„Nepalesische Billiganbieter sind die Bösen der Branche“
Mount Everest 2016: Die heutige Nacht werden Lukas Furtenbach und sein Team bereits in Camp 4 auf 7.920 m verbringen, ehe sie morgen zum Gipfel des höchsten Bergs der Welt aufbrechen wollen. Endlich. Nach all den Wochen der Vorbereitung und des Wartens.
Im 2. Teil unseres Everest-Interviews erzählt Expeditionsleiter Furtenbach vom Alltag im Basislager, von nepalesischen Billiganbietern und von Seilschaft am Berg.

Bergwelten: Eine Expedition auf den höchsten Berg der Welt kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Wie vertreibt man sich die mühselige Zeit des Wartens im Basislager? Habt ihr euch Gewohnheiten geschaffen?
Lukas Furtenbach: Die Zeit im Basislager, das Warten, das Fiebern, das Hoffen, das Bangen – all das gehört dazu. Man verbringt ja relativ viel Zeit hier. Natürlich schafft sich jeder seine Gewohnheiten und Routinen. Man durchlebt regelmäßig emotionale Wechselbäder von Euphorie, Angst und Heimweh. Aber man hat auch eine Menge Spaß. Den Tag verbringt man mit Gesprächen und Blödeleien oder vor dem Mac, denn wir haben Wifi in unserem Basecamp. Ansonsten hören wir Musik, gehen Eisklettern, sortieren unsere Ausrüstung oder liegen auch einmal faul im Zelt oder in der Sonne.
Außerdem haben wir hier am Everest ein super Boulder-Gebiet entdeckt, nur 20 Minuten vom Basislager entfernt. Dort sind wir fast jeden Tag. Eigentlich wird es nie langweilig. Man merkt allerdings, dass die Stimmung sich ändert, je näher der Tag des Aufbruchs rückt: Es liegt eine gewisse Nervosität und Anspannung in der Luft.
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Wie ist es um das Auskommen zwischen den einzelnen Expeditionsteams bestellt? Wächst man zusammen oder bleibt der Zusammenhalt in erster Linie auf das eigene Team beschränkt?
Es ist wie im normalen Leben auch: Mit manchen hat man mehr zu tun, kooperiert und tauscht sich aus und es gibt Teams, die man eher meidet – aus pragmatischen Gründen, da sie am Berg langsam oder unerfahren sind. Es gibt zwei andere Teams, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Der Zusammenhalt innerhalb unseres Teams ist außergewöhnlich gut. Wir sind richtig zusammengewachsen.
Wie ist es deiner Meinung nach um den moralischen Aspekt des Höhenbergsteigens bestellt?
Will man den moralischen Aspekt des kommerziellen Höhenbergsteigens berücksichtigen, muss man heute auch über nepalesische Low Budget-Anbieter sprechen. Jeder, der nach dem günstigsten Preis seiner Everest-Expedition sucht, muss sich im Klaren darüber sein, dass viel zu junge (zum Teil 16-jährige), unerfahrene, nicht ausgebildete und schlecht ausgerüstete Sherpas für einen arbeiten. Diese werden nicht nur extrem schlecht bezahlt, sie sind teilweise auch nicht versichert.
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„Der Großteil aller Todesfälle der letzten Jahre an Achttausendern geht auf das Konto von einigen wenigen nepalesischen Billiganbietern.“
Der Großteil aller Todesfälle der letzten Jahre an Achttausendern geht auf das Konto von einigen wenigen nepalesischen Billiganbietern. Sie sind in Notsituationen überfordert: Nicht selten werden Kunden dann alleine gelassen und in Folge von etablierten westlichen Veranstaltern gerettet. So haben auch wir vor zwei Wochen Kunden eines solchen Veranstalters am Island Peak aus einer lebensbedrohlichen Notlage gerettet.

Die nepalesische Regierung stand bereits mehrfach kurz davor, den in der Branche berüchtigten Unternehmen die Lizenz zu entziehen. Es klingt hart, aber heute sind tatsächlich sie die „Bösen“ der Branche. Alle Zweifler lade ich ins Basislager ein, um sich von diesem Umstand persönlich zu überzeugen.
„Ich empfinde es als menschliche Leistung, wenn man am Berg nicht als Egoist unterwegs ist.“
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Reinhold Messner hat einmal gesagt, dass am Berg „natürlich jeder erst mal als Egoist unterwegs“ ist – stimmt das? Wie wichtig ist Teamgeist bei einer Expedition wie dieser?
Diese Aussage wird für ihn stimmen. Was meine Erfahrung anbelangt, so waren die prägnantesten Erlebnisse am Berg aber immer jene, die ich teilen konnte. Ich empfinde es tatsächlich als menschliche Leistung, wenn man am Berg, vor allem an hohen Bergen, nicht als Egoist unterwegs ist. Ich habe am Berg schon viel Teamgeist und viel Egoismus erlebt. An die Egoisten kann ich mich aber kaum mehr erinnern. Im klassischen Bergsteigen gilt die Seilschaft ja auch als moralisches Gut. Es lässt nicht leugnen: Seilschaft am Berg verbindet.

Teil 3 des Interviews: Wir „bösen“ kommerziellen Veranstalter räumen den Müll von damals auf
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Hier geht es zum 3. Teil des Interviews:

