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Abwärts mit Nachförg

Rennrad radikal

• 28. April 2017
2 Min. Lesezeit
von Harald Nachförg

Unfassbar, mit wie vielen Überschlägen man sich in die Lüfte schrauben kann. Warum unser Autor in Zukunft die Finger vom Rennrad-Hörndllenker lässt.

Harald Nachförg Kolumne
Foto: Martin Kreil
Bergwelten-Kolumnist Harald Nachförg
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Ich bin zwar nicht faul, aber gegen die Idee, die Berge einmal im Sitzen zu bezwingen, hatte ich auch nichts einzuwenden. Nein, es ging nicht darum, mit dem Sessellift wo raufzufahren – Mountainbiken stand zur Debatte. Und zwar im Wirtshaus – da, wo die meisten guten Ideen entstehen, wenn sportliche Herren bei ein paar Bieren zusammenhocken.

„Bin dabei“, sagte ich. Ist schließlich kein Straßenrennen, dachte ich. Dafür bin ich nämlich wiederum zu ehrgeizig. Ich mein, wer will sich schon vom Pulk abhängen lassen, auch wenn der nur aus drei Hanseln besteht, die zufälligerweise etwas mehr Kondition haben als du?

Jedenfalls trat ich damals kräftig in die Pedale, vom nach unten gebogenen Hörndllenker gezwungen, einen Buckel zu machen wie Quasimodo und stur auf den Boden zu schauen. Aerodynamisch mag das passen, dem Amateur kann da aber leicht entgehen, dass sein Vordermann stehen geblieben ist.

Was soll ich sagen? Im ersten Moment dachte ich noch, der dumpfe Knall würde daher rühren, dass ich Überschallgeschwindigkeit erreicht habe, im zweiten betete ich bereits für eine weiche Landung. Unfassbar, mit wie vielen Überschlägen man sich in die Lüfte schrauben kann. Komischerweise war ich nämlich nicht pfeilgrade über den Lenker geschossen, sondern stieg steil nach oben in den Himmel, wo vermutlich mehrere Schutzengel auf mich aufmerksam wurden und sofort ihre Pause unterbrachen. Runter ging’s übrigens schnörkellos. Wie ein Habicht auf Mäusefang stürzte ich auf das neben der Straße gelegene Feld hinab, das zum Glück frisch umgeackert war.

Mit den paar Kratzern hätte ich mich theoretisch auch gleich wieder aufs Rad schwingen können. Leider war es mit dem meines gottlob ebenfalls unverletzt gebliebenen Freundes zu einem sehr modernen Kunstwerk verschmolzen. Keine Chance, da noch irgendwas zu machen.

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Rennradfahren
Foto: Philipp Forstner
Aerodynamisch top, doch vor Abflügen nicht gefeit: Rennradfahrer

Ehrlich gesagt bin ich auch froh darüber, ich war ja mit der Rennreibe nie wirklich happy. Was ich allein mit den dünnen Reifen mitgemacht hab!

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Damals am Weg zum Mistplatz etwa. Man muss dazu wissen, dass ich leidenschaftlicher Mülltrenner bin, der jedoch erst zur Entsorgungsstelle fährt, wenn ein bissl was zusammengekommen ist – oder die Geliebte mit Trennung droht.

So stand ich also eines Tages mit prall gefüllten Mistsäcken – Papier, Weißglas, Buntglas, Plastik, Bioabfälle, Blechdosen und Sondermüll – sowie etwas sperrigerem Gerümpel auf der Straße und überlegte, ob ich das Zeug nicht mit dem Rennrad ein bissl schneller loswürde als mit dem Auto. Es war ja Stoßzeit.

Stunden später – wirklich flott können nur Inder und Chinesen ein Rad turmhoch beladen – geigelte ich relativ souverän durch Wien. Bis zu der Straße, in der die Straßenbahnlinie 49 verkehrt, in deren Schienen übrigens auch Rennradreifen ganz hervorragend passen.

Um es abzukürzen: Die in der Station Neubaugasse wartende Menge sah einen gewaltigen Müllberg an sich vorbeirumpeln, der in der ersten Kurve urknallartig explodierte. Straßenkehrer sollen sich über die Entstehung des fußballfeldgroßen Mist-Universums sehr gewundert haben. Da war ich aber schon mit verbogenem Vorderrad, auf das ich vor Wut auch ein wenig eintreten musste, zuhause.

„Mountainbiken ist gut, fette Reifen und kein Hörndllenker!“, sagte ich gedankenverloren in die Wirtshausrunde, die thematisch längst weiter war und glaubte, ich hetze wieder mal hinten nach.

Zum Autor: Der geborene Wiener Harald Nachförg ist Textchef beim Monatsmagazin Servus in Stadt & Land, Buchautor („Alles bestens“) und seit über 50 Jahren auf der Suche nach dem rechten Weg.

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