschern, man genießt einen herrlichen Ausblick ins Pfitschertal. Das Haus ist sauber, komfortabel und mit Duschen ausgestattet. Für Skitourengeher gibt es im Frühjahr einen unbeheizten Winterraum.
In der Küche hat der Wirt das Kommando. Unterstützt wird er von einigen Hütten-Profis, seinem Bruder, seinen Söhnen Max, 15, und Florian, 11, und einer wechselnden Schar junger Leute. Im Sommer kommen auch Muchs Schüler rauf. Der 51-Jährige ist Turnlehrer an einer Mittelschule in Brixen. Einer, der die Berge liebt, immer schon geliebt hat. Urlaub am Meer hat er ausprobiert, obwohl er schon als Bub die Wochen auf der Gampielalm, als Hirte bei einem Bauern, am meisten genossen hat: „Wir sind dreimal ans Meer gefahren. Aber erst beim dritten Mal haben wir uns eingestanden, dass eigentlich keiner hinwill.“
Und da sind dann noch Muchs Eltern. Mama Maria, die unten im Tal die Kräuter schneidet. Vater Anton, 80, der zweimal in der Woche hochsteigt, um Schnittlauch und Petersilie auf die Edelrauthütte zu bringen. Er war es auch, der einst mit seinem Lehrerkollegen und Freund Sepp Mittermair und dessen Frau Annelies die alte Hütte übernommen hatte.
Im Buch zum 100-Jahr-Jubiläum erinnert sich Anton Weissteiner an das Probejahr 1974: „Schlecht und recht kämpften wir uns durch den ersten Sommer. Nach und nach kamen Mängel und Engpässe zutage. Nur unter größten Anstrengungen gelang es uns, den Bedürfnissen der Gäste einigermaßen gerecht zu werden.“
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In der neuen Hütte kann davon keine Rede mehr sein. Es gibt Duschen, eine großzügige WC-Anlage. 70 Menschen haben in der Hütte Platz – zwölf im Lager, der Rest in hellen 4- bis 8-Bett-Zimmern. Das Lehrerdasein lässt sich mit der Arbeit auf der Hütte gut verbinden. In den Sommerferien sowieso, aber auch sonst. „Wenn ich um zwölf in der Nacht fertig bin, geh ich mit der Stirnlampe runter. Und wenn die Glocke nach der letzten Stunde läutet, wieder rauf.“
Er kommt dann über die Gampielalm, geht auf einem schmalen Weg am Eisbruggsee vorbei. Die Hütte kann er jetzt schon sehen. Er weiß, sie ist anders als die anderen. Und er weiß um ihre ganz besondere Seele.
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